Verordnung des Bundesministeriums für GesundheitBundesrat Drucksache 111/21
Verordnung
des Bundesministeriums
für Gesundheit
05.02.21
Verordnung über das Verbot der Verwendung von Frischzellen
tierischen Ursprungs bei der Herstellung von Arzneimitteln
(Frischzellenverordnung - FrizV)
A. Problem und Ziel
Arzneimittel, bei deren Herstellung Frischzellen tierischen Ursprungs verwendet werden
und die zur parenteralen Anwendung beim Menschen bestimmt sind, sind in der Regel als
gesundheitlich bedenklich im Sinne des § 5 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG)
einzustufen, es sei denn, sie haben ein behördliches Prüfverfahren durchlaufen. Parenterale
Anwendungen sind nach Arzneibuch Injektion, Infusion oder Implantation.
Grund für diese Einstufung ist, dass dem nicht erwiesenen Nutzen der Arzneimittel mögliche
gesundheitsschädliche Wirkungen gegenüberstehen. Selbst unter optimalen Bedingungen
hergestellte Frischzellpräparate weisen produktinhärente gesundheitliche Risiken
auf, die nur bei nachgewiesenem Nutzen dieser Frischzellpräparate hingenommen werden
könnten.
Die mit diesen Frischzellpräparaten verbundenen besonderen Sicherheitsbedenken bestehen
u. a. in der Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern auf den Menschen.
Auf Grund der von den Frischzellpräparaten ausgehenden Gesundheitsgefahr wird zum
Schutz der Gesundheit der Bevölkerung die Herstellung von Arzneimitteln, bei deren Herstellung
Frischzellen tierischen Ursprungs verwendet werden und die zur parenteralen
Anwendung beim Menschen bestimmt sind, mit der vorliegenden Verordnung verboten.
Von dem Herstellungsverbot ausgenommen werden jedoch Arzneimittel, bei deren Herstellung
zwar auch Frischzellen tierischen Ursprungs verwendet werden, für die aber eine
Bewertung des Nutzens und der Risiken im Rahmen eines behördlichen Verfahrens stattfindet
oder die auf Grund einer stoffbezogenen Monographie des Europäischen Arzneibuches
oder auf Grund einer Standardregistrierung hergestellt werden. Dies sind insbesondere
zugelassene oder registrierte Arzneimittel, Arzneimittel, die zur klinischen Prüfung
bestimmt sind, sowie genehmigte Arzneimittel für neuartige Therapien.
Zugleich wird mit der vorliegenden Verordnung der Begriff der Frischzellen an den aktuellen
Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst.
Die Frischzellen-Verordnung vom 4. März 1997 (BGBl. I S. 432) enthält in § 1 Absatz 1
das Verbot, bei der Herstellung von Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung Frischzellen
tierischen Ursprungs zu verwenden. Mit seinem Urteil vom 16. Februar 2000 (1 BvR
420/97) erklärte das Bundesverfassungsgericht jedoch diejenigen Vorschriften der Frischzellen-Verordnung
für nichtig, die ein Verbot der Herstellung von Arzneimitteln unter Verwendung
von Frischzellen tierischen Ursprungs zur Anwendung am eigenen Patienten
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln
Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0720-2946
G
Drucksache 111/21 -2-
regeln, da es diesbezüglich an einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes fehle. Dem
Bundesgesetzgeber sei in Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 des Grundgesetzes (GG) nur
die Zuständigkeit zur Regelung des Verkehrs mit Arzneimitteln eingeräumt.
Durch die mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl.
I S. 2034) vorgenommenen Änderungen des GG wurde in Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19
GG die Zuständigkeit des Bundes für das Recht der Arzneien geregelt. Das Recht der
Arzneien umfasst nunmehr – über den Verkehr mit Arzneimitteln hinaus – auch die Herstellung
von Arzneimitteln.
Mit der vorliegenden Verordnung soll das seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
nicht mehr anwendbare Herstellungsverbot von Arzneimitteln, bei deren Herstellung
Frischzellen tierischen Ursprungs verwendet werden und die zur parenteralen Anwendung
beim Menschen bestimmt sind, neu geregelt werden.
B. Lösung
Erlass der vorliegenden Rechtsverordnung.
C. Alternativen
Keine.
Sollte auf den Erlass der Verordnung verzichtet werden, ist die Durchsetzung eines Verbots
der Verwendung von Frischzellen weiterhin nur auf aufwändige Verwaltungsverfahren
im Einzelfall beschränkt, was einen effektiven Gesundheitsschutz der Bevölkerung
erschwert.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Ob einzelne pharmazeutische Unternehmen oder Einrichtungen zukünftig wider Erwarten
klinische Prüfungen mit dem Ziel der Arzneimittelzulassung Frischzellen-haltiger Arzneimittel
initiieren oder Anträge auf Arzneimittelzulassung solcher Arzneimittel stellen, ist
derzeit nicht absehbar. Ein entsprechender Erfüllungsaufwand ist daher nicht bezifferbar.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Für den Bund entsteht kein Erfüllungsaufwand.
Für die Überwachungsbehörden der Länder entsteht auf der einen Seite ein geringer Kontrollaufwand
im Hinblick auf die Überwachung der Einhaltung des Verbots. Auf der anderen
Seite werden die Überwachungsbehörden der Länder von aufwändigen Einzelfallprüfungen
entlastet, was im Saldo zu einer Entlastung der Behörden führen dürfte.
F. Weitere Kosten
-3- Drucksache 111/21
Bei einzelnen pharmazeutischen Unternehmen, Ärzten und Heilpraktikern, die Frischzellen
herstellen und in parenteraler Form bei ihren Patientinnen und Patienten anwenden,
können bei Inkrafttreten dieser Verordnung Einkommensverluste auftreten. Die Höhe dieser
Einkommensverluste ist zur Zeit nicht bezifferbar, da das Spektrum möglicher Therapieformen
unter Verwendung von Frischzellen sehr heterogen ist und von daher im Vorfeld
ohne belastbares Datenmaterial keine konkreten Aussagen zu möglichen Einkommensveränderungen
getroffen werden können.
