Antrag des Freistaates BayernBundesrat Drucksache 29/6/21
Antrag
des Freistaates Bayern
11.02.21
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie
(EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die
elektronische Kommunikation (Neufassung) und zur
Modernisierung des Telekommunikationsrechts
(Telekommunikationsmodernisierungsgesetz)
Punkt 45 der 1000. Sitzung des Bundesrates am 12. Februar 2021
Der Bundesrat möge Ziffer 92 in folgender Fassung beschließen:
‚92. b) Nach Nummer 2 ist folgende Nummer einzufügen:
„2a. an eine Verfassungsschutzbehörde des Bundes oder eines
Landes, den Militärischen Abschirmdienst oder den Bundesnachrichtendienst,
soweit die Übermittlung unter Berufung auf
eine gesetzliche Bestimmung, die eine Erhebung der in § 175
genannten Daten zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder
Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder
eines Landes erlaubt, verlangt wird;“
Begründung:
Zu Buchstabe b:
Für den im Gesetzesentwurf vorgesehenen Ausschluss der Nachrichtendienste
von der Übermittlungsbefugnis lassen sich keine fachlichen Gründe anführen,
denn die Nachrichtendienste haben seit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz
vom 9. Januar 2002 (BGBl. I Seite 361) die Befugnis, bei Telekommunikationsdiensteanbietern
auch Verkehrsdaten abzufragen (vergleiche § 8
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ISSN 0720-2946
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Drucksache 29/6/21 - 2 -
Absatz 8 BVerfSchG a.F.; heute § 8a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 BVerfSchG).
Auf dieser Grundlage können auch Verkehrsdaten über bereits vor der Abfrage
erfolgte Telekommunikationsverbindungen abgefragt werden, sofern die Daten
bei den Telekommunikationsdiensteanbietern für Zwecke der Abrechnung
noch gespeichert sind. Damit hängt aber die Abfragemöglichkeit von der
Abrechnungspraxis des jeweiligen Anbieters und damit letztlich vom Zufall ab
(vergleiche hierzu BT-Drucksache 18/5088, Seite 1, 21). Es gibt keinen Grund,
die Abfragemöglichkeit der Nachrichtendienste vom Zufall abhängen zu
lassen, die der anderen Sicherheitsbehörden aber durch eine Mindestspeicherfrist
abzusichern.
Eine entsprechende gesetzliche Regelung enthielt bereits § 113b Nummer 3
TKG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung
und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung
der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I
Seite 3198). Insoweit wurde die Vorschrift vom BVerfG in seinem Urteil vom
2. März 2010 auch verfassungsrechtlich nicht beanstandet (vergleiche
BVerfGE 125, 260 (316)). In seinem Urteil vom 19. Mai 2020 (Az. 1 BvR
2935/17) hat das Bundesverfassungsgericht in besonderer Weise betont, „dass
im Zuge der Entwicklung der Informationstechnik und der internationalen
Kommunikation, ebenso wie damit der engeren grenzüberschreitenden Verflechtung
der Lebensbedingungen im Allgemeinen, Bedrohungen […] erheblich
zugenommen haben“, denn „[d]ie Erweiterung und Internationalisierung
der Kommunikationsmöglichkeiten und die damit gesteigerte Politisierung und
Organisationsfähigkeit international agierender krimineller Gruppierungen
führen dazu, dass innerstaatliche Gefahrenlagen oftmals durch Netzwerke
international zusammenarbeitender Akteure begründet sind und leicht eine
außen- und sicherheitspolitische Dimension erhalten können“ (Rn. 163).
Solche Aktivitäten zielen – wie das Gericht weiter ausführt – „zum Teil auf
eine Destabilisierung des Gemeinwesens und können zur Bedrohung für die
verfassungsmäßige Ordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder
der Länder sowie für Leib, Leben und Freiheit werden“, mithin für „Rechtsgüter
von überragendem verfassungsrechtlichen Gewicht“, zu deren Schutz der
Gesetzgeber eine nachrichtendienstliche Aufklärung der Telekommunikationsverbinden
als unverzichtbar ansehen kann.
Es wird daher in einem neuen § 176 Absatz 1 Nummer 3 TKG-E eine ausdrückliche
Übermittlungsbefugnis von Verkehrsdaten an die Verfassungsschutzbehörden,
den MAD und den BND geschaffen.ʻ