Gesetzentwurf der Abgeordneten Otto Fricke, Michael Georg Link, Christian Dürr, Ulla Ihnen, Karsten Klein, Christoph Meyer, Bettina Stark-Watzinger, Grigorios Aggelidis, Renata Alt, Christine Aschenberg-Dugnus, Jens Beeck, Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar), Sandra Bubendorfer-Licht, Dr. Marco Buschmann, Carl-Julius Cronenberg, Dr. Marcus Faber, Daniel Föst, Peter Heidt, Katrin Helling-Plahr, Markus Herbrand, Torsten Herbst, Katja Hessel, Dr. Christoph Hoffmann, Reinhard Houben, Olaf in der Beek, Carina Konrad, Konstantin Kuhle, Till Mansmann, Dr. Martin Neumann, Bernd Reuther, Frank Schäffler, Dr. Wieland Schinnenburg, Matthias Seestern-Pauly, Hermann Otto Solms, Dr. Marie-Agnes Strack- Zimmermann, Benjamin Strasser, Katja Suding, Linda Teuteberg, Stephan Thomae, Gerald Ullrich, Nicole Westig, Katharina Willkomm und der Fraktion der FDPDeutscher Bundestag Drucksache 19/26877
19. Wahlperiode 23.02.2021
Gesetzentwurf
der Abgeordneten Otto Fricke, Michael Georg Link, Christian Dürr, Ulla Ihnen,
Karsten Klein, Christoph Meyer, Bettina Stark-Watzinger, Grigorios Aggelidis,
Renata Alt, Christine Aschenberg-Dugnus, Jens Beeck, Dr. Jens Brandenburg
(Rhein-Neckar), Sandra Bubendorfer-Licht, Dr. Marco Buschmann, Carl-Julius
Cronenberg, Dr. Marcus Faber, Daniel Föst, Peter Heidt, Katrin Helling-Plahr,
Markus Herbrand, Torsten Herbst, Katja Hessel, Dr. Christoph Hoffmann, Reinhard
Houben, Olaf in der Beek, Carina Konrad, Konstantin Kuhle, Till Mansmann,
Dr. Martin Neumann, Bernd Reuther, Frank Schäffler, Dr. Wieland Schinnenburg,
Matthias Seestern-Pauly, Hermann Otto Solms, Dr. Marie-Agnes Strack-
Zimmermann, Benjamin Strasser, Katja Suding, Linda Teuteberg, Stephan
Thomae, Gerald Ullrich, Nicole Westig, Katharina Willkomm und der Fraktion der
FDP
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Gesetzes über die Zusammenarbeit von
Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der
Europäischen Union zur Stärkung der Beteiligungsrechte des Bundestages in
Angelegenheiten des Aufbauinstruments Next Generation EU
(Next-Generation-EUZBBG – NG-EUZBBG)
A. Problem
Die Zukunft der Europäischen Union hängt maßgeblich davon ab, wie die EU und
ihre Mitgliedstaaten die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen der Covid-19-Pandemie
meistern werden. Dabei ist ein moderner, flexibler und wirkungsstarker
Haushalt entscheidend, der die Union nach innen und außen handlungsfähig
macht. Der Mehrjährige Finanzrahmen (2021-2027) umfasst für die
nächsten sieben Jahre ein Volumen von 1.074 Milliarden Euro (in Preisen von
2018) und wird zusätzlich durch das Aufbauinstrument „Next Generation EU“
(NGEU) in Höhe von 750 Mrd. Euro (in Preisen von 2018) ergänzt, wovon 672,5
Mrd. Euro über die sog. Aufbau- und Resilienzfazilität für die Umsetzung von
Investitionen und Reformen direkt an die Mitgliedstaaten weitergeleitet werden.