Für die gesetzliche Krankenversicherung und die Unternehmen der privaten Krankenversicherung
entstehen durch diese Verordnung keine weiteren Kosten. Auswirkungen auf
Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind
nicht zu erwarten.
Bundesrat Drucksache 111/21
Verordnung
des Bundesministeriums
für Gesundheit
05.02.21
Verordnung über das Verbot der Verwendung von Frischzellen
tierischen Ursprungs bei der Herstellung von Arzneimitteln
(Frischzellenverordnung - FrizV)
Bundeskanzleramt Berlin, 4. Februar 2021
Staatsminister bei der Bundeskanzlerin
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Reiner Haseloff
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich die vom Bundesministerium für Gesundheit zu erlassende
Verordnung über das Verbot der Verwendung von Frischzellen
tierischen Ursprungs bei der Herstellung von Arzneimitteln
(Frischzellenverordnung – FrizV)
mit Begründung und Vorblatt.
Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des
Grundgesetzes herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hendrik Hoppenstedt
G
Verordnung über das Verbot der Verwendung von Frischzellen tierischen
Ursprungs bei der Herstellung von Arzneimitteln
(Frischzellenverordnung – FrizV) 1)
Vom ...
Auf Grund des § 6 Absatz 2 des Arzneimittelgesetzes, der durch Artikel 1 Nummer 2
des Gesetzes vom 9. August 2019 (BGBl. I S. 1202) neu gefasst worden ist, verordnet das
Bundesministerium für Gesundheit:
§ 1
Frischzellen
Frischzellen im Sinne dieser Verordnung sind
1. biologische Stoffe,
a) die unmittelbar aus tierischen Organen oder Geweben oder tierischem Blut gewonnen
werden und
b) die
aa) lebende oder nichtlebende tierische Zellen sind oder solche Zellenenthalten,
bb) Gemische von lebenden oder nichtlebenden tierischen Zellen sind oder solche
Gemische enthalten,
cc) Zellbruchstücke sind oder enthalten oder
dd) Zellbestandteile sind oder enthalten, oder
2. Zubereitungen aus solchen biologischen Stoffen.
Bei Stoffen nach Satz 1 ist es unerheblich, ob sie in unbearbeitetem oder bearbeitetem
Zustand vorliegen.
§ 2
Verbot der Verwendung von Frischzellen
Drucksache 111/21
Es ist verboten, bei der Herstellung von Arzneimitteln, die zur parenteralen Anwendung
beim Menschen bestimmt sind, Frischzellen als Wirkstoff oder Wirkstoffe nach § 4 Absatz
19 des Arzneimittelgesetzes zu verwenden.
1 ) Notifiziert gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.
September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der
Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABI. L 241 vom 17.9.2015, S. 1)
Drucksache 111/21
- 2 -
§ 3
Ausnahmen vom Verbot
(1) Vom Verbot ausgenommen ist die Verwendung von Frischzellen bei der Herstellung
1. von Sera nach § 4 Absatz 3 des Arzneimittelgesetzes,
2. von Allergenen nach § 4 Absatz 5 des Arzneimittelgesetzes,
3. von Arzneimitteln für neuartige Therapien, die nach § 4b Absatz 3 des Arzneimittelgesetzes
genehmigt worden sind,
4. von Arzneimitteln, die nach § 21 Absatz 2 Nummer 6 des Arzneimittelgesetzes einer
Zulassung nicht bedürfen,
5. von Arzneimitteln, für die nach § 25 des Arzneimittelgesetzes von der zuständigen Bundesoberbehörde
eine Zulassung erteilt worden ist,
6. von Arzneimitteln, für die die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union
eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat nach Artikel 3 Absatz 1 oder
Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Unionsverfahren für die Genehmigung
und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen
Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1), die zuletzt durch die
Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist,
7. von homöopathischen Arzneimitteln, die gemäß § 39 Absatz 1 oder Absatz 2a des
Arzneimittelgesetzes registriert sind oder die gemäß § 1 der Verordnung über Standardregistrierungen
von Arzneimitteln vom 3. Dezember 1982 (BGBl. I S. 1602), die
zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 7. Juli 2007 (BGBl. I S. 1387) geändert
worden ist, von der Registrierung freigestellt sind,
8. von Arzneimitteln, die bei einer klinischen Prüfung angewendet werden, die
a) nach Maßgabe des § 42 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes von der zuständigen
Ethik-Kommission zustimmend bewertet worden ist und
b) die nach Maßgabe des § 42 Absatz 2 des Arzneimittelgesetzes von der zuständigen
Bundesoberbehörde genehmigt worden ist, oder
9. von Arzneimitteln, deren Wirkstoff oder Wirkstoffe ausschließlich auf der Basis stoffbezogener
Monographien des Europäischen Arzneibuchs hergestellt worden sind.
(2) Vom Verbot ausgenommen ist auch die Verwendung von Frischzellen bei der Herstellung
von Arzneimitteln, für die gestellt worden ist
1. ein Antrag auf Genehmigung für Arzneimittel für neuartige Therapien nach § 4b Absatz
3 des Arzneimittelgesetzes,
2. ein Antrag nach § 22 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes auf Zulassung bei der zuständigen
Bundesoberbehörde oder ein Antrag nach Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr.
726/2004 auf Genehmigung bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur, oder
3. ein Antrag nach § 42 Absatz 1 Satz 1 oder Satz 2 des Arzneimittelgesetzes auf zustimmende
Bewertung einer klinischen Prüfung sowie ein Antrag nach § 42 Absatz 2 Satz
1 des Arzneimittelgesetzes auf Genehmigung derselben klinischen Prüfung.
Die Ausnahme vom Verbot gilt für die Zwecke der späteren Verwendung gemäß dem Antrag.
