AV
Bundesrat Drucksache 18/1/21
E m p f e h l u n g e n
der Ausschüsse
02.02.21
R - AV - Fz - Wi
zu Punkt … der 1000. Sitzung des Bundesrates am 12. Februar 2021
Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge
Der federführende Rechtsausschuss (R),
der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV),
der Finanzausschuss (Fz) und
der Wirtschaftsausschuss (Wi)
empfehlen dem Bundesrat,
A.
zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt
Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat begrüßt das mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verfolgte Ziel,
den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu verbessern, deren Position
gegenüber der Wirtschaft zu stärken und so faire Verbraucherverträge zu
fördern. Der Bundesrat ist jedoch der Ansicht, dass noch weitere Schritte notwendig
sind, um dem Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern ausreichend
Rechnung zu tragen.
Begründung:
Verbraucherinnen und Verbraucher werden immer noch viel zu häufig durch
wirtschaftlich überlegene Unternehmen übervorteilt. Nach wie vor sind undurchsichtige
Vertragsstrukturen und Kostenfallen an der Tagesordnung. Die
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln
Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0720-2946
...
AV
Fz
bei
Annahme
entfällt
Ziffer 4
Empfehlungen, 18/1/21 - 2 -
Regelungen im vorliegenden Gesetzesentwurf sind ein Schritt hin zum fairen
Vertragsschluss und zu fairen Vertragsbedingungen.
2. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern bei
komplizierten Vertragsgestaltungen - insbesondere im Mobilfunkbereich mit
umfangreichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) - ein gesetzliches
Widerrufsrecht nur bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen
und bei Fernabsatzverträgen zusteht, nicht aber bei innerhalb von Geschäftsräumen
geschlossenen Verträgen. Dies erscheint bei zunehmend komplexer
werdenden Vertragsgestaltungen in vielen Branchen nicht mehr sachgerecht.
Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung darum, die Einführung
eines Widerrufsrechts bei im stationären Einzelhandel geschlossenen Verträgen
– insbesondere in Bereichen mit komplexen Vertragsgestaltungen wie Telekommunikationsverträgen
– zu prüfen.
Begründung:
Verbraucherinnen und Verbraucher haben bei Vertragsgestaltungen im Mobilfunkbereich
mit umfangreichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ein
gesetzliches Widerrufsrecht nur bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen
Verträgen und bei Fernabsatzverträgen, nicht jedoch bei innerhalb von
Geschäftsräumen in Ladengeschäften geschlossenen Verträgen. Erfahrungsgemäß
wird Verbraucherinnen und Verbrauchern allerdings im stationären Telekommunikationshandel
oft nicht genügend Zeit und die Möglichkeit eingeräumt,
sich vor Abschluss eines Vertrages angemessen mit dessen Inhalt zu beschäftigen.
Um Verbraucherinnen und Verbraucher wirksamer vor intransparenten Geschäftspraktiken
im stationären Telekommunikationshandel zu schützen und
ihnen Gelegenheit zu geben, sich des Inhalts und der Tragweite des Vertragsschlusses
bewusst zu werden, ist ein Widerrufsrecht für im stationären Einzelhandel
geschlossene Telekommunikationsverträge, gleichermaßen der Regelungen
für Fernabsatzverträge, erforderlich.
3. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 308 Nummer 9 BGB)
a) Der Bundesrat bittet sicherzustellen, dass Verbraucher bezüglich ihres Girokontos
bei einem Kreditinstitut durch das Gesetz nicht schlechter geschützt
werden als bisher. Er gibt dabei insbesondere zu bedenken, dass infolge
des im Gesetzentwurf vorgesehenen Verbots von allgemeinen Abtretungsausschlüssen
der Pfändungsschutz eines Girokontos ausgehebelt wer-
...
Wi
entfällt
bei
Annahme
von
Ziffer 3
den kann.
- 3 - Empfehlungen, 18/1/21
b) Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit
Bankgeschäfte vom Verbot von generellen Abtretungsausschlüssen
ausgenommen werden können, damit schützenswerte Verbraucherinteressen
gewahrt bleiben.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Der Gesetzentwurf sieht keine Ausnahme vom in § 308 Nummer 9 BGB einzuführenden
Verbot von Abtretungsausschüssen für Kreditinstitute vor.
In der Begründung zum Gesetzentwurf wird lediglich die Wirkung von Abtretungsausschlüssen
beziehungsweise -beschränkungen auf Verbraucherkreditverträge
thematisiert. Diese Betrachtung greift zu kurz, wie folgende Beispiele
zeigen:
Girokonten gehören zum Massengeschäft. Deshalb werden Abtretungsausschlüsse
in den AGB der Banken verankert. Mit dem im Gesetzentwurf vorgesehenen
Verbot von Abtretungsausschlüssen würde der in den AGB der Banken
vorgesehene Abtretungsausschluss unzulässig. Dadurch hätten andere
Gläubiger die Möglichkeit, sich Forderungen – z. B. Guthaben auf den Girokonten
der Bank – von Verbrauchern abtreten zu lassen. In der Folge könnten
diese Gläubiger die dann eigene Forderung des Girokontos gegen die Bank
durchsetzen. Selbst das Bestehen eines Pfändungsschutzkontos hindert den
Einzug dieser Forderung nicht. Es droht also, dass Verbraucher durch das vorgesehene
Verbot von Abtretungsausschlüssen schlechter geschützt sind als bei
Bestehen eines Abtretungsverbots.
Zu Buchstabe b:
Bei Bankgeschäften können Abtretungsausschlüsse in vielen (Massen-)Sachverhalten
sinnvoll sein. Förderdarlehen beispielweise sind an Bedingungen
auch zur Verwendung geknüpft, sind nicht abtretbar und müssen bei Nichteinhaltung
ggf. zurückgezahlt werden. Sparbücher müssen vorgelegt werden,
wenn eine Auszahlung verlangt wird; eine (Teil-) Abtretung beinhaltet aber
nicht die Übergabe des Sparbuchs an den Abtretungsempfänger und kann zu
Unklarheiten führen, an wen die Leistung mit schuldbefreiender Wirkung erbracht
werden darf. Bausparverträge dienen als Sicherheiten für Darlehen; eine
Abtretung gefährdet dieses Darlehen. Das im Gesetzentwurf vorgesehene generelle
Verbot von Abtretungsausschlüssen kann auch hier für Verbraucher nachteilig
sein. Es liegt gerade im Interesse von Verbrauchern, hier Nachteile zu
verhindern.
4. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (§ 308 Nummer 9 Buchstabe a BGB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob Ansprüche
aus einem Darlehensvertrag von dem in § 308 Nummer 9 Buchstabe a
...
AV
Empfehlungen, 18/1/21 - 4 -
vorgesehenen Verbot ausgenommen werden können.
