Unterrichtung durch die BundesregierungBundesrat Drucksache 206/21
Unterrichtung
durch die Bundesregierung
02.03.21
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des
Bundesrates zur Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie
2014/94/EU und weiterer immissionsschutzrechtlicher Rechtsakte
der Europäischen Union
Bundesministerium Berlin, 1. März 2021
für Umwelt, Naturschutz
und nukleare Sicherheit
Parlamentarischer Staatssekretär
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Reiner Haseloff
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
der Bundesrat hat in seiner 983. Sitzung am 29. November 2019 anlässlich der Zustimmung
zur „Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2014/94/EU und weiterer
immissionsschutzrechtlicher Rechtsakte der Europäischen Union“ (10. BImSchV)
eine Entschließung gefasst, in der er die Bundesregierung um Darstellung bittet, mit
welchen rechtlichen Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene fortschrittliche
Biokraftstoffe, erneuerbare nicht biogene Kraftstoffe oder ihre Kombination in
den Verkehr gebracht werden dürfen (BR-Drucksache 486/19 (Beschluss)).
Dazu übersende ich in Abstimmung mit den Bundesministerien für Verkehr und
digitale Infrastruktur sowie Wirtschaft und Energie die erbetene Stellungnahme:
siehe Drucksache 486/19 (Beschluss)
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln
Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0720-2946
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Drucksache 206/21 -2-
Das Inverkehrbringen von Kraftstoffen ist in Deutschland durch die Verordnung
über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualitäten von Kraft- und
Brennstoffen in der Fassung vom 13. Dezember 2019 (10. BImSchV) geregelt.
Die 10. BImSchV definiert verschiedene Arten von Kraftstoffen, je nachdem, in
welchem Anwendungsbereich (beispielweise Fahrzeugen oder Maschinen) diese
zum Einsatz kommen sollen. Eine hohe Qualität der Kraftstoffe im Hinblick auf
ihre Verträglichkeit für Umwelt und Motoren ist ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung.
Der erforderliche Anreiz für die Erhöhung des Absatzes von fortschrittlichen Biokraftstoffen
und erneuerbaren nicht biogenen Kraftstoffen wird seitens der Bundesregierung
nicht durch eine Novellierung der 10. BImSchV, sondern durch den am
3. Februar 2021 im Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung
der Treibhausgas(THG)minderungs-Quote gesetzt.
Insbesondere fortschrittliche Kraftstoffoptionen, die in Zukunft dringend benötigt
werden, befinden sich erst in der Hochlaufphase. Die Bundesregierung hat beschlossen,
in der nationalen Umsetzung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie die
THG-Quote bei Kraftstoffen im Straßenverkehr bis 2030 deutlich von heute 6 auf
22 Prozent zu steigern. Das entspricht im Jahr 2030 einem Erneuerbare-Energien-
Anteil im Verkehr von etwa 28 Prozent. Darüber hinaus soll durch eine Verordnung
der Bundesregierung der geförderte Anteil von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und
Futtermittelpflanzen wie z.B. Raps und Soja nach Maßgabe des Status quo auf
4,4 Prozent begrenzt werden. Zusätzlich soll die Förderung von Kraftstoffen aus
Nahrungs- und Futtermittelpflanzen aus Rohstoffen mit hohem Risiko indirekter
Landnutzungsänderung wie Palmöl auf die Höhe des Anteils von 2019 begrenzt und
schrittweise bis zum Jahr 2026 ausgeschlossen werden.
Damit geht Deutschland weit über die EU-Vorgaben hinaus und nimmt eine Vorreiterrolle
für den Einsatz erneuerbarer Energien im Verkehrssektor ein.
Eine Vermarktung von fortschrittlichen Biokraftstoffen und erneuerbaren nicht biogenen
Kraftstoffen ist auch nach bereits geltendem Recht möglich. Diese alternativen
Kraftstoffe unterscheiden sich von konventionellen Kraftstoffen jedoch nicht
nur durch ihre Herstellung, sondern auch durch ihre Eigenschaften als Stoff. Es ist
daher wichtig, dass der alternative Kraftstoff bzw. das Gemisch aus konventionellem
und alternativem Kraftstoff den rechtlichen Anforderungen genügt, damit die
Qualität des Kraftstoffes sichergestellt und dadurch die Fahrzeugverträglichkeit
gewährleistet ist. Dies wird durch die 10. BImSchV geregelt. In der Regel werden
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alternative Kraftstoffe konventionellem Kraftstoff beigemischt; der Diesel „B7“
besteht zum Beispiel aus bis zu sieben Prozent aus Biodiesel. Zusätzlich können
auch hydrierte Pflanzenöle und bestimmte synthetische Kraftstoffe konventionellen
Dieselkraftstoff bis zu etwa 26 Prozent beigemischt werden. Auch der Ottokraftstoff
„E10“ kann bis zu zehn Prozent Bioethanol enthalten.