Sie gilt ab dem Zeitpunkt, an dem der antragstellenden Person eine Bestätigung über
den Eingang vollständiger Antragsunterlagen oder eine Eingangsbestätigung des Antrags
der Behörde vorliegt, die für die Entscheidung über die nach den Nummern 1 bis 3 gestellten
Anträge zuständig ist. Sie gilt bis zu dem Zeitpunkt der Rücknahme des Antrags oder
der Bekanntgabe der Versagung des Antrags.
§ 4
Hinweis auf Strafvorschriften des Arzneimittelgesetzes
Zuwiderhandlungen gegen § 6 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes in Verbindung mit §
1 dieser Verordnung werden nach § 95 Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 bis 4 des Arzneimittelgesetzes
geahndet.
§ 5
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die
Frischzellen-Verordnung vom 4. März 1997 (BGBl. I S. 432) außer Kraft.
Der Bundesrat hat zugestimmt.
- 3 - Drucksache 111/21
Drucksache 111/21
Begründung
A. Allgemeiner Teil
- 4 -
I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Ziel der Verordnung ist es, die Verwendung von Frischzellen tierischen Ursprungs bei der
Herstellung von Arzneimitteln, die zur parenteralen Anwendung bei Menschen bestimmt
sind, unter bestimmten Voraussetzungen zu verbieten. Damit soll die Gesundheit der Bevölkerung
geschützt werden.
Das frühere Bundesgesundheitsamt (BGA) legte bereits im Jahr 1994 ein Gutachten zu
Frischzellen vor und kam zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung des damaligen Erkenntnisstandes
„den erheblichen Risiken eine nachgewiesene Wirksamkeit von Frischzellen
in den beanspruchten Indikationen nicht gegenübersteht“.
Auf Basis dieses BGA-Gutachtens wurde die Frischzellen-Verordnung vom 4. März 1997
(BGBl. I S. 432) erlassen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte im Jahr 2000 den Teil
der Verordnung für nichtig, der die Herstellung zur Anwendung am eigenen Patienten verbot
(Urteil vom 16.Februar 2000, 1 BvR 420/97). Der Bund dürfe aufgrund der konkurrierenden
Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 des
Grundgesetzes nur die Herstellung von Arzneimitteln, die für den Verkehr bestimmt seien,
regeln, nicht aber die Herstellung von Arzneimitteln, die zur unmittelbaren Anwendung
durch den Arzt oder die Ärztin bestimmt seien.
Durch die mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 vom
(BGBl. I S. 2034) vorgenommenen Änderungen des GG wurde die Kompetenzverteilung
zwischen Bund und Ländern neu geordnet. Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung
ist seitdem das „Recht der Arzneien“. Dem Bundesgesetzgeber ist es deshalb verfassungsrechtlich
möglich, die Anforderungen an die Herstellung von Arzneimitteln durch Ärzte
oder Ärztinnen zur unmittelbaren Anwendung am Patienten zu regeln.
Mit dem im Fünfzehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 25. Mai 2011
(BGBl. I S. 946) vorgenommenen Änderungen wurde das Arzneimittelgesetz (AMG) auf
Arzneimittel, deren Herstellung und Anwendung allein in der Hand des behandelnden Arztes
oder der behandelnden Ärztin liegt, ausgedehnt. § 5 AMG wurde mit dem Gesetz zur
Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S.
1990) um das Verbot der Anwendung bedenklicher Arzneimittel erweitert.
Im Jahr 2014 kam es in Rheinland-Pfalz zu einem Q-Fieber-Ausbruch in mehreren landwirtschaftlichen
Betrieben, darunter bei einer Schafherde, deren Tiere als Spender für
Frischzellen herangezogen wurden. In der Folge erkrankten mehrere Patientinnen und Patienten
und mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der behandelnden Einrichtungen.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) legte im Jahr 2015 ein Gutachten zur Bedenklichkeit lebender
Frischzellen vor. Darin stuft das PEI Frischzellen, die parenteral angewendet werden
und für die keine Zulassung als Arzneimittel besteht, als bedenklich im Sinne des § 5 AMG
ein, da dem nicht erwiesenen Nutzen der Frischzellpräparate mögliche gesundheitsschädliche
Wirkungen gegenüberstünden.
Im Jahr 2016 legte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein
ergänzendes Gutachten zu xenogenen Organextrakten vor. Dies sind avitale tierische Zellen
oder Gemische von avitalen tierischen Zellen, Zellbruchstücke oder Zellbestandteile in
- 5 - Drucksache 111/21
bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand. Xenogene Organextrakte fallen damit ebenfalls
unter die Definition „Frischzellen“ nach § 1 dieser Verordnung: Danach weist die parenterale
Anwendung von xenogenen Organextrakten unter den im Gutachten betrachteten
Bedingungen ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis im Sinne des § 5 AMG und des § 25
Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 AMG auf und ist mit medizinisch nicht vertretbaren Risiken
verbunden.
Für die Anwendung von Frischzellen werden den Gutachten zufolge in der Regel keine
konkreten Indikationen benannt, sie werden jedoch zur Revitalisierung, zu Anti-Aging-Zwecken
oder zur Behandlung verschiedener Erkrankungen (z. B. erektiler Dysfunktion, Autismus,
Depression, Unfruchtbarkeit, Gelenk-, Herz, Leber- oder Nierenerkrankungen oder
neurologischen Erkrankungen) eingesetzt.
Frischzellen werden als Präparate zur parenteralen Anwendung von Ärztinnen und Ärzten
in Kliniken, Praxen und privaten Behandlungszentren eingesetzt. Einige Anbieter konzentrieren
sich vollständig auf Patientinnen und Patienten aus dem außereuropäischen Ausland,
vorwiegend aus Asien. Da diese Personen sich nur zum Zweck der Behandlung in
Deutschland aufhalten, ist davon auszugehen, dass nach der Abreise auftretende Nebenwirkungen
kaum bekannt oder gemeldet werden.
