Deutscher Bundestag Drucksache 19/27023
19. Wahlperiode 25.02.2021
Gesetzentwurf
der Abgeordneten Kay Gottschalk, Albrecht Glaser, Stefan Keuter, Dr. Bruno
Hollnagel, Franziska Gminder, Jörn König, Roman Johannes Reusch, Stephan
Brandner, Jens Maier, Dr. Lothar Maier, Tobias Matthias Peterka, Dietmar
Friedhoff, Mariana Iris Harder-Kühnel, Andreas Mrosek, Hansjörg Müller, Jürgen
Pohl, Dr. Robby Schlund, Dr. Dirk Spaniel und der Fraktion der AfD
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuchs
– Verbesserung der Abschlussprüfung von Kapitalgesellschaften
als Reaktion auf den Fall Wirecard
A. Problem
Der Fall Wirecard hat dem Finanzplatz Deutschland schweren Schaden zugefügt.
Der Skandal um den mutmaßlichen Bilanzbetrug hat Vertrauen in eine funktionierende
Corporate Governance zerstört und offenbart eklatante Schwächen insbesondere
bei der Regulierung der Abschlussprüfung von Kapitalgesellschaften.
Bekanntlich hatten die seit vielen Jahren mit der Prüfung der Gesellschaft betrauten
Abschlussprüfer die Bilanz des Unternehmens stets testiert. Erst nachdem die
Sonderprüfung durch eine eigens beauftragte andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
zweifelhafte Bilanzpositionen ans Licht brachte, wurde das Testat versagt.
Das lässt den Schluss zu, dass die Beauftragung desselben Abschlussprüfers bzw.
Prüfungsunternehmens über einen langen Zeitraum hinweg die Anreize zu kritischer
Prüfung mindert. Dies hat die Europäische Kommission bewogen, in einer
Reaktion auf die Finanzkrise von 2008 im Rahmen der Verordnung (EU)
Nr. 537/2014 den verpflichtenden Wechsel des beauftragten Abschlussprüfers
im Regelfall nach spätestens zehn Jahren vorzuschreiben (sog. Rotation).
Dadurch sollte der Gefahr einer Entstehung von Abhängigkeiten vorgebeugt und
damit die Qualität der Abschlussprüfung verbessert werden. Der deutsche Gesetzgeber
hat in der Umsetzung dieser Verordnung durch das Abschlussprüfungsreformgesetz
im Jahr 2016 allerdings einen Regelungsspielraum genutzt und die
Höchstlaufzeit des Prüfungsmandats für bestimmte Fälle auf 20 bzw. sogar 24
Jahre ausgedehnt (§ 318 Absatz 1a des Handelsgesetzbuchs – HGB). Das ist zu
lang.
Zudem genießen Abschlussprüfer in Deutschland das Privileg einer beschränkten
Haftung für Schäden, die sie durch fahrlässige Verletzung ihrer Prüfungspflichten
verursacht haben. Nach § 323 Absatz 2 HGB ist die Ersatzpflicht in diesen
Fällen auf maximal 4 Millionen Euro je Prüfung beschränkt. Das erscheint im
Verhältnis zu den Bilanzsummen vieler Kapitalgesellschaften deutlich zu niedrig.
In anderen Ländern gibt es solche Beschränkungen nicht. So ist die Haftung
für Abschlussprüfer etwa in den USA und in Frankreich unbegrenzt
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(https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/wirecard-skandal-die-haftung-derwirtschaftspruefer,S5Yla1O).
Gleiches gilt in Deutschland für viele andere Berufsgruppen,
so etwa Ärzte, Hebammen und Rechtsanwälte. Auf das Testat der
Abschlussprüfer verlassen sich Aktionäre und Banken. Eine effektive Haftungssanktion
ist ein wichtiges Instrument, um pflichtgemäßes Handeln zu gewährleisten.
Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Versicherbarkeit von Haftungsrisiken,
denn über die Höhe der Versicherungsprämien bis hin zum Ausschluss
der Versicherung für Prüfer mit einer Schadenshistorie bleibt die Anreizfunktion
erhalten.
