Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPDDeutscher Bundestag Drucksache 19/26891
19. Wahlperiode 23.02.2021
Gesetzentwurf
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
Entwurf eines Gesetzes zu der Notifikation betreffend die Regeln für die
Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gemäß dem Protokoll
über die Koordinierung der sozialen Sicherheit zum Handels- und
Kooperationsabkommen vom 30. Dezember 2020 zwischen der Europäischen
Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten
Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits
A. Problem und Ziel
Das Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Union
und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich
Großbritannien und Nordirland andererseits mit seinem Protokoll über die
Koordinierung der sozialen Sicherheit (im Folgenden: Protokoll) nebst Anlagen
regelt die künftige Koordinierung der sozialen Sicherheit in den Bereichen Renten-,
Unfall-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung zwischen der Europäischen
Union (EU) und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland
(GBR).
Artikel SSC.11 Absatz 2 Buchstabe a des Protokolls sieht zudem für die Mitgliedstaaten
die Möglichkeit vor, die bisherigen unionsrechtlichen Regeln zur sozialversicherungsrechtlichen
Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
sowie Selbständigen in seinen Beziehungen mit GBR im Rahmen des Handels-
und Kooperationsabkommens weiterhin anzuwenden.
Eine solche Fortdauer ist höchst sinnvoll und liegt vor dem Hintergrund der auch
nach Austritt von GBR aus der EU voraussichtlich umfangreichen und intensiven
außenwirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu GBR im Interesse hiesiger
Unternehmen und ihrer in GBR eingesetzten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Durch die Fortdauer wird nämlich weiterhin sichergestellt, dass lediglich vorübergehend
im anderen Staat eingesetzte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
sowie Selbständige nicht kurzzeitig in das Sozialversicherungssystem des anderen
Staates und anschließend wieder zurück wechseln müssen. Auch die Sozialversicherungsabkommen,
die Deutschland mit vielen Drittstaaten abgeschlossen hat,
enthalten eine ähnliche Regelung als zentrales Element der Abkommen. Es handelt
sich bei den Entsenderegelungen also nicht um eine EU-interne Besonderheit.
Nach Artikel SSC.11 Absatz 2 des Protokolls teilt die EU GBR mit, welche Mitgliedstaaten
im Verhältnis zu GBR die bisherigen sozialversicherungsrechtlichen
Entsenderegelungen beibehalten wollen, welche dies nicht wollen und welche
hierzu noch keine Aussage getroffen haben. Die Europäische Kommission hat
hierfür ein Formblatt zur Verfügung gestellt, mit dem die Mitgliedstaaten ihre
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Drucksache 19/26891 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
Option mitteilen, die die EU sodann gegenüber GBR notifiziert. Die Beibehaltung
der Entsenderegelungen über den 31. Januar 2021 hinaus ist nur für Mitgliedstaaten
möglich, die dies der Europäischen Union bis zum 15. Januar 2021 mitgeteilt
haben. Eine spätere Notifikation ist nicht zulässig. Ein Widerruf der Notifikation
hingegen kann nach Artikel SSC.11 Absatz 8 des Protokolls jederzeit erfolgen.
Verfassungsrechtlich ist für einen völkerrechtlichen Vertrag der Bundesrepublik
Deutschland mit einem Drittstaat über die Entsendung von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern sowie Selbständigen ein Vertragsgesetz nach Artikel 59 Absatz
2 Satz 1 des Grundgesetzes erforderlich, da sich ein solcher Vertrag auf Gegenstände
der Bundesgesetzgebung bezieht. Durch die in Artikel SSC.11 Absatz
2 Buchstabe a des Protokolls vorgesehene Notifikation wird für die Bundesrepublik
Deutschland im Verhältnis zu GBR letztlich eine Vereinbarung über die Entsendung
von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Selbständigen getroffen.
Zur Wahrung der Rechte der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften
ist deshalb Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes auch auf die
Notifikation nach Artikel SSC.11 Absatz 2 Buchstabe a des Protokolls anzuwenden,
da diese sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht. Dies steht
nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass das Abkommen selbst rechtlich zulässig
als reines EU-Abkommen abgeschlossen wurde.