Die Anwendung von Arzneimitteln, die unter Verwendung von Frischzellen hergestellt werden,
weist erhebliche Gefahren auf: Selbst unter optimalen Bedingungen hergestellte
Frischzellpräparate weisen produktinhärente gesundheitliche Risiken auf, die nur bei nachgewiesenem
Nutzen der Frischzellenpräparate hingenommen werden könnten.
Die mit Frischzellpräparaten verbundenen besonderen Sicherheitsbedenken bestehen u.
a. in der Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern von Tieren auf den Menschen:
Es besteht den Gutachten zufolge insbesondere das Risiko der Übertragung von Viren von
Tieren auf den Menschen bei der Anwendung von Frischzellen, da die als Ausgangsmaterial
verwendeten Tierorgane ein hohes Risiko der Kontamination mit Viren aufweisen. Dabei
stellen nicht nur von Tieren auf Menschen übertragbare Viren eine Gefahr dar. Bei der Beurteilung
des Risikos einer Übertragung von Viren ist zu berücksichtigen, dass es sich bei
den Frischzellen um Präparate zur parenteralen Anwendung handelt. Durch die parenterale
Anwendung werden Barrieren, wie z. B. die Haut oder die Schleimhaut des Verdauungstraktes
umgangen, die den Menschen vor Krankheitserregern schützen. Das Risiko, dass
es hierbei zu einer Übertragung vom Tier auf den Menschen kommt, ist gegenüber der
Wahrscheinlichkeit der Erregerübertragung bei natürlichem Kontakt erheblich gesteigert.
Da in erster Linie eine Verarbeitung der Organe von Rindern oder Schafen erfolgt, besteht
außerdem prinzipiell die Gefahr der Übertragung von Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathie
(TSE)-Erregern wie Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) oder Traberkrankheit
(Scrapie).
Ein hinreichender Risikoausschluss der Übertragung von Viren kann auch bei optimalen
konventionellen Haltungs- und Kontrollbedingungen der Spendertiere nicht erreicht werden.
Prinzipiell besteht bei allen Arzneimitteln, die unter Verwendung von Frischzellen hergestellt
werden und zur parenteralen Anwendung bestimmt sind, das Risiko des Auftretens immunologischer/allergischer
Nebenwirkungen, insbesondere bei einer wiederholten Anwendung.
Eine Minimierung des immunogenen und allergenen Potenzials dieser Präparate ist
nicht möglich, denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei der parenteralen Anwendung
jedes Fremdprotein, aber auch andere Fremdsubstanzen, wie bestimmte Lipid- oder
Zuckerstrukturen, eine Immunantwort hervorgerufen werden kann.
Diese Art von potenziell schwerwiegenden Nebenwirkungen, insbesondere die der allergischen
Reaktionen, ist für diese Arzneimittel charakteristisch und lässt sich nicht verhindern.
Drucksache 111/21
- 6 -
Kernkriterium für die Bewertung des Nutzens eines Arzneimittels ist dessen therapeutische
Wirksamkeit. BfArM und PEI sehen bei keinem der oben genannten Anwendungsgebiete
die Wirksamkeit von Arzneimitteln als belegt an, bei deren Herstellung Frischzellen verwendet
wurden, die aber nicht auf Grund einer behördlich geprüften stoffbezogenen Monographie
des Europäischen Arzneibuchs oder auf Grund einer Standardregistrierung hergestellt
werden und auch keiner behördlichen Prüfung unter Berücksichtigung von Qualität, Unbedenklichkeit
und Wirksamkeit unterzogen werden und für die somit kein positives Nutzen-
/Risiko-Verhältnis festgestellt worden ist., Klinische Prüfungen von diesen Arzneimitteln fehlen.
Somit stehen dem nicht belegten Nutzen der Anwendung dieser Arzneimittel auf der
Basis der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse teils erhebliche Risiken in Bezug
auf die pharmazeutische Qualität, die Übertragung von Infektionserregern und das Auftreten
immunologischer und allergischer Nebenwirkungen gegenüber.
Auch die Weltgesundheitsorganisation hat in einem Statement "Xenotransplantation: Hopes
and Concerns" aus dem Jahr 2005 im Hinblick auf lebende Zellen deutlich gemacht,
dass unregulierte Praktiken in diesem Bereich inakzeptable infektiöse Risiken im Hinblick
auf die öffentliche Gesundheit aufweisen und nicht erlaubt werden sollten.
Auf Grund dieser Erkenntnisse wird zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung die Herstellung
von Arzneimitteln, bei deren Herstellung Frischzellen verwendet werden und die
zur parenteralen Anwendung beim Menschen bestimmt sind, mit der vorliegenden Verordnung
verboten.
Von dem Herstellungsverbot ausgenommen werden jedoch Arzneimittel, bei deren Herstellung
zwar auch Frischzellen verwendet werden, für die aber eine Bewertung des Nutzens
und der Risiken im Rahmen eines behördlichen Verfahrens stattfindet oder die auf Grund
einer stoffbezogenen Monographie des Europäischen Arzneibuches oder auf Grund einer
Standardregistrierung hergestellt werden. Dies sind insbesondere zugelassene oder registrierte
Arzneimittel sowie genehmigte Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP).
Es wird darüber hinaus sichergestellt, dass Arzneimittel, für die bereits ein Antrag auf Zulassung,
auf Genehmigung eines ATMP nach § 4b AMG oder auf Genehmigung einer klinischen
Prüfung gestellt wurde, hergestellt werden dürfen. Hierdurch werden die Herstellung
in der Phase des Übergangs von der präklinischen zur klinischen Forschung, die Herstellung
für Arzneimittel-Härtefallprogramme während oder nach Abschluss einer klinischen
Prüfung und vor Erteilung der Zulassung sowie die Vorbereitung eines zeitnahen Markteintritts
nach Erteilung der Zulassung ermöglicht.