Für die Finanzierung des EU-Haushalts und des Aufbauinstruments NGEU hat
der Rat am 14. Dezember 2020 ein neues Eigenmittelsystem beschlossen. Die Eigenmittel-Obergrenze
wird dauerhaft von 1,23 % auf 1,4 % des EU-BNE angehoben.
Zur Finanzierung des Aufbauinstruments wird die Europäische Kommission
erstmals ermächtigt, im Namen der Union Mittel in Höhe von bis zu 750
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Drucksache 19/26877 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
Mrd. Euro aufzunehmen. Die Tilgung dieser Schulden soll spätestens 2028 beginnen
und sich bis 2058 strecken. Die Rückzahlung soll über künftige EU-Haushalte,
Einnahmen aus neuen Eigenmitteln und Rückzahlung durch die Mitgliedstaaten,
die Kredite erhalten haben, erfolgen. Zur Absicherung der Verbindlichkeiten
und Eventualverbindlichkeiten aus Darlehen wird die Eigenmittelobergrenze
zeitlich begrenzt bis 2058 zusätzlich um 0,6 % des EU-Bruttonationaleinkommens
(EU-BNE) angehoben.
Im äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass ein Mitgliedstaat als Schuldner oder
Beitragszahler zum EU-Haushalt dauerhaft ausfällt, kann sich das Haftungsrisiko
für die anderen Mitglieder unter bestimmten Bedingungen erhöhen. Auch wenn
nach Darstellung der Bundesregierung im Haushaltsausschuss das Ausschöpfen
der speziellen Eigenmittelobergrenze auf höchstens einmal innerhalb eines Mehrjährigen
Finanzrahmens begrenzt sein soll, entstehen dadurch - rein theoretisch -
zusätzliche Risiken für den Bundeshaushalt. Dieser Haftungszusammenhang sowie
die erheblichen im Rahmen des Aufbauinstruments NGEU vorgesehenen
Summen bewirken, dass die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages
durch NGEU eindeutig berührt ist. Daher ist eine Ausweitung der gegenwärtig
im EUZBBG vorgesehenen Informations-, Kontroll- und Mitspracherechte
des Haushaltsgesetzgebers geboten.
Das bestehende Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem
Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) stellt
nicht auf die Besonderheiten des NGEU-Entscheidungsverfahrens ab. Somit bedarf
es, aufbauend auf eine umfassende Unterrichtung, eines erweiterten, auf
NGEU angepassten Stellungnahmerechts des Bundestages, das im Regelfall
durch den Haushaltsausschuss ausgeübt werden sollte. Auf diese Weise erhält der
Gesetzgeber die Möglichkeit, auf die Projektauswahl, Auszahlung und Zielerreichung
des Aufbauinstruments Einfluss zu nehmen, soweit den einzelnen Mitgliedstaaten
im Rahmen des NGEU-Governancemodells ein solcher Einfluss zukommt.
B. Lösung
Durch eine Ergänzung des bewährten EUZBBG werden die Beteiligungsrechte
des Bundestages an die spezifischen Governancestrukturen des Aufbauinstruments
NGEU angepasst, wie sie die Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und
Resilienzfazilität (ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17) ausgestaltet.
C. Alternativen
Denkbar wäre alternativ zur Ergänzung des bestehenden EUZBBG der Beschluss
eines eigenständigen Gesetzes in Anlehnung an das ESM-Finanzierungsgesetz
(ESM-Finanzierungsgesetz vom 13. September 2012 (BGBl. I S. 1918), das durch
Artikel 1 des Gesetzes vom 29. November 2014 (BGBl. I S. 1821, 2193) geändert
worden ist) für die Beteiligung des Bundestages an Entscheidungen des ESM. Da
es sich bei NGEU im Gegensatz zum ESM nicht um eine durch völkerrechtlichen
Vertrag geschaffene internationale Organisation, sondern um ein Programm der
Europäischen Union auf Basis des EU-Primärrechts handelt, scheint eine Anknüpfung
an das allgemeine Gesetz zur Normierung der Beteiligung des Deutschen
Bundestages an EU-Angelegenheiten sachgerechter.