Ein daher erforderliches Vertragsgesetz konnte jedoch nicht rechtzeitig bis zum
15. Januar 2021 verabschiedet und in Kraft gesetzt werden. Zur Sicherstellung der
Entscheidungsmöglichkeit des Gesetzgebers ist deshalb eine fristwahrende vorläufige
Notifikation erfolgt. Diese rein fristwahrende Notifikation beschneidet die
Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers nicht, da eine Entscheidung gegen
eine Beibehaltung der Entsenderegelungen weiterhin gewährleistet ist (vgl. Artikel
SSC.11 Absatz 8 des Protokolls), die zur Beendigung der Anwendung der
bisherigen sozialversicherungsrechtlichen Entsenderegelungen führen würde.
Das Protokoll selbst sieht eine Geltung von 15 Jahren vor (Artikel SSC.70 Absatz
1 des Protokolls), in der die Optionsausübung Gültigkeit haben wird.
B. Lösung
Mit dem vorliegenden Vertragsgesetz wird der fristwahrend erfolgten Notifikation
betreffend die Anwendung der Regeln für die Entsendung von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern gemäß dem Protokoll über die Koordinierung der sozialen
Sicherheit zugestimmt und die Anwendung der in Artikel SSC.11 Absatz 1
des Protokolls beschriebenen Entsenderegelungen für Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer sowie Selbständige bestätigt. Diese Regeln entsprechen den bislang
im Verhältnis zu GBR gemäß Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur
Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit geltenden sozialversicherungsrechtlichen
Entsenderegelungen.
C. Alternativen
Keine.
D. Weitere Kosten
Keine.
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/26891
Entwurf eines Gesetzes zu der Notifikation betreffend die Regeln für die
Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gemäß dem Protokoll
über die Koordinierung der sozialen Sicherheit zum Handels- und
Kooperationsabkommen vom 30. Dezember 2020 zwischen der Europäischen
Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten
Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits
Vom …
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Der am 15. Januar 2021 an die Europäische Union übersandten Notifikation betreffend die Regeln für die
Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gemäß dem Protokoll über die Koordinierung der sozialen
Sicherheit zum Handels- und Kooperationsabkommen vom 30. Dezember 2020 zwischen der Europäischen
Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und
Nordirland andererseits, mit der die Bundesregierung die Anwendung der Entsenderegelungen von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern sowie Selbständigen gemäß Artikel SSC.11 Absatz 1 des Protokolls in ihren Beziehungen
zum Vereinigten Königreich im Rahmen des Handels- und Kooperationsabkommens zusagt, wird zugestimmt.
Die Notifikation gemäß Artikel SSC.11 Absatz 2 Buchstabe a des Protokolls wird nachstehend veröffentlicht.
Artikel 2
Inkrafttreten
Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Berlin, den 23. Februar 2021
Ralph Brinkhaus, Alexander Dobrindt und Fraktion
Dr. Rolf Mützenich und Fraktion
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Drucksache 19/26891 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
Begründung
I. Problem
A. Allgemeiner Teil
Nach Artikel SSC.11 Absatz 2 des Protokolls über die Koordinierung der sozialen Sicherheit (im Folgenden:
Protokoll) des Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Europäischen
Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits besteht
für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Regeln zur sozialversicherungsrechtlichen Entsendung von Arbeitnehmern
und Selbständigen in seinen Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und
Nordirland im Rahmen des Handels- und Kooperationsabkommens weiterhin anzuwenden, wenn sie dies der Europäischen
Union mitteilen. Die Beibehaltung der sozialversicherungsrechtlichen Entsendereglungen ist nur für
solche Mitgliedstaaten möglich, die dies der EU bis 15. Januar 2021 mitgeteilt haben. Anschließend ist eine Notifikation
ausgeschlossen. Ein Widerruf der Notifikation hingegen kann nach Artikel SSC.11 Absatz 8 des Protokolls
jederzeit erfolgen.
Inhaltlich ist die Beibehaltung der bisherigen sozialversicherungsrechtlichen Entsenderegelungen auch nach dem
Brexit sinnvoll. Auch die Sozialversicherungsabkommen, die Deutschland mit vielen Drittstaaten abgeschlossen
hat, enthalten eine ähnliche Regelung als zentrales Element der Abkommen.