Zugleich wird mit der vorliegenden Verordnung der Begriff der Frischzellen an den aktuellen
Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst.
Die in den Gutachten dargestellten Risiken gelten für alle Formen der parenteralen Anwendung
und lassen auch keine weniger eingreifenden Maßnahmen zu, da selbst unter optimalen
Bedingungen hergestellte Arzneimittel unter Verwendung von Frischzellen produktinhärente
gesundheitliche Risiken aufweisen, die nur bei nachgewiesenem Nutzen der Arzneimittel
hingenommen werden könnten. Die Anwendung dieser als bedenklich einzustufenden
Arzneimittel kann auch nicht durch verschärfte Anforderungen an eine weitergehende
Aufklärung der Patientinnen und Patienten über die bestehenden Risiken legitimiert
werden.
Die Durchsetzung eines Verbots in jedem Einzelfall mittels komplexer und möglicherweise
langwieriger Verfahren erschwert den effektiven Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Die
abstrakt generelle Verbotsnorm mit Strafcharakter ist daher und aus den vorgenannten
Gründen zur Abwehr schwerwiegender Gesundheitsgefahren geeignet und erforderlich.
Unmittelbar aus § 6 Absatz 1 AMG ergibt sich nunmehr das Verbot, ein Arzneimittel herzustellen,
in den Verkehr zu bringen oder bei Menschen anzuwenden, wenn bei der Herstel-
lung des Arzneimittels einer durch Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 2 AMG angeordneten
Bestimmung über die Verwendung von Stoffen zuwidergehandelt wird. Die Strafbewehrung
ergibt sich unmittelbar aus den Strafrechtsvorschriften des AMG.
II. Wesentlicher Inhalt
Durch die Frischzellenverordnung wird ein Verwendungsverbot von Frischzellen bei der
Herstellung von Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung bei Menschen eingeführt. Zugleich
werden bestimmte Arzneimittel von dem Verbot ausgenommen. Zudem erfolgt eine
Begriffsbestimmung der Frischzellen.
III. Alternativen
Keine.
Sollte auf den Erlass der Verordnung verzichtet werden, ist die Durchsetzung eines Verbots
der Verwendung von Frischzellen weiterhin nur auf komplexe und möglicherweise langwierige
Verwaltungsverfahren im Einzelfall beschränkt, was einen effektiven Gesundheitsschutz
der Bevölkerung erschwert.
IV. Verordnungskompetenz
§ 6 Absatz 2 AMG ermächtigt das Bundesministerium für Gesundheit, durch Rechtsverordnung
mit Zustimmung des Bundesrates die Verwendung der in der Anlage zu § 6 AMG
genannten Stoffe, Zubereitungen aus Stoffen oder Gegenstände bei der Herstellung von
Arzneimitteln vorzuschreiben, zu beschränken oder zu verbieten, soweit es zur Verhütung
einer Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier (Risikovorsorge) oder zur Abwehr
einer unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier
durch Arzneimittel geboten ist. In der Anlage zu § 6 AMG sind u. a. Frischzellen aufgeführt.
V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen
Verträgen
Die Verordnung ist mit dem Recht der Europäischen Union und mit völkerrechtlichen Verträgen,
die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar. Die Verordnung
ist gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften
und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom
17.9.2015, S.1) zu notifizieren.
VI. Regelungsfolgen
1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
- 7 - Drucksache 111/21
Die vorliegende Verordnung dient der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung für die Landesüberwachungsbehörden.
Bisher müssen die Landesüberwachungsbehörden die Bedenklichkeit
der entsprechenden Arzneimittel in jedem Einzelfall aufwändig prüfen und deren
Anwendung gegebenenfalls untersagen. Hierfür sind teilweise detaillierte Einzelfall-
Gutachten notwendig.
Drucksache 111/21
2. Nachhaltigkeitsaspekte
Die in dieser Verordnung geregelten Verbote sind unter dem Aspekt der Arzneimittelsicherheit
unverzichtbar. Die Anwendung von Therapien mit Frischzellen weist erhebliche Gefahren
auf: Sicherheitsbedenken bestehen u. a. in der Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern
von Tieren auf den Menschen. Die Regelungen der Verordnung unterstützen das
Ziel des Gesundheitsschutzes und dienen somit dem Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung
nach Nummer 3 Buchstabe b „Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche
Gesundheit und die Natur sind zu vermeiden.“ Mit dem Verbot der Verwendung bestimmter
Stoffe bei der Herstellung von Arzneimitteln wird zudem ein nachhaltiges wirtschaftliches
Handeln zur Stärkung der deutschen Gesundheitswirtschaft unterstützt.
3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
4. Erfüllungsaufwand
Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.
Ob einzelne pharmazeutische Unternehmen oder Einrichtungen zukünftig klinische Prüfungen
mit dem Ziel der Arzneimittelzulassung Frischzellen-haltiger Arzneimittel initiieren oder
Anträge auf Arzneimittelzulassung solcher Arzneimittel stellen, ist derzeit nicht absehbar.
Ein entsprechender Erfüllungsaufwand ist daher nicht bezifferbar.
Für den Bund entsteht kein Erfüllungsaufwand.
Für die Überwachungsbehörden der Länder entsteht auf der einen Seite ein marginaler
Kontrollaufwand im Hinblick auf die Überwachung der Einhaltung des Verbots. Auf der anderen
Seite werden die Überwachungsbehörden der Länder von aufwändigen Einzelfallprüfungen
entlastet, was im Saldo zu einer Entlastung der Behörden führen sollte.
5. Weitere Kosten
Bei einzelnen pharmazeutischen Unternehmen, Ärzten und Heilpraktikern, die Frischzellen
herstellen und in parenteraler Form bei ihren Patientinnen und Patienten anwenden, können
bei Inkrafttreten dieser Verordnung Einkommensverluste auftreten. Die Höhe dieser
Einkommensverluste ist zur Zeit nicht bezifferbar, da das Spektrum möglicher Therapieformen
unter Verwendung von Frischzellen sehr heterogen ist und von daher im Vorfeld ohne
belastbares Datenmaterial keine konkreten Aussagen zu möglichen Einkommensveränderungen
getroffen werden können.