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/26877
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Das Gesetz bewirkt keine unmittelbaren Ausgaben der öffentlichen Haushalte. Im
Gegenteil soll die parlamentarische Kontrolle über die sachgerechte Verwendung
der finanziellen Beiträge und Darlehen des Aufbauinstruments NGEU erweitert
werden.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger
eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Unternehmen eingeführt,
vereinfacht oder abgeschafft.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Durch die erweiterten Beteiligungsrechte kann ein zusätzlicher Personalbedarf im
Bundesministerium der Finanzen und in der Verwaltung des Deutschen Bundestages
in geringem Umfang entstehen, um den Anforderungen an Aktualität, Qualität
und Umfang der Unterrichtung des Bundestages gerecht zu werden. Die Kosten
des möglichen Mehrbedarfs sind nicht quantifizierbar. Sie werden voraussichtlich
im Rahmen der Personalhaushalte abgedeckt werden können.
F. Weitere Kosten
Das Gesetz verursacht keine Kosten, insbesondere nicht für Wirtschaftsunternehmen
oder soziale Sicherungssysteme. Auswirkungen auf Einzelpreise und das
Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind von dem Gesetz
nicht zu erwarten.
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Drucksache 19/26877 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit von
Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen
Union zur Stärkung der Beteiligungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten des
Aufbauinstruments Next Generation EU
(Next-Generation-EUZBBG – NG-EUZBBG)
Vom …
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der
Europäischen Union vom 4. Juli 2013 (BGBl. I S. 2170) wird wie folgt geändert.
1. In § 8 Abs. 1 S. 1 wird vor „Gelegenheit zur Stellungnahme“ das Wort „frühzeitig“ eingefügt.
2. Nach § 8 werden die folgenden § 8a bis § 8e eingefügt:
„§ 8a Stellungnahmen des Haushaltsausschusses des Bundestages zu Aufbau- und Resilienzplänen für das Aufbauinstrument
Next Generation EU
(1) Vor ihrer Mitwirkung an Durchführungsbeschlüssen des Rates über einen von einem Mitgliedstaat vorgelegten
Aufbau- und Resilienzplan oder eine Aktualisierung eines solchen Plans gemäß Art. 20 Abs. 1 der Verordnung
(EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbauund
Resilienzfazilität (ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17) gibt die Bundesregierung dem Haushaltsausschuss des
Bundestages Gelegenheit zur Stellungnahme.
(2) Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahme des Haushaltsausschusses und legt diese ihren Verhandlungen
im Rat zugrunde. Im Fall einer ablehnenden Stellungnahme stimmt sie einem vorgelegten Entwurf
eines Durchführungsbeschlusses nicht zu.
§ 8b Stellungnahmen des Haushaltsausschusses des Bundestages zu Auszahlungsentscheidungen in Bezug auf
das Aufbauinstrument Next Generation EU
(1) Vor der Abgabe der Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses zur vorläufigen Bewertung der
Kommission in Bezug auf die zufriedenstellende Erreichung der einschlägigen Etappenziele und Zielwerte des
Aufbau- und Resilienzplans eines Mitgliedstaats gemäß Art. 24 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität
(ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17) gibt die Bundesregierung dem Haushaltsausschuss Gelegenheit zur Stellungnahme.
(2) Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahme des Haushaltsausschusses und legt diese ihren Verhandlungen
im Wirtschafts- und Finanzausschuss zugrunde. Zudem bemüht sich die Bundesregierung im Wirtschafts-
und Finanzausschuss um den gemäß Erwägungsgrund 52 der Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl.
L 57 vom 18.2.2021, S. 17) anzustrebenden Konsens.
