Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPDDeutscher Bundestag Drucksache 19/26540
19. Wahlperiode 09.02.2021
Gesetzentwurf
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes
– Einführung eines Ordnungsgeldes
A. Problem und Ziel
Bei verschiedenen Störungen der Ordnung im Reichstagsgebäude und angrenzenden
Büroliegenschaften des Bundestages in der jüngeren Vergangenheit hat sich
gezeigt, dass diese Störungen erst durch Mitglieder des Bundestages ermöglicht
wurden. Störungen der Ordnung können nicht zuletzt das Sicherheitsgefühl von
Personen beeinträchtigen, die sich in den Liegenschaften des Bundestages aufhalten.
Im Zuge der Aufarbeitung der Vorgänge in den zuständigen Gremien des
Bundestages hat sich erwiesen, dass auch gegenüber Mitgliedern des Bundestages
wirksame Sanktionen zur Durchsetzung der Hausordnung mittlerweile erforderlich
sind.
B. Lösung
Es wird ein Ordnungsgeld in Höhe von 1 000 Euro, im Wiederholungsfall von
2 000 Euro, als neue Ordnungsmaßnahme eingeführt, das vom Präsidenten bzw.
der Präsidentin bei einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Hausordnung des
Bundestages festgesetzt werden kann.
C. Alternativen
Beibehaltung der bisherigen Rechtslage.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/26540
Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes
– Einführung eines Ordnungsgeldes
Vom …
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Abgeordnetengesetzes
Das Abgeordnetengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 1996 (BGBl. I S. 326), das
zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. November 2020 (BGBl. I S. 2394) geändert worden ist, wird wie
folgt geändert:
1. § 44a Absatz 5 wird aufgehoben.
2. Nach § 44d wird folgender § 44e eingefügt:
„§ 44e
Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder
(1) Wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages
bei dessen Sitzungen kann der Präsident gegen ein Mitglied des Bundestages ein Ordnungsgeld in Höhe von
1 000 Euro festsetzen. Im Wiederholungsfall erhöht sich das Ordnungsgeld auf 2 000 Euro. Bei gröblicher
Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages kann das Mitglied für die Dauer der Sitzung aus
dem Saal verwiesen und bis zu 30 Sitzungstage von der Teilnahme an Sitzungen des Bundestages und seiner
Gremien ausgeschlossen werden. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung des Bundestages.
(2) Wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Hausordnung des Bundestages kann der Präsident
gegen ein Mitglied des Bundestages ein Ordnungsgeld in Höhe von 1 000 Euro festsetzen. Im Wiederholungsfall
erhöht sich das Ordnungsgeld auf 2 000 Euro, ein Wiederholungsfall liegt in der Regel vor,
wenn das betroffene Mitglied innerhalb von sechs Monaten erneut Anlass für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes
wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Hausordnung gegeben hat.
(3) Zuständiges Gericht für Streitigkeiten über Maßnahmen und Entscheidungen nach den Absätzen 1
und 2 ist das Bundesverfassungsgericht.“
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Berlin, den 9. Februar 2021
Ralph Brinkhaus, Alexander Dobrindt und Fraktion
Dr. Rolf Mützenich und Fraktion
Drucksache 19/26540 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Die vorgeschlagenen Änderungen des Abgeordnetengesetzes gehen auf entsprechende Beratungen des Ausschusses
für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (1. Ausschuss) zurück.
Anlass dieser Beratungen waren verschiedene Störungen der Ordnung im Reichstagsgebäude und angrenzenden
Büroliegenschaften des Bundestages durch Gäste von Mitgliedern in der jüngeren Vergangenheit. Dabei zeigte
sich, dass diese Störungen erst durch Mitglieder des Bundestages ermöglicht wurden, zuletzt wirkte diese Unterstützung
dabei zudem als konzertierte Aktion mehrerer Mitglieder einer einzelnen Fraktion. Im Zuge der Aufarbeitung
der Vorgänge in den zuständigen Gremien des Bundestags sowie dem 1. Ausschuss hat sich erwiesen,
dass auch gegenüber Mitgliedern des Bundestages wirksame Sanktionen zur Durchsetzung der Hausordnung mittlerweile
erforderlich sind.