Begründung:
Abtretungsverbote insbesondere in Form von Zustimmungsvorbehalten erfüllen
in der kreditwirtschaftlichen Praxis eine wichtige Funktion. So dienen beispielsweise
Bausparverträge als Tilgungsersatzinstrument und als Sicherheit
für Darlehensrückzahlungsansprüche bei Immobilienfinanzierungen. Ohne eine
Einschränkung der Abtretungsrechte des Kunden im Zeitraum der Darlehensrückführung
könnten diese keine Sicherheitsfunktion mehr erfüllen und würden
die Finanzierung für den Kunden zumindest deutlich erschweren.
Auch bei Förderdarlehen im Wohnungsbau besteht ein erhebliches Interesse,
den Förderzweck des Darlehens durch eine Beschränkung der Abtretung des
Auszahlungsanspruchs sicherzustellen.
Weiterhin könnte eine uneingeschränkte Abtretung beispielsweise auch die
Rechte von Verbrauchern als Bauherren beeinträchtigen, wenn diese Zurückbehaltungsrechte
wegen Nichterfüllung/Mängeln geltend machen wollen und
beispielsweise ein anderes als das ursprüngliche Bauunternehmen, an welches
Ansprüche aus der Auszahlung eines Immobiliendarlehens abgetreten wurden,
mit der Fertigstellung des Bauvorhabens oder der Beseitigung der Mängel beauftragen
wollen.
5. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a0 – neu – (§ 309 Nummer 9 Satzteil vor
Nummer 1 BGB)
In Artikel 1 Nummer 2 ist dem Buchstaben a folgender Buchstabe a0 voranzustellen:
‚a0) Im Satzteil vor Nummer 1 werden nach den Wörtern „die regelmäßige Erbringung
von Dienst- oder Werkleistungen“ die Wörter „oder die regelmäßige
entgeltliche Nutzung von Sport- oder Freizeiteinrichtungen“ eingefügt.‘
Begründung:
Das Klauselverbot in § 309 Nummer 9 BGB ist zu eng gefasst. Der Anwendungsbereich
dieser Regelung ist auf Vertragsverhältnisse, die „die regelmäßige
Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder
Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand“ haben begrenzt. Fitnessstudioverträge
werden von der geltenden und geplanten Regelung nach der
Rechtsprechung des BGH jedenfalls dann nicht erfasst, wenn sie keine besonderen
Verpflichtungen mit dienstvertraglichem Charakter enthalten (vgl. Urteil
vom 8. Februar 2012 – XII ZR 42/10); ob sie bei Vorliegen dienstvertraglicher
...
AV
bei
Annahme
entfällt
Ziffer 7
und
Ziffer 8
- 5 - Empfehlungen, 18/1/21
Verpflichtungen als typengemischte Verträge unter § 309 Nummer 9 BGB fallen,
hat der BGH (a. a. O.) ausdrücklich offengelassen.
Die bestehende Regelungslücke soll geschlossen werden durch eine Ausweitung
des Anwendungsbereichs der Norm auf Verträge, die die entgeltliche
Nutzung von Sport- oder Freizeiteinrichtungen zum Inhalt haben. Neben den
Fitnessstudioverträgen werden hierdurch Verbraucherinnen und Verbraucher
im gesamten Sport- und Freizeitbereich vor zu langen Vertragslaufzeiten geschützt
(z. B. bei der regelmäßigen Benutzung von Tennis-, Golf- und Bowlinganlagen,
dem dauerhaften Chartern von Segelbooten oder Flatrates in
Wellnesseinrichtungen).
6. Hauptempfehlung zu Ziffer 8
Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a (§ 309 Nummer 9 Buchstabe a BGB)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a ist § 309 Nummer 9 Buchstabe a wie folgt
zu fassen:
„a) eine den anderen Vertragsteil länger als ein Jahr bindende Laufzeit des Vertrags,“
Begründung:
Lange Vertragslaufzeiten beschränken den Wechsel von Verbraucherinnen und
Verbrauchern zu einem anderen Anbieter und hemmen damit den Wettbewerb.
Verbraucherinnen und Verbraucher, die ein anderes – für sie besseres – Angebot
erkennen, sollten frühzeitig zu diesem wechseln können und nicht durch
überlange Vertragslaufzeiten gebunden werden. Eine Laufzeitverkürzung gibt
ihnen Freiheit und belebt den Wettbewerb.
Eine Regelung, dass Verträge für zwei Jahre geschlossen werden können, wenn
auch ein Angebot für einen 1-Jahres-Vertrag unterbreitet wird, dessen monatliche
Kosten maximal 25 % über denjenigen für einen 2-Jahres-Vertrag liegen,
erscheint wenig effektiv. Wegen der großen Preisdifferenz bei identischen Vertragsleistungen
werden vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher mit
geringem Einkommen faktisch gezwungen, aus Kostengründen weiterhin Verträge
mit einer zweijährigen Erstlaufzeit zu akzeptieren. Somit ist zu erwarten,
dass 2-Jahres-Verträge dann auch in Zukunft die Regel bleiben.
Für eine Laufzeitverkürzung spricht auch, dass Vertragsbindungen von 24 Monaten
für die Verbraucherinnen und Verbraucher häufig erst einmal unüberschaubar
sind. Denn wer weiß schon, wie sich der Markt und/oder die eigenen
Einkommensverhältnisse entwickeln. Dies zeigt auch die aktuelle Pandemielage.
Insbesondere mit Blick darauf, dass auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher
durch die Corona-Pandemie finanziell stark belastet sind, kann durch
eine Verkürzung der Vertragslaufzeiten ein Beitrag zur Entlastung der Verbraucher
geleistet werden.
...
Wi
entfällt
bei
Annahme
von
Ziffer 6
bei
Annahme
entfällt
Ziffer 8
AV
entfällt
bei Annahme
von
Ziffer 6
oder
Ziffer 7
Empfehlungen, 18/1/21 - 6 -
Ein schützenswertes unternehmerisches Interesse für die Zulassung von länger
als ein Jahr dauernden Laufzeiten durch AGB ist nicht ersichtlich. Denn es
bleibt den Vertragsparteien weiterhin unbenommen, Verträge mit längeren
Laufzeiten im Wege der vorrangigen Individualabrede abzuschließen.
7. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a (§ 309 Nummer 9 Buchstabe a Doppelbuchstabe
bb BGB)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a ist § 309 Nummer 9 Buchstabe a Doppelbuchstabe
bb zu streichen.