Durch diese Verordnung entstehen weder für die gesetzliche Krankenversicherung oder für
die Unternehmen der privaten Krankenversicherung noch für die Verbraucherinnen und
Verbraucher weitere Kosten. Auswirkungen auf das allgemeine Preisniveau, insbesondere
auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
6. Weitere Regelungsfolgen
Die Regelungen haben keine Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung.
VII. Befristung; Evaluierung
- 8 -
Eine Befristung der Regelung erfolgt nicht, weil das Verbot der Verwendung von Frischzellen
bei der Herstellung von Arzneimitteln, die zur parenteralen Anwendung beim Menschen
bestimmt sind, dauerhaft sein soll. Eine Evaluierung ist nicht vorgesehen, weil die wissenschaftliche
Evidenz auf ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis der in Rede stehenden
Frischzellpräparate hinweist und von einer Änderung dieser Situation in absehbarer Zukunft
nicht auszugehen ist.
B. Besonderer Teil
Zu § 1 (Frischzellen)
§ 1 definiert den Begriff Frischzellen. Dabei umfasst der Begriff der Frischzellen die in den
Gutachten von PEI und BfArM betrachteten lebenden Frischzellen und xenogenen Organextrakte.
Unter den Begriff der Frischzellen fallen demnach biologische Stoffe oder Zubereitungen
aus biologischen Stoffen im Sinne der Ziffer 3.2.1.1 Buchstabe b Absatz 2 Satz
2 des Teils I des Anhangs I der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel
(ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67), die zuletzt durch die Verordnung (EU)
2019/1243 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 (ABl L 198 vom
25.7. 2019, S. 241 geändert worden ist, die unmittelbar aus tierischen Organen oder Geweben
oder tierischem Blut gewonnen werden und die tierische lebende oder nicht lebende
Zellen oder Gemische von lebenden oder nicht lebenden tierischen Zellen, Zellbruchstücke
oder Zellbestandteile sind oder enthalten. Bei diesen Stoffen ist es unerheblich, ob sie in
unbearbeitetem oder bearbeitetem Zustand vorliegen. Die im Gutachten des PEI angesprochenen
Frischzellpräparate sowie xenogene Organextrakte, die nicht lebende Zellen enthalten,
sind auf Grundlage der Kategorisierung der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 über
Arzneimittel für neuartige Therapien als Arzneimittel für neuartige Therapien des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 (ABl L 324 vom 10.12.2007, S.
121), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 201971243 des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 20. Juni 2019 (ABl L 198 vom 25.7. 2019, S. 241 geändert worden ist einzuordnen.
Dabei ist zum einen davon auszugehen, dass die Zellen wesentlich zur pharmakologischen,
metabolischen oder immunologischen Wirkungsweise des Produktes beitragen,
zum anderen ist die Anwendung tierischer Zellen im oder am menschlichen Körper als
nicht-homologe Verwendung zu betrachten, d. h. die Zellen sind nicht dazu bestimmt, im
Empfänger im Wesentlichen die gleiche Funktion zu erfüllen wie im Spender. Der Zusatz
„in bearbeitetem Zustand“ schließt außerdem auch xenogene Zellextrakte sowie Lysate
dieser Zellen mit ein. Die Formulierung „Zellbestandteile“ tierischer Zellen zielt u. a. auf
Peptidfraktionen, Peptide oder Nukleinsäuren tierischen Ursprungs ab. Dagegen unterfallen
Aminosäuren, die aus tierischem Ausgangsmaterial gewonnen werden, nicht der Verordnung,
da sie nicht zu den „biologischen Stoffen“ gerechnet werden. Durch die Festlegung
der Begriffsbestimmung der Frischzellen auf die Gewinnung dieser Frischzellen auf
direktem Weg aus tierischen Organen oder Geweben wird die Herstellung von Arzneimitteln
wie rekombinante Proteine und monoklonale Antikörper vom Anwendungsbereich der Verordnung
ausgenommen. Zur Klarstellung ist auch die Gewinnung aus tierischem Blut umfasst.
Zu § 2 (Verbot der Verwendung von Frischzellen)
- 9 - Drucksache 111/21
In § 2 wird ein Verbot der Verwendung von Frischzellen als Wirkstoff oder Wirkstoffe nach
§ 4 Absatz 19 AMG bei der Herstellung von Arzneimitteln, die zur parenteralen Anwendung
bei Menschen bestimmt sind, geregelt. Das Verbot umfasst auch die Herstellung von Rezeptur-
und Defekturarzneimitteln in Apotheken.
Die alleinige Herstellung von Wirkstoffen ist von dem Verbot nicht umfasst: Das Herstellungsverbot
gilt nicht für die Herstellung zum Zweck der Durchführung von nicht-klinischen
Drucksache 111/21
Untersuchungen, sowohl in vitro als auch in vivo, und nicht für die Herstellung zur Entwicklung,
Optimierung und Validierung des Herstellungsverfahrens.
Die Gutachten des PEI aus dem Jahr 2015 und des BfArM aus dem Jahr 2016 stufen Arzneimittel,
die unter Verwendung von Frischzellen hergestellt wurden und parenteral bei
Menschen angewendet werden, als bedenkliche Arzneimittel nach § 5 AMG ein. Auf Grund
der Risiken, z. B. erheblicher infektiöser und immunologisch-allergischer Nebenwirkungen,
sowie dem nicht nachgewiesenen klinischen Nutzen ist den Gutachten zufolge von einem
negativen Nutzen-/Risiko-Verhältnis entsprechender Arzneimittel tierischen Ursprungs auszugehen.