§ 8c Befassung des Europäischen Rates bei schwerwiegenden Abweichungen von der zufriedenstellenden Zielerreichung
eines Mitgliedstaats in Angelegenheiten des Aufbauinstruments Next Generation EU
Im Fall schwerwiegender Abweichungen eines Mitgliedstaats von der zufriedenstellenden Erreichung der einschlägigen
Etappenziele und Zielwerte fordert der Haushaltsausschuss die Bundesregierung durch eine Stellungnahme
auf, den Präsidenten des Europäischen Rates gemäß Erwägungsgrund 52 der Verordnung (EU) 2021/241
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/26877
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität
(ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17) zu ersuchen, den Europäischen Rat auf dessen nächster Tagung mit der
Angelegenheit zu befassen.
§ 8d Unterrichtung in Angelegenheiten des Aufbauinstruments Next Generation EU
(1) Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ist in Anlehnung an die Berichtspflicht der Mitgliedstaaten
gegenüber der Europäischen Kommission zweimal jährlich durch die Bundesregierung über die ausgezahlten
finanziellen Beiträge und Darlehen, die Fortschritte bei der Durchführung der Aufbau- und Resilienzpläne sowie
zusätzlich die Anleiheemissionstätigkeit der Europäischen Kommission für das Aufbauinstrument Next Generation
schriftlich zu unterrichten.
(2) Die fortlaufende Unterrichtung der Bundesregierung enthält auch Angaben zur jeweiligen Berücksichtigung
der nach diesem Gesetz abgegebenen Stellungnahmen des Haushaltsausschusses bei den Verhandlungen.
§ 8e Evokationsrecht in Angelegenheiten des Aufbauinstruments Next Generation EU
Das Plenum des Deutschen Bundestages kann die Befugnisse des Haushaltsausschusses gemäß §§ 8a bis 8d jederzeit
durch einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss an sich ziehen und durch einfachen Beschluss
ausüben.“
Artikel 2
Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt an dem Tag in Kraft, an dem der Beschluss (EU, Euratom) 2020/2053 des Rates vom 14.
Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union und zur Aufhebung des Beschlusses
2014/335/EU, Euratom (ABl. L 424 vom 15.12.2020, S. 1) für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt.
(2) Das Bundesministerium der Finanzen gibt den Tag des Inkrafttretens im Bundesgesetzblatt bekannt.
Berlin, den 23. Februar 2021
Christian Lindner und Fraktion
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Drucksache 19/26877 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Die Zukunft der Europäischen Union hängt maßgeblich davon ab, wie die EU und ihre Mitgliedstaaten die wirtschaftlichen
und sozialen Herausforderungen der Covid-19-Pandemie meistern werden. Dabei ist ein moderner,
flexibler und wirkungsstarker Haushalt entscheidend, der die Union nach innen und außen handlungsfähig macht.
Der Mehrjährige Finanzrahmen (2021-2027) umfasst für die nächsten sieben Jahre ein Volumen von 1.074 Milliarden
Euro (in Preisen von 2018) und wird zusätzlich durch das Aufbauinstrument „Next Generation EU“
(NGEU) in Höhe von 750 Mrd. Euro (in Preisen von 2018) ergänzt, wovon 672,5 Mrd. Euro über die sog. Aufbauund
Resilienzfazilität für die Umsetzung von Investitionen und Reformen direkt an die Mitgliedstaaten weitergeleitet
werden.
Für die Finanzierung des EU-Haushalts und des Aufbauinstruments NGEU hat der Rat am 14. Dezember 2020
ein neues Eigenmittelsystem beschlossen. Die Eigenmittel-Obergrenze wird dauerhaft von 1,23 % auf 1,4 % des
EU-BNE angehoben. Zur Finanzierung des Aufbauinstruments wird die Europäische Kommission erstmals ermächtigt,
im Namen der Union Mittel in Höhe von bis zu 750 Mrd. Euro aufzunehmen. Die Tilgung dieser Schulden
soll spätestens 2028 beginnen und sich bis 2058 strecken. Die Rückzahlung soll über künftige EU-Haushalte,
Einnahmen aus neuen Eigenmitteln und Rückzahlung durch die Mitgliedstaaten, die Kredite erhalten haben, erfolgen.
