Änderungsantrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Annalena Baerbock, Lisa Badum, Dr. Julia Verlinden, Dr. Ingrid Nestle, Dr. Bettina Hoffmann, Sylvia Kotting-Uhl, Steffi Lemke, Gerhard Zickenheiner, Katharina Dröge, Harald Ebner, Matthias Gastel, Kai Gehring, Stefan Gelbhaar, Britta Haßelmann, Stephan Kühn (Dresden), Christian Kühn (Tübingen), Renate Künast, Friedrich Ostendorff, Markus Tressel, Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung – Drucksachen 19/17342, 19/18472, 19/18779 Nr. 1.13, 19/20714 –Deutscher Bundestag Drucksache 19/20730
19. Wahlperiode 01.07.2020
Änderungsantrag
der Abgeordneten Oliver Krischer, Annalena Baerbock, Lisa Badum, Dr. Julia
Verlinden, Dr. Ingrid Nestle, Dr. Bettina Hoffmann, Sylvia Kotting-Uhl, Steffi
Lemke, Gerhard Zickenheiner, Katharina Dröge, Harald Ebner, Matthias
Gastel, Kai Gehring, Stefan Gelbhaar, Britta Haßelmann, Stephan Kühn
(Dresden), Christian Kühn (Tübingen), Renate Künast, Friedrich Ostendorff,
Markus Tressel, Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 19/17342, 19/18472, 19/18779 Nr. 1.13, 19/20714 –
Entwurf eines Gesetzes zur Reduzierung und zur Beendigung der
Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze
(Kohleausstiegsgesetz)
Der Bundestag wolle beschließen:
Artikel 1 § 53 wird wie folgt geändert:
1. Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Es ist verboten, nach dem … [einsetzen Datum des Inkrafttreten dieses
Gesetzes] neue Stein- oder Braunkohleanlagen in Betrieb zu nehmen. Eine Steinoder
Braunkohleanlage ist neu, wenn für die Anlage bis zum 29. Januar 2020 eine
Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Anlage nach dem Bundes-
Immissionsschutzgesetz
1. noch nicht erteilt wurde oder
2. gegen eine bereits erteilte Genehmigung zu diesem Datum noch Rechtsmittel
anhängig waren.“
2. In Absatz 2 wird Satz 2 gestrichen.
3. Folgender Absatz 3 wird angefügt:
„(3) Für Betriebs- und Errichtungsverbote nach Absatz 1 Nummer 2 regelt
die Bundesregierung mittels Rechtsverordnung eine angemessene Entschädigung
in Geld, wenn und soweit dies schützenwerte Interessen nach Abwägung mit denen
der Allgemeinheit erfordern. Die Rechtsverordnung bedarf der Zustimmung
des Bundestages. Hat sich der Bundestag nach Ablauf von sechs Sitzungswochen
seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, gilt die Zustimmung als
erteilt.“
Berlin, den 30. Juni 2020
Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
Drucksache 19/20730 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
Begründung
Der Änderungsantrag setzt den im Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“
dargelegten gesellschaftlichen Konsens um. Die Kommission sah vor, dass zur Begrenzung der fortschreitenden
Klimakrise und zur Einhaltung der nationalen und internationalen Klimaschutzverpflichtungen
Deutschlands auch neuere Kraftwerke – wie das Kohlkraftwerk Datteln 4 – nicht betrieben werden dürfen (S.
62). Neben der im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Regelung, dass Kraftwerke, für die bis zum
29.01.2020 noch keine Genehmigung erteilt wurde, nicht betrieben werden dürfen, wird daher neu eingefügt,
dass auch Kraftwerke, die bis zu dem genannten Datum wegen Rechtsmitteln gegen die Genehmigung über keine
bestandskräftige Genehmigung verfügen, einem Betriebsverbot unterliegen (Einfügung von Absatz 1 Nummer
2).
Die Fraktion ist sich der Schwierigkeit bewusst, dass dem Kraftwerk Datteln 4 jüngst eine immissionsschutzrechtliche
Genehmigung erteilt wurde. Gleichzeitig ist angesichts der Klimakrise ein umfassender und schnellstmöglicher
Ausstieg, der gerade auch die Anlagen mit sehr hohem Ausstoß an klimaschädlichen Emissionen umfasst,
unumgänglich. Dies gilt umso mehr für Kraftwerke, bei denen die Rechtmäßigkeit der Genehmigung wegen
Klagen, die noch rechtshängig sind, ungeklärt ist. Zur Auflösung etwaiger Unwägbarkeiten sieht der Änderungsantrag
eine grundsätzliche Entschädigungsmöglichkeit für das Abschalten von Kraftwerken vor, die zum
29.01.2020 noch über keine bestandskräftige Genehmigung verfügten (Absatz 3 neu). Die Entschädigung ist nur
dann und nur soweit zu erlassen, soweit es die Interessen des Kraftwerksbetreibers verfassungsrechtlich erfordern.
Bei der Abwägung ist auch in den Blick zu nehmen, ob die Genehmigung voraussichtlich rechtmäßig gewesen
wäre und inwieweit der Betreiber noch auf den Weiterbetrieb seines Kraftwerkes vertrauen durfte. Angesichts
der in Deutschland seit Jahrzenten verfolgten Klimaschutzpolitik wird bspw. angenommen, dass seit den
2000er Jahren, spätestens seit 2010, eine nur beschränkte Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die langfristige
Zulässigkeit des Betriebes von Kohlekraftwerken besteht. Als „kaum noch schützenswert zu qualifizieren“ wird
das Vertrauen in den Fortbestand der Betriebsmöglichkeiten seit 2014, spätestens seit 2016, angenommen (siehe
dazu: Schomerus/ Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Kohlekraftwerken
im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, 31.12.2018,
S. 201ff., www.BMU.de, zuletzt abgerufen am 23.04.20).
Die Änderung ist angepasst an die Formulierungstechnik des Gesetzentwurfes (bspw. das Abstellen auf die Definition
von „neuen“ Kohlekraftwerken oder soweit erforderlichen Entschädigungsleistungen mittels Rechtsverordnung
(vgl., § 43 Abs. 3 Nr. 3 des Entwurfes in der ursprünglichen Fassung)), streicht aber in der Änderung
zu Absatz 2 unnötige Doppelungen (§ 48 Abs. 1 2. Hs. und Abs. 2 S. 2 des Entwurfes).
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