Der Ausschuss „Rechtsfragen, Umsetzung und Vollzug (RUV)“ der Bund-/Länder-
Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) hat sich intensiv mit den rechtlichen
Rahmenbedingungen für den Einsatz von paraffinischem Dieselkraftstoff in den
Bereichen Straßenverkehr, mobile Maschinen und Seeverkehr befasst und ausführlich
in dem Bericht „Paraffinische Kraftstoffe und 10. BImSchV“ (Stand: 7.9.2020)
Stellung genommen.
Wie in der Stellungnahme dargelegt, erfüllt paraffinischer Dieselkraftstoff als Reinkraftstoff
nicht die Anforderungen an Dieselkraftstoff nach § 4 Absatz 1 der 10.
BImSchV. Daher ist das Inverkehrbringen von paraffinischen Dieselkraftstoff als
Reinkraftstoff im Straßenverkehr weiterhin grundsätzlich nicht zugelassen. Es bleibt
jedoch bei einer zulässigen Beimischungsquote von 26 Volumenprozent zu herkömmlichem
Diesel.
Fahrzeugherstellerfreigaben für die Nutzung paraffinischer Dieselkraftstoffe als
Reinkraftstoff sind derzeit noch die Ausnahme in der Bestandsflotte. Fahrzeughalter
würden den Kraftstoff auf eigenes Risiko verwenden und für eventuell auftretende
Schäden selbst haften. Eine Unterscheidung der Kraftstoffe für Nutzfahrzeuge und
Personenkraftwagen ist in der 10. BImSchV nicht vorgesehen und in der Praxis an
den Tankstellen auch kaum möglich. Aus vorgenanntem Grund wird unter anderem
von einer Aufnahme von reinen paraffinischen Dieselkraftstoffen für den Einsatz im
Straßenverkehr in der 10. BImSchV weiterhin abgesehen.
Zudem stellen die technischen Beimischungsgrenzen von alternativen Kraftstoffen
nach derzeitiger Marktlage keine reale Einschränkung für den Absatz von fortschrittlichen
Biokraftstoffen und erneuerbaren nicht biogenen Kraftstoffen dar. Derzeit
werden um die 6 Prozent Biokraftstoffe und 0 Prozent strombasierte Kraftstoffe
im Straßenverkehr in Verkehr gebracht.
In Bezug auf die Schiffskraftstoffe stellt die 10. BImSchV in § 4 Absatz 3 und 4 nur
an bestimmte Schiffskraftstoffe des Seeverkehrs Anforderungen. Diese Anforderungen
betreffen lediglich den Schwefelgehalt von Gasöl für den Seeverkehr
und Schiffsdiesel. Weitere Anforderungen an Schiffskraftstoffe enthält die
10. BImSchV nicht. Auch enthält die 10. BImSchV keine Anforderungen an Kraftstoffe
für den Flugverkehr.
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Auf EU-Ebene sind mit dem European Green Deal verschiedene Initiativen für den
Luft- und Seeverkehr angekündigt.
Die Initiative „FuelEU Maritime“ zielt darauf ab, Barrieren für den Einsatz nachhaltiger
alternativer Kraftstoffe in der europäischen Schifffahrt und in den Häfen abzubauen
und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Die Initiative deckt auch nachfrageseitige
Aspekte u.a. die Nutzung alternativer Kraftstoffe ab. Zusätzlich soll der
bestehende Regelungsrahmen für das Angebot von nachhaltigen alternativen Kraftstoffen
(geregelt in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, (RED II)) und die Infrastruktur
(geregelt in der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative
Kraftstoffe (AFID)) ergänzt werden. Die Legislativvorschläge werden jeweils in
diesem Jahr erwartet.
Mit der Initiative „ReFuelEU Aviation“ sollen nachhaltige alternative Kraftstoffe
mit dem Ziel eingeführt werden, den CO2-Anteil des Flugverkehrs zwischen 2030
und 2050 durch ambitionierte Zielfestlegung deutlich zu reduzieren. Die Produktion
nachhaltiger alternativer Kraftstoffe soll gefördert und ausgebaut werden. Die Folgenabschätzung
der EU-Kommission ist angekündigt, ein Legislativvorschlag wird
am Ende des 1. Quartals 2021 erwartet.
In Deutschland bezieht die Bundesregierung mit der geplanten Umsetzung der RED
II den Luftverkehr bereits jetzt ein und regt die Produktion von flüssigen, strombasierten
Kraftstoffen an, indem eine verpflichtende Quote im Flugverkehr eingeführt
werden soll (Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-
Quote). Sie beträgt ab dem Jahr 2026 0,5 Prozent und steigt auf 2 Prozent im Jahr
2030. Damit werden strombasierte Kraftstoffe auf Basis von grünem Wasserstoff
als wichtiger Beitrag zu den Klimazielen im Verkehr gefördert. Die Einführung der
Quote als Inverkehrbringensverpflichtung ist ein kräftiger Impuls zum Einstieg in
die Produktion von E-Fuels jenseits der bisherigen Labormengen. Bis zum
Jahr 2030 werden durch die neue Quote voraussichtlich 200.000 Tonnen
Power-to-Liquid-Kerosin im deutschen Luftverkehr genutzt.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Pronold