Begründung:
§ 309 Nummer 9 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb BGB schränkt die Vertragsfreiheit
zwischen Unternehmen und Verbrauchern weiter ein. Für Unternehmen,
die künftig Zweijahresverträge anbieten wollen, entstehen weitere
bürokratische Verpflichtungen, obwohl eine entsprechende Vertragslaufzeit bei
vielen auf Dauer angelegten Vertragsverhältnissen im beiderseitigen Interesse
liegt. Die Regelung zum Verhältnis zwischen Ein- und Zweijahresverträgen
greift zudem unverhältnismäßig in die Preissetzungsfreiheit der Unternehmen
ein. Soweit Einjahresverträge aufgrund der erhöhten Unsicherheit für die
Unternehmen mit mehr als 25 Prozent an zusätzlichen Kosten verbunden sind,
dürfen diese nicht berücksichtigt werden. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen
entweder auf das Angebot von Zweijahresverträgen verzichten oder
Einjahresverträge unterhalb der Kosten anbieten müssen. Es ist zudem unklar,
ob diese Einschränkungen der Vertragsfreiheit und die zusätzlichen Informationspflichten
im Interesse der Mehrheit der Verbraucher liegen. Diese haben
oft ein Interesse an stabilen Vertragsbeziehungen und nicht an noch weiteren
nicht angeforderten Informationen. Der Gesetzentwurf gewichtet hier das
Interesse der sogenannten „Vertragsspringer“ höher als das des durchschnittlichen
Verbrauchers.
8. Hilfsempfehlung zu Ziffer 6
Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a (§309 Nummer 9 Buchstabe a Doppelbuchstabe
bb BGB)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a sind in § 309 Nummer 9 Buchstabe a Doppelbuchstabe
bb nach dem Wort "welcher" die Wörter "einschließlich sämtlicher
Kosten" und nach den Wörtern "längeren Laufzeit" die Wörter "unter Berücksichtigung
von unentgeltlichen Zuwendungen" einzufügen.
...
AV
bei
Annahme
entfällt
Ziffer 10
Begründung:
- 7 - Empfehlungen, 18/1/21
Die Begrenzung des Preisaufschlags für eine einjährige Vertragsbindung gegenüber
einer längeren Vertragsbindung muss aus Gründen der Rechtssicherheit
so klar wie möglich gefasst werden. Auch muss ausgeschlossen werden,
dass durch zusätzliche Anreize wie unentgeltliche Zuwendungen bei längeren
Vertragslaufzeiten und Zusatzkosten ausschließlich bei kürzeren Verträgen,
zum Beispiel in Form von Bearbeitungsgebühren, der maximal zulässige Preisunterschied
von 25 Prozent faktisch ausgehebelt wird.
9. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a (§ 309 Nummer 9 Buchstabe b BGB)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a ist § 309 Nummer 9 Buchstabe b wie folgt
zu fassen:
„b) eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des
Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als drei Monate vorsieht oder“
Begründung:
Um das Ziel des Gesetzes, die Wahlfreiheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern
zu stärken, zu erreichen, erscheint es nicht ausreichend, dass automatische
Verlängerungen um ein Jahr weiterhin zulässig sind, wenn die Anbieter
zuvor bestimmte Informationspflichten erfüllen. AGB-Klauseln zur stillschweigenden
Vertragsverlängerung sollten ausnahmslos auf maximal drei
Monate begrenzt werden. Eine solche Begrenzung stärkt den wirtschaftlichen
Wettbewerb und ermöglicht einen früheren Wechsel zu anderen Anbietern mit
besseren Konditionen. Da die Regelung recht kompliziert ist, steht zudem zu
befürchten, dass Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin in Verträgen
"festhängen", die sie (so) gar nicht wollen. Insbesondere mit Blick darauf, dass
auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Corona-Pandemie finanziell
stark belastet sind, kann durch die Möglichkeit Verträge nach Ablauf
der anfänglichen Vertragslaufzeit zeitnah zu beenden zudem ein wichtiger Beitrag
zur Entlastung der Verbraucher geleistet werden. Zudem bleibt es den Vertragspartnern
unbenommen, stillschweigende Vertragsverlängerungen von
mehr als drei Monaten im Wege einer vorrangigen Individualabrede zu vereinbaren.
...
Wi
entfällt
bei
Annahme
von
Ziffer 9
AV
Empfehlungen, 18/1/21 - 8 -
10. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a (§ 309 Nummer 9 Buchstabe b Doppelbuchstabe
bb BGB)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a ist § 309 Nummer 9 Buchstabe b Doppelbuchstabe
bb zu streichen.
Begründung:
§ 309 Nummer 9 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb BGB zieht weitere Informationspflichten
der Unternehmen in Form von Mitteilungen an die Kunden
nach sich. Die damit einhergehende Fristenkontrolle können Unternehmen, die
eine Vielzahl laufender Verträge ständig zu überwachen haben, nur mit erheblichem
Aufwand bewältigen. Verbraucher hingegen, die in der Regel nur eine
sehr geringe Anzahl an Verträgen im Blick behalten müssen, ist die Kontrolle
etwaiger Kündigungsfristen eher zuzumuten. Die Regelung sollte deshalb nicht
zur Anwendung kommen.
11. Zu Artikel 1 Nummer 3a – neu – (§ 312a Absatz 7 - neu - BGB)
In Artikel 1 ist nach der Nummer 3 folgende Nummer 3a einzufügen:
‚3a. Dem § 312a wird folgender Absatz 7 angefügt:
„(7) Der Unternehmer hat unbeschadet anderer Vorschriften leicht zugängliche
Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit denen der Verbraucher
nach Vertragsschluss für das Vertragsverhältnis relevante Erklärungen,
insbesondere Kündigung, Widerruf und die Geltendmachung von Rechten
aus dem Vertragsverhältnis (vertragsrelevante Erklärungen) abgeben
kann." '
Begründung:
Für Verbraucher besteht in einigen Fällen das Problem, dass sie auf vertragsrelevante
Erklärungen wie Kündigung, Widerruf oder die Geltendmachung von
vertraglichen Ansprüchen weder eine Zugangsbestätigung noch eine sonstige
Äußerung des Unternehmers erhalten oder der Zugang im weiteren Verlauf der
Verhandlungen zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer schlicht bestritten
wird. Zum Teil ist für Verbraucher auch nicht oder nur schwer erkennbar,
auf welchem Weg sie vertragsrelevante Erklärungen überhaupt abgeben
können.
Daher sollte in § 312a eine allgemeine Verpflichtung des Unternehmers ge-
...
R
bei
Annahme
entfällt
Ziffer 13
- 9 - Empfehlungen, 18/1/21
schaffen werden, leicht zugängliche Verfahren zur Abgabe von vertragsrelevanten
Erklärungen zur Verfügung zu stellen. Da sich die Problematik nicht
nur auf die Kündigung von Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr beschränkt,
bei der ein sogenannter „Kündigungsbutton“ diskutiert wird, sondern
auch in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossene Verträge, beispielsweise
über die Nutzung von Fitness-Studios, betrifft, sollte eine Regelung
in den allgemeinen Vorschriften über Verbraucherverträge verankert werden.
Diese Regelung lässt speziellere Vorgaben unberührt.
Die Abgabe von vertragsrelevanten Erklärungen nach Abschluss eines Verbrauchervertrages
ist weder in der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der
Verbraucher noch in der Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte
der Dienste der Informationsgesellschaft abschließend geregelt, so dass
insoweit keine Kollision mit unionsrechtlichen Vorgaben besteht.