Schließlich ist es in Deutschland zulässig, dass der Abschlussprüfer zugleich Beratungsleistungen
gegenüber dem geprüften Unternehmen erbringt. Das erhöht
das wirtschaftliche Eigeninteresse der Prüfer und gefährdet damit die Unabhängigkeit
der Prüfung. In anderen Ländern, etwa Italien, dürfen Prüfer von Wirtschaftsunternehmen
deshalb keine zusätzlichen Beratungsleistungen gegenüber
ihren Auftraggebern erbringen (https://www.wp-net.com/Presse/Politik/2020-
10-07-WIRECARD-wp.net-Lehren-final-F%C3%BCrs-Parlament-13z-2-spaltig.pdf).
Auch in Großbritannien wird aktuell daran gearbeitet, Beratungs- und
Prüfgeschäfte von Wirtschaftsprüfern voneinander zu trennen (https://www.finance-magazin.de/banking-berater/wirtschaftspruefer/big-four-droht-die-trennung-von-pruefung-und-beratung-2035521/).
B. Lösung
Der Zeitraum für den verpflichtenden Wechsel des Wirtschaftsprüfers soll auf
maximal vier Jahre verkürzt werden. Die Haftungsobergrenze für Schäden infolge
einer fahrlässigen Verletzung der Prüfungspflichten soll auf 1 % der Bilanzsumme
des geprüften Unternehmens, mindestens aber 10 Millionen Euro,
erhöht werden. Zudem soll es Abschlussprüfern untersagt sein, während des Prüfungsmandats
steuerrechtliche Beratungsleistungen gegenüber dem geprüften
Unternehmen zu erbringen.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Für die mit der Abschlussprüfung von Kapitalgesellschaften beauftragten Wirtschaftsprüfer
und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ergibt sich ein höheres Haftungsrisiko
und ergeben sich damit erhöhte Ausgaben für entsprechenden Versicherungsschutz.
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Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Keiner.
F. Weitere Kosten
Keine.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/27023
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuchs
– Verbesserung der Abschlussprüfung von Kapitalgesellschaften
als Reaktion auf den Fall Wirecard
Vom …
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Handelsgesetzbuchs
Das Handelsgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 1897 (RGBl. S. 219) in der im
Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch
Artikel 1 des Gesetzes vom 12. August 2020 (BGBl. I S. 1874) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 318 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1a wird wie folgt gefasst:
„(1a) Die Höchstlaufzeit des Prüfungsmandats nach Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung
(EU) Nr. 537/2014 beträgt 4 Jahre.“
b) Nach Absatz 5 wird folgender Absatz 5a eingefügt:
„(5a) Dem Abschlussprüfer, einem Unternehmen, an dem der Abschlussprüfer als Gesellschafter
beteiligt ist, sowie mit dem Abschlussprüfer verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 AktG ist es
untersagt, während der Dauer der Prüfungstätigkeit steuerrechtliche Beratungsleistungen gegenüber
dem geprüften Unternehmen zu erbringen.“
2. § 323 Absatz 2 wird wie folgt geändert:
a) Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, ist auf 1 % der Bilanzsumme des geprüften
Unternehmens oder, falls der aus der Bilanzsumme ermittelte Betrag geringer ist, auf 10 Millionen
Euro beschränkt.“
b) Satz 2 wird aufgehoben.
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Berlin, den 11. Dezember 2020
Dr. Alice Weidel, Dr. Alexander Gauland und Fraktion
Drucksache 19/27023 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Mit dem Gesetzentwurf soll die Qualität der Abschlussprüfung von Kapitalgesellschaften verbessert werden. Anlass
dafür ist der Fall „Wirecard“, der Schwachstellen im Bereich der Regulierung der Abschlussprüfung aufgezeigt
hat. Die Zeit bis zum verpflichtenden Wechsel des Prüfers von bis zu 24 Jahren hat sich als zu lang erwiesen.