Zur Absicherung der Verbindlichkeiten und Eventualverbindlichkeiten aus Darlehen wird die Eigenmittelobergrenze
zeitlich begrenzt bis 2058 zusätzlich um 0,6 % des EU-BNE angehoben.
Im äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass ein Mitgliedstaat als Schuldner oder Beitragszahler zum EU-Haushalt
dauerhaft ausfällt, kann sich das Haftungsrisiko für die anderen Mitglieder unter bestimmten Bedingungen erhöhen.
Auch wenn nach Darstellung der Bundesregierung im Haushaltsausschuss das Ausschöpfen der speziellen
Eigenmittelobergrenze auf höchstens einmal innerhalb eines Mehrjährigen Finanzrahmens begrenzt sein soll, entstehen
dadurch - rein theoretisch - zusätzliche Risiken für den Bundeshaushalt. Dieser Haftungszusammenhang
sowie die erheblichen im Rahmen des Aufbauinstruments NGEU vorgesehenen Summen bewirken, dass die haushaltspolitische
Gesamtverantwortung des Bundestages durch NGEU eindeutig berührt ist. Daher ist eine Ausweitung
der gegenwärtig im EUZBBG vorgesehenen Informations-, Kontroll- und Mitspracherechte des Haushaltsgesetzgebers
geboten.
Das bestehende Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten
der Europäischen Union (EUZBBG) stellt nicht auf die Besonderheiten des NGEU-Entscheidungsverfahrens
ab. Somit bedarf es, aufbauend auf eine umfassende Unterrichtung, eines erweiterten, auf NGEU angepassten
Stellungnahmerechts des Bundestages, das im Regelfall durch den Haushaltsausschuss ausgeübt werden sollte.
Auf diese Weise erhält der Gesetzgeber die Möglichkeit, auf die Projektauswahl, Auszahlung und Zielerreichung
des Aufbauinstruments Einfluss zu nehmen, soweit den einzelnen Mitgliedstaaten im Rahmen des NGEU-Governancemodells
ein solcher Einfluss zukommt.
II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Der Haushaltsausschuss des Bundestages erhält für das einmalig aufgelegte NGEU-Programm verstärkte und
ausdifferenzierte Informationsrechte und erweiterte Möglichkeiten zur Stellungnahme bei:
• den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen der einzelnen Mitgliedstaaten,
• Änderungen der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne,
• allen Auszahlungsentscheidungen der Europäischen Kommission für finanzielle Beiträge und Darlehen sowie
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/26877
• der Aktivierung des sog. Notbremsen-Mechanismus‘ (Befassung des Europäischen Rates im Fall schwerwiegender
Abweichungen eines Mitgliedstaats von der zufriedenstellenden Zielerreichung)
Das Unterrichtungsrecht des Haushaltsausschusses wird in Anlehnung an das Unterrichtungsrecht des Europäischen
Parlaments und des Rates ausgestaltet. Zudem wird das Evokationsrecht des Bundestagsplenums für alle
mit NGEU zusammenhängenden Rechte des Haushaltsausschusses normiert.
III. Alternativen
Denkbar wäre alternativ zur Ergänzung des bestehenden EUZBBG der Beschluss eines eigenständigen Gesetzes
in Anlehnung an das ESM-Finanzierungsgesetz (ESM-Finanzierungsgesetz vom 13. September 2012 (BGBl. I S.
1918), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. November 2014 (BGBl. I S. 1821, 2193) geändert worden ist)
für die Beteiligung des Bundestages an Entscheidungen des ESM. Da es sich bei NGEU im Gegensatz zum ESM
nicht um eine durch völkerrechtlichen Vertrag geschaffene internationale Organisation, sondern um ein Programm
der Europäischen Union auf Basis des EU-Primärrechts handelt, scheint eine Anknüpfung an das allgemeine
Gesetz zur Normierung der Beteiligung des Deutschen Bundestages in EU-Angelegenheiten sachgerechter.