12. Zu Artikel 1 Nummer 3a – neu – (§ 312c Absatz 3 bis 5 – neu – BGB)
Artikel 4 (§ 41 Absatz 1 Satz 1 EnWG)
a) In Artikel 1 ist nach Nummer 3 folgende Nummer einzufügen:
,3a. Dem § 312c werden folgende Absätze angefügt:
„(3) Die Wirksamkeit eines telefonisch geschlossenen Fernabsatzvertrages
hängt davon ab, dass der Verbraucher den Vertrag in Textform
genehmigt, nachdem ihm der Unternehmer sein Angebot auf einem
dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt hat. Dies gilt
nicht, wenn das Telefonat nicht von dem Unternehmer oder einer in
seinem Namen oder Auftrag handelnden Person zum Zwecke der
Werbung veranlasst worden ist. § 312d Absatz 1 bleibt unberührt.
(4) Der Unternehmer kann das aufgrund des Vertrags Geleistete
nicht deshalb zurückfordern, weil in Folge fehlender Genehmigung
nach Absatz 3 eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat. Fordert der
Unternehmer den Verbraucher zur Erklärung über die Genehmigung
auf, gilt sie als verweigert, wenn der Verbraucher sie nicht binnen
zwei Wochen erklärt.
(5) Die Absätze 3 und 4 finden keine Anwendung bei Verträgen
über Finanzdienstleistungen.“ ‘
b) Artikel 4 ist zu streichen.
...
Empfehlungen, 18/1/21 - 10 -
Begründung
Die Belästigung durch überraschende und unerbetene Werbeanrufe ist für eine
Vielzahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern bereits seit vielen Jahren ein
erhebliches Problem. Die in Artikel 4 vorgesehene Einführung des Textformerfordernisses
für Strom- und Gaslieferverträge mit Haushaltskunden außerhalb
der Grundversorgung löst dieses Problem nicht hinreichend und führt zu keiner
signifikanten Verbesserung der Situation der Verbraucher.
Nach dem Schlussbericht der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen
Evaluierung der verbraucherschützenden Regelungen im Gesetz gegen unseriöse
Geschäftspraktiken vom 3. Februar 2017 ist der Energiesektor nur ein
Schwerpunkt des Beschwerdeaufkommens gegen Telefonwerbung. Daneben
treten Beschwerden vermehrt in den Branchen Telekommunikation, Versicherungs-
und Finanzprodukte sowie Printmedien auf (S. 9 und 186 des Schlussberichts).
Die Position der Verbraucher muss daher branchenübergreifend und
nicht nur im Energiesektor gestärkt werden. Die punktuelle Regelung für Energieversorgungsverträge
lässt zudem befürchten, dass Verbraucher zwar in diesem
Bereich weniger Werbeanrufen ausgesetzt sein werden, dafür aber eine
Zunahme in anderen, nicht geregelten Bereichen eintreten wird.
Im Übrigen besteht eine Schwäche der sog. Textformlösung, wie der oben genannte
Schlussbericht hervorhebt, darin, dass die Formunwirksamkeit gerade
im Bereich der Energieversorgungsleistungen nicht zur Folge hat, dass der
Verbraucher von jeder Zahlungspflicht befreit wird. Ist mit der Leistungserbringung
schon begonnen worden, ist vielmehr die häufig komplizierte Rückabwicklung
über das Bereicherungsrecht mit Wertersatz durchzuführen (S. 188
des Schlussberichts).
Eine signifikante Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Telefonwerbung
lässt sich vielmehr durch die Einführung einer branchenübergreifenden Bestätigungslösung
erzielen, wie sie bereits zweimal vom Bundesrat vorgeschlagen
worden ist (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes bei
Telefonwerbung, Beschluss vom 12. Mai 2017, BR-Drucksache 181/17 (Beschluss);
Beschluss vom 27. April 2018, BR-Drucksache 121/18 (Beschluss))
und in Übereinstimmung mit diesen Vorschlägen mit dem vorliegenden Antrag
verfolgt wird. Auf den Inhalt der genannten Beschlüsse wird vollumfänglich
Bezug genommen. Hervorgehoben sei an dieser Stelle, dass die von der Bundesregierung
geäußerte Befürchtung (Entwurfsbegründung, BR-Drucksache
18/21, S. 11), dass die vorgeschlagene Bestätigungslösung zu Rechtsunsicherheit
führe, da die vorgesehenen Ausnahmefälle nicht immer zweifelsfrei feststellbar
sein dürften, nicht gerechtfertigt ist. Der vorgeschlagene § 312c Absatz
3 Satz 2 BGB sieht im Rahmen einer Beweislastregel vor, dass die Bestätigungslösung
nicht gelten soll, wenn das Telefonat nicht von dem Unternehmer
oder einer in seinem Namen oder Auftrag handelnden Person zum Zwecke
der Werbung verlasst worden ist. Ob der Telefonanruf mit oder ohne wirksame
Einwilligung des Verbrauchers im Sinne von § 7 Absatz 2 Nummer 2, 3 UWG
erfolgt ist, ist unerheblich. Somit hat der Unternehmer, will er sich auf die
Wirksamkeit des nicht in entsprechender Form genehmigten Vertrages berufen,
darzulegen und zu beweisen, dass er den Anruf nicht zu Werbezwecken, sondern
auf Veranlassung des Verbrauchers vorgenommen hat. Bestehen beim
...
AV
entfällt
bei
Annahme
von
Ziffer 12
- 11 - Empfehlungen, 18/1/21
Unternehmer Zweifel, ob ihm dies gelingt, wird er den Weg der Genehmigung
gehen müssen. Ein entsprechendes Vorgehen kann er aber selbst bestimmen
und in die Wege leiten. Die vorgesehene Ausnahmeregelung führt damit nicht
zu Rechtsunsicherheit. Sie bewirkt zudem eine sachgerechte Beschränkung des
Anwendungsbereichs der Bestätigungslösung und entkräftet die Kritik der
Bundesregierung (Entwurfsbegründung, BR-Drucksache 18/21, S. 11), dass
der Anwendungsbereich zu weit gefasst sei, da er grundsätzlich alle telefonisch
geschlossenen Fernabsatzverträge erfasse. Für Verträge, bei denen der Verbraucher
aus eigenem Antrieb den telefonischen Kontakt zum Unternehmer
sucht – wie dies beispielsweise bei Katalogbestellungen, der Beauftragung von
handwerklichen Leistungen und ähnlichen Geschäften häufig der Fall ist – gilt
die vorgeschlagene Bestätigungslösung gerade nicht, weil sie insoweit eine unverhältnismäßige
Erschwernis des telefonischen Geschäftsverkehrs und der
Vertragsfreiheit allgemein bedeuten würde.
13. Zu Artikel 1 (§ 312c BGB) ,
Artikel 4 (§ 41 Absatz 1 Satz 1 EEG)
Der Bundesrat weist auf seinen Gesetzentwurf vom 12. Mai 2017, BR-Drucksache
181/17 (Beschluss), hin und bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die
dort vorgeschlagene generelle Bestätigungslösung für telefonisch von Unternehmern
gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern zum Zweck der Werbung
angebahnte Fernabsatzverträge durch Ergänzung des § 312c BGB einzuführen.