Die Begrenzung der Prüferhaftung wegen Schäden aufgrund einer fahrlässigen Verletzung von Prüfungspflichten
auf maximal 4 Millionen Euro schwächt die Haftungssanktion. Die Möglichkeit, neben der Prüfungstätigkeit steuerrechtliche
Beratungsleistungen gegenüber dem geprüften Unternehmen zu erbringen, gefährdet die Unabhängigkeit
des Prüfers.
II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Die Zeit bis zur verpflichtenden Prüferrotation soll auf maximal 4 Jahre verkürzt werden. Damit ist gewährleistet,
dass über die lange Dauer eines Prüfungsmandats keine persönlichen Bindungen oder wirtschaftlichen Abhängigkeiten
entstehen, die die Unabhängigkeit des Prüfers gefährden. Das gleiche Ziel verfolgt das an den Prüfer und
die mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen gerichtete Verbot, während der Dauer der Prüfungstätigkeit
weitere steuerrechtliche Beratungsleistungen gegenüber dem geprüften Unternehmen zu erbringen. Die Heraufsetzung
der Haftungsobergrenze für Schäden, die infolge einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Prüfers entstanden
sind, trägt zum einen der Unternehmensrealität hoher Bilanzsummen Rechnung. Zum anderen soll die verschärfte
Haftungsdrohung das Bewusstsein des Prüfers für die Einhaltung der ihm obliegenden Prüfungspflichten
schärfen, was üblicherweise die Funktion von Haftungsnormen ist.
III. Alternativen
Keine.
IV. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 (Recht der Wirtschaft) sowie
Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit.
V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen
Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik
Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar. Die VO (EU) Nr. 537/2014 stellt in Artikel 17 Absatz 2 Buchst. b) den
Mitgliedstaaten frei, eine Höchstlaufzeit von weniger als 10 Jahren für das Mandat eines Abschlussprüfers zu
bestimmen.
VI. Gesetzesfolgen
Der Entwurf führt zu einer Stärkung der Unabhängigkeit der Abschlussprüfer und stärkt damit pflichtgemäßes
Prüferhandeln.
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1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung sind durch den Entwurf nicht betroffen.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
Auf das Testat des Abschlussprüfers verlassen sich Aktionäre bei ihrer Anlageentscheidung und Banken bei ihrer
Kreditvergabe. Die Stärkung der Unabhängigkeit und der Appell an die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung des
Prüfers tragen somit zu einer Verbesserung der Kapitalallokation, zu geringeren Risikoaufschlägen und damit
insgesamt zu einer verbesserten volkswirtschaftlichen Entwicklung bei.
3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand sind für Bund, Länder und Gemeinden durch den Entwurf nicht zu
erwarten.
4. Erfüllungsaufwand
Keiner.
5. Weitere Kosten
Keine.
6. Weitere Gesetzesfolgen
Weitere Gesetzesfolgen gibt es nicht.
VII. Befristung; Evaluation
Eine Befristung oder Evaluation ist nicht vorgesehen.
B. Besonderer Teil
Artikel 1
Nummer 1
a) Die Zeit bis zur verpflichtenden Rotation des Prüfers wird auf 4 Jahre begrenzt. Diese Möglichkeit zur Begrenzung
der Zeit bis zum verpflichtenden Wechsel des Prüfers besteht auf nationaler Ebene gemäß Artikel 17 Absatz
2 Buchst. b) der VO (EU) Nr. 537/2014.
b) Dem Prüfer und solchen Unternehmen, mit denen der Prüfer wirtschaftlich verbunden ist, ist es für die Dauer
der Prüfungstätigkeit untersagt, steuerrechtliche Beratungsleistungen gegenüber dem geprüften Unternehmen zu
erbringen. Der Hinweis auf § 15 AktG ist erforderlich wegen der anderenfalls vorgehenden Definition in § 271
HGB.
Nummer 2
Die Haftungsobergrenze für Schäden aufgrund fahrlässig begangener Pflichtverletzungen des Prüfers wird auf
1 % der Bilanzsummer des geprüften Unternehmens bzw. 10 Millionen Euro angehoben, je nachdem, welcher
Betrag höher ist.
Artikel 2
Betrifft das Inkrafttreten.
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0722-8333