IV. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundestages ergibt sich aus Art. 23 Abs. 3 GG.
V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen
Da der Gesetzentwurf am Unionsrecht – insbesondere dem Beschluss (EU, Euratom) 2020/2053 des Rates vom
14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union und zur Aufhebung des Beschlusses
2014/335/EU, Euratom (ABl. L 424 vom 15.12.2020, S. 1) sowie der Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl.
L 57 vom 18.2.2021, S. 17) – anknüpft und die innerstaatliche Willensbildung des Bundes hinsichtlich der Mitwirkung
in den Ratsgremien ausgestaltet, ist er mit dem Recht der EU vereinbar.
Völkerrechtliche Verträge werden nicht berührt.
VI. Gesetzesfolgen
1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
Einen Beitrag zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung kann das Gesetz nicht leisten, da es die Beteiligungsund
Kontrollrechte des Bundestages an einem neuen EU-Programm ausgestaltet. Ein Verzicht auf parlamentarische
Kontrolle ist keine sinnvolle Option.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
Die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit wird gestärkt, indem die Einhaltung der für die Verwendung der
Mittel der Aufbau- und Resilienzfazilität vorgeschriebene Zielsetzung der Stärkung des Wachstumspotentials und
der Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Deutschen Bundestag zusätzlich kontrolliert wird und der Bundestag
bei ungenügender Berücksichtigung eine ablehnende Stellungnahme abgeben kann.
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Drucksache 19/26877 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
Die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit wird gestärkt, indem die Einhaltung der für die Verwendung der
Mittel der Aufbau- und Resilienzfazilität vorgeschriebene Berücksichtigung klimapolitischer Ziele durch den
Deutschen Bundestag zusätzlich kontrolliert wird und der Bundestag bei ungenügender oder nur scheinbarer Berücksichtigung
(z. B. durch sog. greenwashing) eine ablehnende Stellungnahme abgeben kann.
Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit wird gestärkt, indem die Einhaltung der für die Verwendung der Mittel
der Aufbau- und Resilienzfazilität vorgeschriebene Berücksichtigung der sozialen Kohäsion durch den Deutschen
Bundestag zusätzlich kontrolliert wird und der Bundestag bei ungenügender Berücksichtigung eine ablehnende
Stellungnahme abgeben kann.
3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Das Gesetz hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte. Im Gegenteil soll die parlamentarische
Kontrolle über die sachgerechte Verwendung der Mittel des Aufbauinstruments NGEU, für deren
Rückzahlung zu einem Teil der Bundeshaushalt haftet, erweitert werden.
4. Erfüllungsaufwand
Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger eingeführt, vereinfacht oder
abgeschafft.
Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Unternehmen eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Keine.
Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Durch die erweiterten Beteiligungsrechte kann ein zusätzlicher Personalbedarf im Bundesministerium der Finanzen
und in der Verwaltung des Deutschen Bundestages in geringem Umfang entstehen, um den Anforderungen
an Aktualität, Qualität und Umfang der Unterrichtung des Bundestages gerecht zu werden. Die Kosten des möglichen
Mehrbedarfs sind nicht quantifizierbar. Sie werden voraussichtlich im Rahmen der Personalhaushalte abgedeckt
werden können.
5. Weitere Kosten
Das Gesetz verursacht keine Kosten, insbesondere nicht für Wirtschaftsunternehmen oder soziale Sicherungssysteme.
Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind von
dem Gesetz nicht zu erwarten.
6. Weitere Gesetzesfolgen
Keine.