Begründung:
Eine Begrenzung der sogenannten Bestätigungslösung lediglich auf den Energiebereich,
wie in Artikel 4 vorgesehen, löst aus Verbrauchersicht nicht das
Problem unerlaubter Telefonwerbung und untergeschobener Verträge. Nur eine
nicht branchenspezifische Bestätigungslösung kann eine möglichst weitreichende
Rechtssicherheit und Klarheit über den Vertragsschluss für die Verbraucher
erzeugen. Mit dem zuletzt vom Bundesrat im Mai 2017 eingebrachten
Vorschlag der generellen Bestätigungslösung soll die Wirksamkeit von Vertragsschlüssen,
die auf Grund von ungebetenen Werbeanrufen zustande kommen,
an eine ausdrückliche und formgerechte Bestätigung des Verbrauchers
geknüpft werden (sogenannte Bestätigungslösung). Danach sollte § 312c BGB
insoweit ergänzt werden, dass es zur Wirksamkeit eines telefonisch geschlossenen
Fernabsatzvertrages der Genehmigung des Vertrags durch den Verbraucher
in Textform bedarf, nachdem der Unternehmer, vorrangig nach Beendigung
des Telefonats, ihm sein Angebot auf einem dauerhaften Datenträger zur
Verfügung gestellt hat. Dies gilt nicht, wenn das Telefonat nicht von dem Unternehmer
oder einer in seinem Namen oder Auftrag handelnden Person zum
Zwecke der Werbung veranlasst worden ist. Ziel ist es, Verbraucher vor über-
...
AV
Empfehlungen, 18/1/21 - 12 -
rumpelnden Situationen zu schützen und untergeschobene Verträge zu verhindern.
Denn anders als z. B. im Online-Bereich besteht bei telefonisch vom Unternehmer
angebahnten Fernabsatzverträgen gleich welcher Branche in der Regel
ein gewisses „Überraschungs-Moment“ beim Verbraucher. Daher sind sich
in vielen Fällen die Verbraucher nicht bewusst bzw. erscheint unklar, ob überhaupt
telefonisch ein Vertrag abgeschlossen wurde. Den anschließenden Zahlungsaufforderungen
geben die Verbraucher auf Druck häufig nach, ohne über
die rechtliche Situation vollständig im Bilde zu sein. Eine generelle Bestätigungslösung
könnte hier Klarheit und Rechtssicherheit schaffen.
Es ist zudem zu befürchten, dass sich bei einer lediglich sektoriellen Bestätigungslösung
die telefonischen Aktivitäten verstärkt in einen anderen Bereich
verlagern, der dann wiederum speziell geregelt werden müsste bzw. sollte.
Nicht nur deshalb erscheint es sinnvoll, durch Einführung der generellen Bestätigungslösung
unerlaubte Telefonwerbung in allen Bereichen langfristig einzudämmen.
14. Zu Artikel 1 Nummer 3a – neu – (§ 312i Absatz 1 Satz 1 Nummer 3
Satz 2 BGB)
In Artikel 1 ist nach der Nummer 3 folgende Nummer 3a einzufügen:
‚3a. § 312i Absatz 1 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 Nummer 3 werden nach dem Wort „Bestellung“ die Wörter
„und nach Vertragsschluss für das Vertragsverhältnis relevanten
Erklärungen, insbesondere Kündigung, Widerruf und der Geltendmachung
von Rechten aus dem Vertragsverhältnis (vertragsrelevante
Erklärungen),“ eingefügt.
b) In Satz 2 werden nach dem Wort „Bestellung“ die Wörter „ , vertragsrelevante
Erklärungen“ eingefügt.‘
Begründung:
Für Verbraucher besteht in einigen Fällen das Problem, dass sie auf vertragsrelevante
Erklärungen wie Kündigung, Widerruf oder die Geltendmachung von
vertraglichen Ansprüchen weder eine Zugangsbestätigung noch eine sonstige
Äußerung des Unternehmers erhalten oder der Zugang im weiteren Verlauf der
Verhandlungen zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer schlicht bestritten
wird.
Bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr sind aufgrund des elektronischen
Bestellvorgangs geeignete technische Voraussetzungen vorhanden, die
ohne nennenswerten Zusatzaufwand auch zur Einrichtung einer automatisierten
Zugangsbestätigung genutzt werden können. Mit der Einführung einer verpflichtenden
Zugangsbestätigung erhalten Verbraucher mehr Rechtssicherheit
darüber, ob und gegebenenfalls wann ihre vertragsrelevanten Erklärungen den
...
AV
- 13 - Empfehlungen, 18/1/21
Unternehmer erreicht haben. Die Abgabe und der Zugang von vertragsrelevanten
Erklärungen nach Abschluss eines Verbrauchervertrages sind weder in der
Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher noch in der Richtlinie
2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft
abschließend geregelt, so dass insoweit keine Kollision mit unionsrechtlichen
Vorgaben besteht.
15. Zu Artikel 1 Nummer 3a – neu – (§ 312j Absatz 4a – neu – BGB)
In Artikel 1 ist nach Nummer 3 folgende Nummer 3a einzufügen:
‚3a. § 312j wird wie folgt geändert:
a) Nach Absatz 4 wird folgender Absatz eingefügt:
„(4a) Für den Fall, dass die Bestellung eines Verbrauchers nach
Absatz 3 Satz 2 über eine Schaltfläche erfolgt ist und ein Dauerschuldverhältnis
begründet hat, muss der Unternehmer auch für die
Kündigung dieses Dauerschuldverhältnisses eine leicht auffindbare,
barrierefreie, gut lesbare und verständlich beschriebene Schaltfläche
(beschriftet mit dem Wort „Vertrag kündigen“) vorsehen. § 312i Absatz
1 Satz 1 Nummer 3 gilt entsprechend. § 312h bleibt unberührt.“
b) In Absatz 5 Satz 1 wird die Angabe „4“ durch die Angabe „4a“ ersetzt.‘
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Derzeit ist die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen für die Verbraucherinnen
und Verbraucher häufig deutlich schwieriger als deren Abschluss. Sie
können ihre Rechtsgeschäfte im Internet zwar mittels einer Schaltfläche zum
Bestellen, dem sog. „Bestellbutton“ abschließen, es existiert aber keine korrespondierende
niedrigschwellige Kündigungsmöglichkeit. Vielmehr müssen
Verbraucherinnen und Verbraucher erst nach der richtigen, für die Adressierung
von Kündigungen geeigneten E-Mail-Adresse suchen und den Beweis des
Zugangs der Kündigungserklärung antreten, wenn keine Empfangsbestätigung
seitens des Unternehmens verschickt wird.