Tragfähige Nachweise für eine therapeutische Wirksamkeit der auf diese Art hergestellten
Arzneimittel, die u. a. zur Revitalisierung, zu Anti-Aging-Zwecken oder zur Behandlung
verschiedener Erkrankungen (z. B. erektiler Dysfunktion, Autismus, Depression,
Unfruchtbarkeit, Gelenk-, Herz, Leber- oder Nierenerkrankungen oder neurologischen Erkrankungen)
eingesetzt werden, existieren nicht. Nach vorliegenden Erfahrungen der zuständigen
Landesbehörden sowie der Bundesoberbehörden werden Frischzellen trotz der
bekannten Risiken und des fehlenden Wirksamkeitsnachweises weiterhin bei der Herstellung
von Arzneimitteln verwendet. Auf der Grundlage des § 6 Absatz 2 AMG wird die Herstellung
von Arzneimitteln, die zur parenteralen Anwendung bei Menschen bestimmt sind
(parenterale Darreichungsformen nach Arzneibuch entsprechen Injektion, Infusion oder Implantation),
unter Verwendung von Frischzellen als Wirkstoff oder Wirkstoffe im Sinne dieser
Verordnung verboten.
Die Anwendung milderer regulatorischer Maßnahmen, wie z. B. eine Erweiterung der Herstellungserlaubnispflicht
für Arzneimittel, die unter Verwendung von Frischzellen hergestellt
werden, ist in Bezug auf die erforderliche Risikominimierung nicht ausreichend, da bestehende
allergische und immunologische Risiken bei der Anwendung der Frischzellpräparate
durch eine Herstellungserlaubnispflicht nicht gemindert werden können. Das bereits bestehende
arzneimittel-rechtliche Erfordernis einer Herstellungserlaubnis nach § 13 Absatz 2b
Satz 2 Nummer 1 und 2 AMG bleibt für Arzneimittel, die unter Verwendung von Frischzellen
hergestellt werden und von dem Verbot der Herstellung nach § 3 der Verordnung ausgenommen
sind, bestehen. Es handelt sich um zwei unterschiedliche, voneinander unabhängige
Regelungsbereiche. Das Verwendungsverbot nach § 2 steht der Erteilung einer Herstellungserlaubnis
nach § 13 AMG nicht entgegen, da § 14 AMG keine entsprechende Regelung
für eine Versagung der Erlaubnis enthält. Die Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG
entbindet zugleich nicht vom Verwendungsverbot nach § 2. Greift das Verwendungsverbot
nach § 2 im Grundsatz, so ist der Gebrauch der Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG nur
in den Ausnahmefällen nach § 3 zulässig.
Zu § 3 (Ausnahmen vom Verbot)
- 10 -
Diese Vorschrift regelt die Ausnahmen von dem Verwendungsverbot nach § 2:
Neben den zugelassenen Allergenen und Sera, die ein behördliches Prüfverfahren durchlaufen
haben, werden unter anderem auch nicht zulassungspflichtige Allergene, die als Rezepturen
nach § 21 Absatz 2 Nummer 1g AMG hergestellt werden und zur Behandlung
seltener allergischer Erkrankungen erforderlich sind, und Sera, für die es in Deutschland
keine Zulassungsinhaber gibt, die aber nach § 15 Absatz 2 Apothekenbetriebsordnung als
Notfallmedikamente verfügbar sein müssen, vom Verwendungsverbot nach § 2 ausgenommen.
Sie werden wegen ihrer immunologischen Eigenschaften angewendet und haben ein
positives Nutzen-/Risiko-Verhältnis.
Nach § 4b Absatz 3 AMG genehmigte Arzneimittel werden ebenfalls vom Verbot dieser
Verordnung ausgenommen. Bei diesen Arzneimitteln ist nach behördlicher Prüfung von einem
positiven Nutzen-/Risiko-Verhältnis auszugehen. Bei genehmigten ATMP haben die
Behörden Angaben zur Qualität, Funktionalität und Sicherheit einschließlich einer Nutzen-
/Risikobewertung erhalten.
- 11 - Drucksache 111/21
Des Weiteren sind Arzneimittel, die im Rahmen eines Arzneimittel-Härtefallprogramms gemäß
§ 21 Absatz 2 Nummer 6 AMG zur Verfügung gestellt werden, von dem Verbot ausgenommen.
Für diese Arzneimittel sind gemäß § 3 Absatz 2 Nummer 8 und 9 der Arzneimittel-Härtefall-Verordnung
vom 14. Juli 2010 (BGBl. I S. 935) Nachweise und Belege zur
Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit bei der zuständigen Bundesoberbehörde vorzulegen.
Ausgenommen sind nach Absatz 1 außerdem Arzneimittel, die gemäß § 25 AMG zugelassen
sind oder für die die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung
für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 oder Absatz 2 der Verordnung
(EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur
Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human-
und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel- Agentur
(ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4
vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist auch in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr.
1901/2006 oder der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 erteilt hat. Bei zugelassenen Arzneimitteln
haben die zuständigen Behörden Angaben zur Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
erhalten.
Nach § 39 Absatz 1 oder Absatz 2a AMG registrierte Arzneimittel werden ebenfalls vom
Verbot dieser Verordnung ausgenommen. Bei diesen Arzneimitteln ist nach behördlicher
Prüfung von einem positiven Nutzen-/Risiko-Verhältnis auszugehen. Bei registrierten Arzneimitteln
wurden Angaben zur Qualität, Sicherheitsbewertung und Unbedenklichkeit gemacht.
Zudem werden die Arzneimittel, die gemäß § 1 der Verordnung über Standardregistrierungen
von Arzneimitteln vom 3. Dezember 1982 (BGBl. I S. 1602), die zuletzt durch
Artikel 1 der Verordnung vom 7. Juli 2007 (BGBl. I S. 1387) geändert worden ist, von der
Registrierung freigestellt sind von der Verordnung ausgenommen. Bei diesen Arzneimitteln
ist nach behördlicher Prüfung grundsätzlich eine unmittelbare gesundheitliche Gefährdung
nicht anzunehmen.