Mit § 44e des Abgeordnetengesetzes (AbgG) wird ein parlamentsinternes Sanktionsregime für Verstöße gegen
die Hausordnung des Bundestages durch Mitglieder des Bundestages geschaffen. Die Parallelnormen in § 106b
des Strafgesetzbuchs (StGB) und § 112 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) schließen eine Sanktion
aus, da sie die Mitglieder des eigenen Parlaments ausdrücklich von der Geltung ausnehmen. Verfassungsrechtlich
geboten ist dies jedoch nicht. Auch die Mitglieder des Bundestages unterliegen den in Ausübung des Hausrechts
aufgestellten Anordnungen (Artikel 40 Absatz 2 Satz 1 GG). Die Privilegierungen in § 106b StGB und § 112
OWiG bringen allein den Vorrang parlamentsinterner Sanktionen zum Ausdruck, die hier mit § 44e AbgG geschaffen
werden.
Ein parlamentsinternes Sanktionsregime durch die Verhängung eines Ordnungsgeldes fügt sich dabei in die Regelungssystematik
der bereits bestehenden parlamentarischen Sanktionen ein, die ebenfalls die Ahndung mittels
Ordnungsgeldern vorsehen.
Aufgrund ihrer Relevanz für die Abgeordnetenrechte bedarf die Einführung eines weiteren Ordnungsgeldes einer
gesetzlichen Grundlage. Ausreichend für die Fassung der tatbestandlichen Hausordnungsverstöße ist es dabei,
wie in den Parallelnormen in § 106b StGB und § 112 OWiG, auf die Hausordnung und die dort geregelten Verhaltenspflichten
zu verweisen (Blanketttatbestand). Ein solcher Verweis umfasst beispielsweise die in den hausordnungsrechtlichen
Zugangs- und Verhaltensregeln geregelte Pflicht zur persönlichen Begleitung von Besuchern.
Aber auch zukünftige Hausordnungsregelungen, wie etwa weitere Konkretisierungen der Pflichten bei der
Besucherbetreuung, wären als blankettausfüllende Normen vom Verweis erfasst. Es wird erwartet, dass Mitglieder
die Hausordnung und mögliche Änderungen der Hausordnung aufgrund entsprechender Bekanntmachungen
des Präsidenten jederzeit kennen.
Mit § 44a Absatz 5 AbgG besteht bereits eine Rechtsgrundlage für Ordnungsmaßnahmen gegenüber Mitgliedern
bei Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages, die jedoch ausschließlich auf das Verhalten im
Plenum anwendbar ist. Der neue Tatbestand beinhaltet nunmehr Ordnungsmaßnahmen gegenüber Mitgliedern bei
Verletzungen der Hausordnung. Beide Rechtsgrundlagen werden dabei nunmehr aus systematischen Gründen in
der neu geschaffenen Norm zusammengeführt.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderungen des Abgeordnetengesetzes)
Zu Nummer 1
Die Aufhebung des bisherigen § 44a Absatz 5 AbgG ist notwendige Folge der Übertragung der Regelung als
Absatz 1 in den neu geschaffenen § 44e Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/26540
Zu Nummer 2
Zu Absatz 1
Die Regelung des bisherigen § 44a Absatz 5 AbgG wird ohne inhaltliche Änderung als Absatz 1 in den neu geschaffenen
§ 44e Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder übernommen. § 44e AbgG ist somit die zentrale Norm
für notwendige Maßnahmen gegenüber Mitgliedern zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Bundestag.