Da es keine europarechtliche Harmonisierung des Kündigungsprozesses (etwa
über die Verbraucherrechterichtlinie) gibt, können die Unternehmen weitestgehend
selbst die Modalitäten der Kommunikation und damit des digitalen Kündigungsprozesses
bestimmen. Der deutsche Gesetzgeber hat die Formerfordernisse
an eine Kündigung zwar verringert und mit dem Gesetz zur Verbesserung
der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften
des Datenschutzrechts vom 17. Februar 2016 (BGBl. S. 233) klargestellt, dass
...
AV
Empfehlungen, 18/1/21 - 14 -
auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Anzeigen und Erklärungen wie
die einer Kündigung keine strengere Form als die Textform vorgesehen werden
darf. Diese gesetzlichen Anpassungen haben jedoch die praktischen Probleme
der Kündigungserklärung und deren Zugangs nicht gelöst.
Durch die Einführung einer mit dem Bestellvorgang korrespondierenden
Pflicht der Unternehmen, für den Kündigungsvorgang (ebenfalls) eine leicht
auffindbare, barrierefreie, gut lesbare und verständlich beschriebene Schaltfläche
vorzusehen, wird der Aufwand, bestehende nicht mehr gewünschte Langzeitverträge
zu kündigen, deutlich gesenkt.
Die gesetzliche Festlegung einer verpflichtenden Empfangsbestätigung für die
Kündigungserklärung verschafft Verbraucherinnen und Verbrauchern auch
mehr Rechtssicherheit. Beide Neuregelungen beseitigen das derzeit im Kündigungsprozess
bestehende strukturelle Ungleichgewicht.
Zu Buchstabe b:
Folgeänderung zu Buchstabe a.
16. Zu Artikel 2 (Artikel 229 § … EGBGB)
In Artikel 2 ist in Artikel 229 § … [einsetzen: nächste bei der Verkündung freie
Zählbezeichnung] wie folgt zu fassen:
„§ … [einsetzen: nächste bei der Verkündung freie Zählbezeichnung]
Übergangsvorschrift zum Gesetz für faire Verbraucherverträge
(1) § 309 Nummer 9 Buchstabe b und c des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet
auf ein Schuldverhältnis, das vor dem … [einsetzen: Datum des Inkrafttretens
nach Artikel 5 Satz 2 dieses Gesetzes] entstanden ist, ab dem … [einsetzen:
Datum des ersten Tages nach Ablauf von 18 Monaten nach Inkrafttreten dieses
Gesetzes gemäß Artikel 5 Satz 2] in Ansehung der Voraussetzungen stillschweigender
Verlängerungen des Vertragsverhältnisses ab diesem Tag sowie
von Kündigungen, die ab diesem Tag ausgesprochen werden, Anwendung. Zur
Anpassung bestehender Schuldverhältnisse kann der Verwender die beabsichtigte
Änderung der Vertragsbedingungen spätestens einen Monat vor dem vorgeschlagenen
Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform anbieten. Die Zustimmung
des Vertragspartners zur Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
durch den Verwender gilt als erteilt, wenn dieser dem Verwender seine
Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der
Änderung angezeigt hat. Der Verwender hat den Vertragspartner auf die Folgen
seines Schweigens hinzuweisen.
(2) Im Übrigen finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf
...
- 15 - Empfehlungen, 18/1/21
ein Schuldverhältnis, das vor dem … [einsetzen: Datum des Inkrafttretens nach
Artikel 5 Satz 2 dieses Gesetzes] entstanden ist, in der bis zu diesem Tag geltenden
Fassung Anwendung.“
Begründung:
Ausweislich der Gesetzesbegründung soll durch die geplante Beschränkung
von Laufzeitvereinbarungen bei bestimmten Dauerschuldverhältnissen die
Wahlfreiheit der Verbraucher gestärkt und der Wettbewerb gefördert werden.
Diese Zielsetzung lässt sich indes kurz- sowie mittelfristig nicht in ausreichendem
Maße erreichen, wenn zwar Neuverträge, nicht jedoch auch Bestandsverträge
von dem Anwendungsbereich des § 309 Nummer 9 BGB-E erfasst würden.
Daher lässt sich die Position der Verbraucher lediglich dann signifikant
stärken, wenn Bestandsverträge jedenfalls im Bereich der stillschweigenden
Vertragsverlängerung sowie Kündigung von der geplanten Änderung des
AGB-Rechts profitieren.
Die im Sinne einer teilweisen unechten Rückwirkung vorgeschlagene Fassung
des Artikel 229 § … Absatz 1 EGBGB, dessen Rechtsfolgen lediglich Vertragsverlängerungen
und Kündigungen nach dem Stichtag betreffen, steht hierbei
auch im Einklang mit den geltenden verfassungsrechtlichen Grundsätzen.
So handelt es sich bei den in § 309 Nummer 9 BGB genannten Dauerschuldverhältnissen
gerade nicht um vergangene oder abgeschlossene Sachverhalte,
da ihnen typischerweise die Möglichkeit einer stillschweigenden Vertragsverlängerung
respektive Kündigung innewohnt, die Fortsetzung des jeweiligen
Vertragsverhältnisses mithin allein vom Willen des Verbrauchers abhängig und
somit ungewiss ist. Dementsprechend fehlt es nach Ablauf der anfänglichen
Vertragslaufzeit an einer gesicherten Rechtsposition des Unternehmers, welche
der vorgeschlagenen Fassung des Artikel 229 § ... EGBGB unter dem Blickwinkel
des Vertrauensschutzes entgegenstehen könnte.
Die vorgeschlagene Übergangsregelung in Artikel 229 § … Absatz 1 Satz 1
EGBGB gewährleistet ausreichend Zeit für die Umstellung der Vertragsbedingungen
und gibt den Unternehmen die notwendige Planungssicherheit. Zudem
ist zu berücksichtigen, dass die betroffenen Unternehmen ohnehin verpflichtet
sind, ihre Vertragsbedingungen und Kommunikationsprozesse für Neuverträge
umzustellen, sofern sie an dem Modell automatischer Vertragsverlängerungen
festhalten wollen. Bei einer Einbeziehung von Bestandsverträgen ist daher
nicht mit einem erheblichen Mehraufwand zu rechnen. Schließlich soll Artikel
229 § … Absatz 1 Satz 2 und 3 EGBGB durch eine an die Vorschrift des
§ 675g Absatz 1 und 2 BGB angelehnte Regelung die notwendigen Rahmenbedingungen
für die Anpassung bestehender Schuldverhältnisse an die neue
Rechtslage schaffen.
...
Wi
bei
Annahme
entfällt
Ziffer 19
R
Empfehlungen, 18/1/21 - 16 -
17. Zu Artikel 3 Nummer 1 (§ 7a UWG)
Artikel 3 Nummer 1 ist zu streichen.