Völkervertragsrechtlich wird davon ausgegangen, dass für eine Entscheidung für oder gegen diese Möglichkeit
ein Vertragsgesetz erforderlich ist. Da jedoch ein förmliches Vertragsgesetz nicht rechtzeitig bis zum 15. Januar
2021 verabschiedet und in Kraft gesetzt werden konnte, ist zur Sicherstellung der Entscheidungsmöglichkeit des
Gesetzgebers eine fristwahrende Notifikation auf Grundlage eines Kabinettsbeschlusses vom 13. Januar 2021
erfolgt.
II. Lösung
Mit dem vorliegenden Vertragsgesetz soll die Notifikation betreffend die Anwendung der Regeln der Entsendung
von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gemäß Artikel SSC.11 Absatz 2 des Protokolls die nach Artikel 59
Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes erforderliche Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften erhalten.
III. Alternativen
Keine.
IV. Kosten
Keine.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1
Mit der Bestimmung wird der fristwahrend erfolgten Notifikation betreffend die Anwendung der unionsrechtlichen
Regeln der Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gemäß Artikel SSC.11 Absatz 2 des
Protokolls über die Koordinierung der sozialen Sicherheit (im Folgenden: Protokoll) des Handels- und Kooperationsabkommens
zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem
Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits zugestimmt und die Anwendung der in Artikel
SSC.11 Absatz 1 des Protokolls beschriebenen Entsenderegelungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
sowie Selbständige bestätigt. Diese Regeln entsprechen den bislang im Verhältnis zu GBR gemäß Artikel 12 der
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/26891
Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit geltenden sozialversicherungsrechtlichen
Entsenderegelungen.
Zu Artikel 2
Die Bestimmung entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
Schlussbemerkung
Nach Artikel SSC.10 Absatz 3 Buchstabe a des Protokolls unterliegt eine Person, die in einem Staat eine Beschäftigung
oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, grundsätzlich den Rechtsvorschriften dieses Staates.
Abweichend hiervon können die Mitgliedstaaten gemäß Artikel SSC.11 Absatz 2 Buchstabe a des Protokolls
mitteilen, dass sie vom in Artikel SSC.10 Absatz 3 des Protokolls hinsichtlich entsandter Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer sowie Selbständiger im in Artikel SSC.11 Absatz 1 des Protokolls beschriebenen Umfang abweichen
wollen.
Artikel SSC.11 Absatz 1 des Protokolls sieht folgende Regelungen vor:
Eine Person, die in einem Staat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung
ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Staat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen
Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des entsendenden Staates, sofern die voraussichtliche
Dauer dieser Arbeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet und diese Person nicht einen anderen
entsandten Arbeitnehmer oder eine andere entsandte Arbeitnehmerin ersetzt.
Eine Person, die gewöhnlich in einem Staat eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt und die eine ähnliche Tätigkeit
in einem anderen Staat ausübt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Staates, sofern die
voraussichtliche Dauer dieser Tätigkeit 24 Monate nicht überschreitet.
Die Regelungen des Artikels SSC.11 Absatz 1 des Protokolls entsprechen damit den bislang im Verhältnis zu
GBR als Mitgliedstaat der EU geltenden Regelungen des Artikels 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur
Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.
Drucksache 19/26891 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
WK 14988/2020 INIT Anlage 4
WK 14988/2020 INIT Annex 4
Formblatt
Notifikation
betreffend die Anwendung der Regeln
für die Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
gemäß dem Protokoll über die Koordinierung der sozialen Sicherheit
Form
Notification
under Protocol on Social Security Coordination
on the application of the rules on posting of workers
Mitgliedstaat: Deutschland Member State: Germany
Kontaktperson [nur für den internen Gebrauch –
bei Rückfragen des Generalsekretariats des Rates oder
der Kommission]:
Contact person [for internal use only – in case of
questions from the General Secretariat of the Council
or the Commission]:
Telefonnummer Büro: Tel. office:
Telefonnummer mobil (für Notfälle): Tel. mobile (in case of urgency):
Notifikation, dass der Mitgliedstaat bereit ist, die
Regeln für die Entsendung von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern in seinen Beziehungen mit dem
Vereinigten Königreich gemäß dem Handels- und
Kooperationsabkommen anzuwenden:
Ja Yes
Notification that the Member State is willing to
apply the rules on posting of workers in their relations
with the UK under the Trade and Cooperation
Agreement:
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.