VII. Befristung; Evaluierung
Mit Rückzahlung aller von der EU begebenen NGEU-Anleihen, d. h. spätestens mit Ablauf des Jahres 2058 (siehe
Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 S. 3 Beschluss (EU, Euratom) 2020/2053 des Rates vom 14. Dezember 2020 über das
Eigenmittelsystem der Europäischen Union und zur Aufhebung des Beschlusses 2014/335/EU, Euratom (ABl. L
424 vom 15.12.2020, S. 1)), entfällt der Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Einer förmlichen Befristung bedarf
es daher nicht.
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/26877
Das Bundesministerium der Finanzen legt dem Deutschen Bundestag drei Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes
einen Evaluierungsbericht vor.
B. Besonderer Teil
Artikel 1 des Gesetzes
Die Einfügung des Wortes „frühzeitig“ in § 8 Abs. 1 S. 1 soll sicherstellen, dass der Bundestag künftig bei EU-
Vorhaben generell – nicht nur in NGEU-Angelegenheiten – zu einem früheren Zeitpunkt über Beratungsabläufe
informiert wird, um Vorhaben angemessen begleiten zu können.
§ 8a betrifft die wichtigste Entscheidung im Prozess der NGEU-Mittelverteilung: die Annahme der nationalen
Aufbau- und Resilienzpläne. Die Norm verpflichtet die Bundesregierung, dem Haushaltsausschuss des Bundestages
vor ihrer Mitwirkung an Durchführungsbeschlüssen des Rates über einen von einem Mitgliedstaat vorgelegten
Aufbau- und Resilienzplan gemäß Art. 20 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl. L 57 vom
18.2.2021, S. 17) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Damit ist gewährleistet, dass der Bundestag im Vorhinein
kontrollieren kann, inwieweit die Bundesregierung ihrer Verantwortung zur kritischen Prüfung der von
den Mitgliedstaaten geplanten Investitions- und Reformmaßnahmen anhand der Ziele von NGEU nachkommt.
Dasselbe Stellungnahmerecht greift auch bei der Aktualisierung eines Aufbau- und Resilienzplans.
Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahme des Haushaltsausschusses im Rat, d. h. sie legt die Stellungnahme
ihrer Verhandlungsführung zugrunde. Im Fall einer ablehnenden Stellungnahme des Haushaltsausschusses
stimmt sie einem seitens der Europäischen Kommission vorgelegten Entwurf eines Durchführungsbeschlusses
nicht zu. Da der Rat den Durchführungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit gemäß Art. 16 Abs. 4
EUV fasst, hat die Bundesregierung kein Vetorecht zur Verfügung, um der Stellungnahme des Haushaltsausschusses
Geltung zu verschaffen. Sie ist allerdings gehalten, im Rat auf die Änderung des in Rede stehenden
Aufbau- und Resilienzplans hinzuwirken.
§ 8b betrifft die für jeden Mitgliedstaat in der Regel zweimal jährlich anstehenden Auszahlungsentscheidungen
für finanzielle Beiträge und ggf. Darlehen in Abhängigkeit von den nationalen Investitions- und Reformfortschritten.
Diese Auszahlungsentscheidungen trifft die Kommission unter Berücksichtigung der Stellungnahme des
Wirtschafts- und Finanzausschusses, in dem die Bundesregierung vertreten ist. Bevor sich die Bundesregierung
an der Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses zur vorläufigen Bewertung der Kommission in
Bezug auf die zufriedenstellende Erreichung der einschlägigen Etappenziele und Zielwerte des Aufbau- und Resilienzplans
eines Mitgliedstaats beteiligt, gibt die Bundesregierung dem Haushaltsausschuss Gelegenheit zur Stellungnahme,
die sie anschließend berücksichtigt.