Begründung:
Bei der Vorschrift handelt es sich um eine neue Dokumentationspflicht für Unternehmen,
die nicht zu mehr Verbraucherschutz führt. Denn schon heute ist
Telefonwerbung ohne nachweisliche vorherige Einwilligung durch den Verbraucher
verboten. Dabei obliegt dem Unternehmen die Beweispflicht für die
Einwilligung des Verbrauchers zur Telefonwerbung. Die bisherigen Regelungen
wurden lediglich nicht ausreichend durchgesetzt, weshalb sie von manchen
Unternehmen schlicht missachtet wurden. Auch eine Dokumentationspflicht
wird die Verbraucher vor diesen Unternehmen nicht schützen. Darüber hinaus
erscheint es fraglich, ob eine neue bußgeldbewehrte fünfjährige Dokumentationspflicht
für Unternehmen mit dem Grundsatz der Datensparsamkeit vereinbar
ist.
18. Zu Artikel 4 (§ 41 Absatz 1 Satz 1 EnWG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die in
§ 41 Absatz 1 Satz 1 EnWG vorgesehene Bestätigungslösung nicht nur im Bürgerlichen
Gesetzbuch verortet und auf alle Fernabsatzverträge erweitert werden
sollte, sondern inwieweit darüber hinaus auch weitere, außerhalb von Geschäftsräumen
geschlossene Verträge hiervon erfasst werden sollten.
Begründung:
Das Gesetzesvorhaben sollte Anlass sein, eingehend zu prüfen, ob über die
Einführung eines Textformerfordernisses für den Abschluss von Energielieferverträgen
hinausgehend, eine echte Bestätigungslösung, deren Anwendungsbereich
deutlich weiter wäre, im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt werden sollte.
Dabei wird nicht übersehen, dass mit dem im vorliegenden Entwurf eingeschlagenen
Weg bewusst eine Beschränkung auf Verträge der Energiebranche
(wenn auch dort unabhängig vom Vertriebsweg) vorgenommen wurde. In der
Tat liegt in diesem Bereich – ausweislich der Entwurfsbegründung (Seite 9) –
ein Schwerpunkt, wie die Anzahl der Beschwerden wegen Anrufen von Energielieferanten
oder von diesen beauftragten Dienstleistern, die die Verbraucherin
oder den Verbraucher zu einem Wechsel des Energielieferanten bewegen
wollen, zeigen.
Gleichwohl besteht das Grundproblem nicht nur auch bei anderen Vertragstypen
oder begrenzt auf Fernabsatzgeschäfte, sondern bei allen außerhalb von
Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Deshalb sollte auch insoweit ge-
...
AV
entfällt
bei
Annahme
von
Ziffer 17
- 17 - Empfehlungen, 18/1/21
prüft werden, inwieweit hier weitere Vertragsarten – zumindest bestimmte
Dauerschuldverhältnisse – von einer Bestätigungslösung erfasst werden sollten.
Zum Gesetzentwurf insgesamt
Zu Artikel 1 (Änderung des BGB),
Artikel 3 (§§ 7a, 20 UWG),
Artikel 4 (§ 41 Absatz 1 Satz 1 EnWG)
19. a) Der Bundesrat befürwortet ausdrücklich die geplante Einführung einer bußgeldbewährten
Dokumentations-, Aufbewahrungs- und Nachweispflicht für
telefonisch werbende Unternehmen bezüglich der erteilten Einwilligungen
der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Telefonwerbung.
20. b) Der Bundesrat sieht in der geplanten Einführung eines Textformerfordernisses
für telefonisch abgeschlossene Fernabsatzverträge mit Strom- und
Gaslieferungsunternehmen einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Verbraucherinnen
und Verbraucher vor ungewollten Verträgen bzw. Vertragskonditionen
in der Energiebranche.
21. c) Der Bundesrat hält jedoch eine sektorielle Beschränkung der sog. Bestätigungslösung
auf die Energiebranche für unzureichend. Er gibt zu bedenken,
dass ein verbesserter Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor
aufgedrängten oder untergeschobenen Verträgen auch in anderen Branchen
notwendig ist (z.B. zum Schutz vor sogenannten Abo-Fallen im Zusammenhang
mit der Bestellung von Zeitschriften).
...
Empfehlungen, 18/1/21 - 18 -
22. d) Der Bundesrat gibt darüber hinaus zu bedenken, dass ein gesetzliches Textformerfordernis
neben den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch die
Unternehmen davor schützen würde, etwaige Missverständnisse über den
Abschluss eines Vertrags und die detaillierten Vertragskonditionen frühestmöglich,
d.h. noch vor Wirksamwerden und Erfüllung des Vertrags
(z.B. durch Beauftragung eines Speditionsunternehmens mit der Lieferung),
zu vermeiden. Eine vorvertragliche Beseitigung von Missverständnissen
liegt nicht nur im Interesse der Vertragsparteien, denen Kosten und Ärger
erspart bleiben, sondern auch im gesamtwirtschaftlichen und ökologischen
Gemeininteresse. Hierdurch ließen sich in erheblichem Umfang unnötige
Transporte und damit der Ausstoß umwelt- und klimaschädlicher Abgase
vermeiden. Aus diesen Gründen spricht sich der Bundesrat für die Einführung
einer möglichst umfassenden Bestätigungslösung aus, die - neben den
Dauerschuldverhältnissen - auch Verträge über Einmalleistungen sowie Geschäfte
außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne von § 312 b BGB einbezieht
und im Grundsatz auch dann gelten sollte, wenn der Anruf von den
Verbraucherinnen und Verbrauchern ausgeht.
23. e) Der Bundesrat bittet daher im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen,
wie ein umfassender und effizienter Verbraucherschutz erreicht werden
kann. In diesem Zusammenhang wird insbesondere um Prüfung gebeten,
aa) den Regelungsvorschlag zu Artikel 4 durch eine branchenübergreifende
gesetzliche Regelung im BGB zu ersetzen bzw. zu erweitern,
bb) eine gesetzliche Regelung nicht nur für Dauerschuldverhältnisse, sondern
auch für Verträge über Einmalleistungen zu schaffen,
cc) das Textformerfordernis auf Verträge zu erstrecken, in denen die Verbraucherin
oder der Verbraucher den Unternehmer angerufen hat,
dd) eine Bestätigungslösung auch für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen
Verträgen im Sinne von § 312b BGB einzuführen,
ee) ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen bei telefonischen Bestellungen
von Gegenständen oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs
(z.B. Lebensmittel-Lieferservice) bis zu einem bestimmten Bestellwert
vom Textformerfordernis sinnvollerweise abgesehen werden sollte und
ff) welche Rechtsfolgen unter Berücksichtigung der Regelung in § 241a
BGB bei Leistungen der Unternehmer trotz Nichtbestätigung des Ver-
...
trags gelten sollen.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
- 19 - Empfehlungen, 18/1/21
Die geplante Einführung einer bußgeldbewährten Dokumentations-, Aufbewahrungs-
und Nachweispflicht für telefonisch werbende Unternehmen (Artikel
3 des Gesetzentwurfs) ist geeignet, illegale Telefonwerbung wirksam und
nachhaltig einzudämmen. Die Dokumentation muss nach § 7a Absatz 1
UWG-E „in angemessener Form“ erfolgen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs
soll zur Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs die Bundesnetzagentur
Hinweise veröffentlichen. Eine Aufbewahrungsfrist von fünf Jahren
und ein Bußgeldrahmen von bis zu 50 000 Euro bei Verstößen gegen die
Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht erscheinen angemessen, um die
Unternehmen zur Einhaltung dieser Pflichten anzuhalten und eine wirksame
behördliche Kontrolle durch die zuständige Bundesnetzagentur zu ermöglichen.