Zu Absatz 2
a) Der Begriff der Hausordnung in Satz 1 nimmt Bezug auf das Hausrecht des Bundestagspräsidenten in Artikel
40 Absatz 2 Satz 1 GG und umfasst dementsprechend nicht nur die gemäß § 7 Absatz 2 Satz 2 GO-BT
im Einvernehmen mit dem Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung erlassene Hausordnung,
sondern sämtliche in Ausübung des Hausrechts getroffenen Anordnungen des Bundestagspräsidenten,
insbesondere auch die Zugangs- und Verhaltensregeln. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes für Hausordnungsverstöße
setzt – entsprechend der Regelung für Ordnungs- oder Würdeverletzungen bei Plenarsitzungen
gemäß Absatz 1 – eine „nicht nur geringfügige“ Verletzung voraus. Das damit verbundene Erfordernis
einer gewissen Intensität trägt einerseits der nicht nur geringfügigen Beeinträchtigung der Abgeordnetenrechte
durch ein Ordnungsgeld Rechnung. Andererseits ermöglicht es eine Differenzierung nach dem
Ausmaß der abstrakten oder konkreten Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Bundestages nach den jeweiligen
Umständen des Einzelfalls. Eine weitere Konkretisierung der Hausordnungsverstöße, etwa durch Bezugnahmen
zu den hausordnungsrechtlichen Pflichten bei der Betreuung persönlicher Gäste oder zum Waffenverbot,
könnte den Blick auf den Umfang der relevanten Hausordnungsverstöße verengen und die Bedeutung
der Einzelfallumstände relativieren. Anknüpfungspunkt für die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegenüber
Mitgliedern des Bundestages können aber – ebenso wie in Absatz 1 – nur eigene Pflichtverletzungen
der Abgeordneten sein. Eine „Haftung“ für Hausordnungsverstöße durch Dritte, z. B. durch Mitarbeiter oder
Gäste, enthält § 44e AbgG nicht.
b) Die Zuständigkeit für die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 44e AbgG liegt beim Präsidenten als
Inhaber des Hausrechts und damit beim Bundestagspräsidenten bzw. bei der Bundestagspräsidentin. Die
Höhe des Ordnungsgeldes ist auf 1 000 Euro festgeschrieben, so dass Streitigkeiten nur über die Festsetzung
der konkreten Höhe des Ordnungsgeldes im Einzelfall vermieden werden (vgl. BT-Drs. 17/5471, S. 4). Die
Höhe orientiert sich im Wiederholungsfall mit Blick die Höhe des Bußgeldes in § 112 des Ordnungswidrigkeitengesetzes
im mittleren Bereich und ist damit sachgerecht. Ob der Präsident bzw. die Präsidentin in
einem konkreten Fall von der Möglichkeit der Festsetzung eines Ordnungsgeldes Gebrauch macht, liegt in
seinem bzw. ihrem Ermessen.
Im Wiederholungsfall sieht Satz 2 eine Erhöhung des Ordnungsgeldes auf 2 000 Euro vor. Über das Vorliegen
eines Wiederholungsfalles entscheidet der Präsident bzw. die Präsidentin nach den konkreten Umständen
des Einzelfalles. Ein Wiederholungsfall liegt – anders als der auf Sitzungswochen bezogene Wiederholungsfall
in Absatz 1 (vgl. auch BT-Drs. 17/5471, S. 4) – mit Blick auf die wirksame Durchsetzung der Hausordnung
in der Regel dann vor, wenn das betroffene Mitglied des Bundestages innerhalb von sechs Monaten
erneut Anlass für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der
Hausordnung gegeben hat. Auch hier liegt es im Ermessen des Präsidenten bzw. der Präsidentin, ob er bzw.
sie von der Möglichkeit der Festsetzung eines Ordnungsgeldes Gebrauch macht.
Zu Absatz 3
Festgelegt wird eine besondere Rechtswegzuweisung zum Bundesverfassungsgericht. In Ausübung des Hausrechts
handelt der Präsident grundsätzlich als Verwaltungsbehörde. Eine Streitigkeit über eine auf dem Hausrecht
fußende Maßnahme des Präsidenten gegen ein Mitglied des Bundestages ist jedoch dann verfassungsrechtlicher
Art, wenn Gegenstand des Rechtsstreits die Frage ist, ob und inwieweit der Präsident bei der Anwendung der
Maßnahme die Rechte der Mitglieder zu berücksichtigen und zu wahren hat. Entscheidend wäre für den Rechtsweg
somit, ob sich ein Mitglied des Bundestages durch die Verhängung des Ordnungsgeldes im Einzelfall in
seinen Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt sieht. Die Rechtswegzuweisung schafft
Klarheit. Die Zuweisung ist sachgerecht, da es um eine Streitigkeit eines Mitglieds gegen eine materielle Rege-
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lung des Präsidenten in dessen ihm durch Artikel 40 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes gewährleisteten Ordnungsgewalt
geht. Eine Rechtswegzuweisung an das Bundesverfassungsgericht durch Bundesgesetz ist in Artikel
93 Absatz 3 des Grundgesetzes sowie § 13 Nr. 15 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes vorgesehen.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.
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