Der Wirtschafts- und Finanzausschuss hat im sog. Prüfverfahren gemäß Art. 5 der Verordnung Nr. 182/2011 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und
Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission
kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13), nur die Möglichkeit, der Kommission die Annahme eines
Durchführungsrechtsakts zu untersagen, wenn er mit qualifizierter Mehrheit gemäß Art. 16 Abs. 4 EUV eine
ablehnende Stellungnahme abgibt. Jedoch strebt der Wirtschafts- und Finanzausschuss bei der Abgabe einer Stellungnahme
im vorliegenden Fall gemäß Erwägungsgrund 52 der Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl. L 57
vom 18.2.2021, S. 17) einen Konsens an. Diesen Konsens im Sinne der Stellungnahme des Haushaltsausschusses
zu beeinflussen, ist Aufgabe der Bundesregierung gemäß § 8b dieses Gesetzes.
§ 8c eröffnet dem Haushaltsausschuss des Bundestages die Möglichkeit, den sog. Notbremsen-Mechanismus zu
aktivieren, den die Gruppe der sog. Vernünftigen Fünf (Niederlande, Österreich, Schweden, Dänemark und Finnland)
auf der Tagung des Europäischen Rates vom 17. bis 21. Juli 2020 ausgehandelt hat. Demnach soll ein Mitgliedstaat,
der bei einem anderen Mitgliedstaat schwerwiegende Abweichungen von der zufriedenstellenden Erreichung
der einschlägigen Etappenziele und Zielwerte feststellt, die Möglichkeit erhalten, eine Befassung des
Europäischen Rates zu initiieren. Diese Möglichkeit sollte für Deutschland nicht nur durch die Bundesregierung,
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Drucksache 19/26877 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
sondern auch durch eine entsprechende Stellungnahme des Haushaltsausschusses genutzt werden können.
Dadurch erhält das Parlament eine besonders wirksame Handhabe, um in besonders schwerwiegenden Fällen
einer unzureichenden Auflagenbefolgung bzw. Zielerreichung durch einen anderen Mitgliedstaat die im Europäischen
Rat versammelten Staats- und Regierungschefs einzuschalten.
§ 8d normiert die Unterrichtungsrechte des Haushaltsausschusses in NGEU-Angelegenheiten gegenüber der Bundesregierung
in enger Anlehnung an die Berichtspflichten der Europäischen Kommission gegenüber Europäischem
Parlament und Rat. Die Bundesregierung wird verpflichtet, die ihr über den Rat zugehenden Informationen
über die ausgezahlten finanziellen Beiträge und Darlehen, die Fortschritte bei der Durchführung der Aufbau- und
Resilienzpläne sowie zusätzlich die Anleiheemissionstätigkeit der Europäischen Kommission für das Aufbauinstrument
Next Generation zweimal jährlich an den Haushaltsausschuss des Bundestages weiterzugeben. Des
Weiteren unterrichtet die Bundesregierung darüber, inwieweit und mit welchem Erfolg sie die nach diesem Gesetz
abgegebenen Stellungnahmen des Haushaltsausschusses in den Verhandlungen des Rates bzw. des Wirtschaftsund
Finanzausschusses durchsetzen konnte.
§ 8e regelt, dass das Plenum des Bundestages die Befugnisse des Haushaltsausschusses im Einzelfall jederzeit an
sich ziehen und selbst ausüben kann (Evokationsrecht).
Artikel 2 des Gesetzes
Mit Artikel 2 des Gesetzes wird festgelegt, dass das Gesetz an dem Tag in Kraft tritt, an dem der sog. Eigenmittelbeschluss
(Beschluss (EU, Euratom) 2020/2053 des Rates vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem
der Europäischen Union und zur Aufhebung des Beschlusses 2014/335/EU, Euratom (ABl. L 424 vom
15.12.2020, S. 1)) für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt.
Da der Eigenmittelbeschluss auf unionsrechtlicher Ebene erst nach Zustimmung aller Mitgliedstaaten im Einklang
mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft tritt, ist aus Gründen der Rechtsklarheit dieses Datum im
Bundesgesetzblatt gesondert bekannt zu geben.
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.