Ausgenommen von dem Verbot sind ferner Arzneimittel, die bei einer zustimmend bewerteten
und genehmigten klinischen Prüfung angewendet werden. Zu diesen Prüfarzneimitteln
wurden den Behörden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens Angaben zur Qualität,
zu klinischen und nicht-klinischen Daten, u. a. aus früheren klinischen Prüfungen, im
Hinblick auf mögliche Risiken und den möglichen Nutzen gemacht, wodurch diese Arzneimittel
Gegenstand einer behördlichen Nutzen-/Risikobewertung waren.
Von dem Verbot nach § 2 werden zudem Arzneimittel ausgenommen, deren Wirkstoff oder
Wirkstoffe ausschließlich auf der Basis stoffbezogener Monographien des europäischen
Arzneibuchs hergestellt wurden. Es handelt sich um gut bekannte, in der Arzneimittelherstellung
genutzte Stoffe, zu denen ausreichende Kenntnisse zu Eigenschaften, Qualität und
Prüfung bestehen. Bei diesen Arzneimitteln ist davon auszugehen, dass auf Grund einer
behördlichen Bewertung, der gemachten Angaben und der eingereichten Unterlagen, auch
in Verbindung mit Erfahrungswerten und Literaturstudien, der Nutzen die Risiken überwiegt.
Um eine Herstellung schon während eines laufenden behördlichen Überprüfungsverfahrens
und damit eine rasche Verfügbarkeit entsprechender Arzneimittel nach positiver behördlicher
Entscheidung zu ermöglichen, wird nach Absatz 2 die Ausnahme vom Herstellungsverbot
auch auf den Zeitraum ausgedehnt, in dem eine behördliche Prüfung bereits
veranlasst ist. Dies ist der Fall für den Zeitraum ab Stellung eines Zulassungsantrags, ab
Stellung eines Antrags auf Genehmigung einer klinischen Prüfung sowie eines Antrags auf
Genehmigung für Arzneimittel für neuartige Therapien gemäß § 4b Absatz 3 AMG, wobei
die Ausnahme von dem Verbot ab dem Zeitpunkt gilt, an dem der antragstellenden Person
je nach Verfahrensart entweder eine Bestätigung der zuständigen Behörde über den Eingang
von vollständigen Antragsunterlagen oder eine Eingangsbestätigung des Antrags vorliegt.
Die Ausnahme vom Verbot gilt bis zu dem Zeitpunkt der Rücknahme oder der Bekanntgabe
der Versagung des Antrags durch die zuständige Bundesoberbehörde. Die Versagung
der zuständigen Bundesoberbehörde bedarf keiner Bestandskraft. Das Verbot
Drucksache 111/21
greift vielmehr bereits ab der Bekanntgabe der Versagung. Die Herstellung während des
Antragsverfahrens darf zudem nur für die Zwecke der Verwendung im Rahmen der mit dem
Antrag begehrten Erlaubnis erfolgen. Die Herstellung und Anwendung zu anderen Zwecken
ist damit ausgeschlossen.
Nicht vom Herstellungsverbot nach § 2 ausgenommen ist die Herstellung von nicht-zulassungs-
und nicht-genehmigungspflichtigen ATMP unter Verwendung von Frischzellen. Eine
Ausnahme für diese Arzneimittel ist nicht angezeigt, da diese Arzneimittel keine behördliche
Prüfung durchlaufen, sondern lediglich ihre Anwendung bei einem Patienten nach § 67 Absatz
9 AMG anzeigepflichtig ist. Die mit der Verwendung von Frischzellen bei der Herstellung
dieser Arzneimittel verbundenen besonderen Sicherheitsbedenken bestehen vorrangig
in der Gefahr der Übertragung von Infektionserregern auf den Menschen sowie in der
Auslösung nicht kalkulierbarer immunologischer und allergischer Reaktionen. Die Sicherheit
der Patientinnen und Patienten und ein positives Nutzen-/Risiko-Verhältnis sind daher
nicht gewährleistet. Die mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung
(GSAV) eingeführten Dokumentations- und Meldepflichten nach § 63j AMG gelten für bereits
eingetretene Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen nach Anwendung eines
ATMP und stellen damit keine behördliche Prüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
vor Herstellung eines ATMP unter Verwendung von Frischzellen sicher.
Bei diesen ATMP reicht auch nicht das Vorhandensein einer Herstellungserlaubnis gemäß
§ 13 AMG aus: Es erfolgt keine Bewertung von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durch
die zuständige Behörde im Rahmen der Entscheidung über die Erteilung der Herstellungserlaubnis.
Selbst die Qualität dieser Arzneimittel wird im Erlaubnisverfahren nur in einigen
Bereichen behördlich überprüft. Zudem kann die Sterilität der Ausgangsstoffe (z. B. Organgewinnung
von Tieren aus landwirtschaftlichen Haltungsformen) in vielen Fällen nicht gewährleistet
werden.
Zu § 4 (Hinweis auf Strafvorschriften des Arzneimittelgesetzes)
Die Vorschrift weist aus Gründen der Rechtsklarheit darauf hin, dass Zuwiderhandlungen
gegen § 6 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes in Verbindung mit § 1 dieser Verordnung nach
§ 95 Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 bis 4 des Arzneimittelgesetzes geahndet werden.
Zu § 5 (Inkrafttreten, Außerkrafttreten)
- 12 -
Die Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Frischzellen-
Verordnung vom 4. März 1997 (BGBl. I S.432) außer Kraft. Ihre Regelungen werden durch
die vorliegende Verordnung sowie durch die mit dem GSAV neu gefassten Bestimmungen
in § 6 Absatz 1 und § 95 Absatz 1 Nummer 2 sowie § 96 Nummer 2 AMG ersetzt.