Zu Buchstabe b:
Die geplante Einführung der Bestätigungslösung für den Abschluss von Stromund
Gaslieferungsverträgen (Artikel 4 des Gesetzentwurfs) wird ausdrücklich
begrüßt, da sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern auf dem Gebiet des
Energiesektors einen umfassenden Schutz bietet:
Durch Änderung des § 41 Absatz 1 Satz 1 EnWG soll künftig geregelt werden,
dass Verträge über die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie außerhalb
der Grundversorgung zu ihrer Wirksamkeit der Textform im Sinne von
§ 126b BGB bedürfen. Nach dem Regelungsvorschlag gilt das Textformerfordernis
unabhängig davon, ob der Energielieferungsvertrag telefonisch oder im
Rahmen eines Haustürgeschäftes abgeschlossen wurde. Für den Fall eines telefonischen
Vertragsschlusses soll es zu Recht nicht darauf ankommen, ob der
Anruf zu Werbezwecken vom Unternehmen ausging oder von den Verbraucherinnen
und Verbrauchern getätigt wurde. Bei Nichtwahrung der Textform ist
der Liefervertrag gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Anderweitige Informationspflichten
des Unternehmers, wie beispielsweise nach § 312d BGB, bleiben
von dem Entwurf unberührt. Ein etwaiges Widerrufsrecht der Verbraucherinnen
und der Verbraucher bleibt von der Einführung des Textformerfordernisses
ebenfalls unberührt.
Zu Buchstaben c bis e:
aa) Einführung einer branchenübergreifenden Bestätigungslösung
Nach der Gesetzesbegründung zu Artikel 4 erfolgt die Einführung der
Bestätigungslösung auf dem Energiesektor „zum verbesserten Schutz der
Verbraucher vor aufgedrängten oder untergeschobenen Verträgen mit
Energielieferanten“.
Für die Verbraucherinnen und Verbraucher wäre es jedoch nicht nachvollziehbar,
die Erforderlichkeit einer Genehmigung bzw. Bestätigung
...
Empfehlungen, 18/1/21 - 20 -
eines telefonisch abgeschlossenen Vertrags auf die Energiebranche zu
begrenzen. Denn es liegt auch in anderen Branchen sowohl im Verbraucherinteresse
als auch im Interesse eines fairen wirtschaftlichen Wettbewerbs,
die Verbraucherinnen und Verbraucher vor aufgedrängten oder
untergeschobenen Verträgen zu schützen. So würde etwa eine Geltung
der Bestätigungslösung auch im Zeitschriftenmarkt, einen wirksameren
Verbraucherschutz vor sogenannten Abo-Fallen ermöglichen.
Eine Bestätigungslösung sollte zudem nicht nur den Schutz vor unseriösen
Unternehmen zum Ziel haben, sondern darüber hinausgehen. Denn
auch im Zusammenhang mit Anrufen von oder bei seriösen Unternehmen
kommt es häufig zu Missverständnissen über den Abschluss eines Vertrags
oder die besprochenen Vertragskonditionen. Derartige Missverständnisse
treten vor allem bei Verträgen mit komplexeren Vertragsinhalten
sowie bei der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
auf und lassen sich vermeiden, indem sich die Verbraucherinnen und
Verbraucher die Vertragskonditionen noch vor Wirksamwerden des Vertrags
in Ruhe durchzulesen und bei offenen Fragen oder festgestellten
Missverständnissen eine Klärung mit dem Unternehmer herbeiführen.
bb) keine Beschränkung der Bestätigungslösung auf Dauerschuldverhältnisse
Das Textformerfordernis sollte nicht nur für Dauerschuldverhältnisse,
sondern grundsätzlich auch für Verträge über Einmalleistungen gelten.
Denn Verträge über Einmalleistungen enthalten häufig ebenfalls komplexe
Vertragskonditionen und Allgemeine Geschäftsbedingungen, die am
Telefon nicht im Details besprochen oder den Verbraucherinnen und
Verbrauchern gegenüber nur unpräzise oder missverständlich formuliert
wurden. Komplexe Vertragsgestaltungen finden sich beispielsweise bei
Leistungen von Reiseveranstaltern, Bestellungen von Möbeln und Einrichtungsgegenständen,
Käufen von elektronischer Hard- und Software
und aufwendiger technischer Geräte sowie bei Verträgen mit Handwerkern
über Bauleistungen, Einzelanfertigungen und Reparaturen. Die Verbraucherinnen
und Verbraucher sind bei Missverständnissen über den detaillierten
Vertragsinhalt durch das gesetzliche Widerrufsrecht bislang
nicht hinreichend geschützt. Die für Fernabsatzverträge bestehenden gesetzlichen
Regelungen zum Widerrufsrecht (§ 312g Absatz 1, § 355
BGB) und zur Verpflichtung des Unternehmers zur Verfügungstellung
des Vertragsinhalts auf einem dauerhaften Datenträger innerhalb einer
angemessenen Frist nach Vertragsschluss (§ 312f Absatz 2 Satz 1 BGB)
setzen einen wirksamen Vertrag voraus und sind daher nur unzureichend
geeignet, Missverständnisse über den telefonisch vereinbarten Vertragsinhalt
noch vor Wirksamwerden des Vertrags möglichst beweissicher
auszuschließen.
Für eine Ausweitung des Textformerfordernisses auf Verträge über Einmalleistungen
spricht darüber hinaus ein volkswirtschaftliches und ökologisches
Gemeininteresse an der Reduzierung von Transportfahrten. Eine
umfassende Bestätigungslösung begründet zudem die Erwartung, dass
künftig weniger Verbraucherinnen und Verbraucher von ihrem gesetzlichen
Widerrufsrecht Gebrauch machen, weil sie den Vertragsinhalt in
...
- 21 - Empfehlungen, 18/1/21
Textform in der sorgfältig prüfen können und im Regelfall geprüft haben.
cc) Bestätigungslösung auch bei Anrufen der Verbraucherinnen und Verbraucher
Aus den unter b genannten Gründen sollte es für die Geltung der Bestätigungslösung
auch nicht - wie in dem Beschluss des Bundesrats in der
BR-Drucksache 181/17 (Beschluss) seinerzeit vorgeschlagen - darauf ankommen,
ob der Anruf vom Unternehmer ausging und zu Werbezwecken
erfolgte:
Zwar ist im Regelfall ein Überrumpelungseffekt bei unerwarteten Werbeanrufen
von Unternehmen gegeben. Verbraucherinnen und Verbraucher
sollten aber auch vor Überrumpelungen geschützt werden, wenn der
Anruf von ihnen ausgeht. Denn in der Praxis rufen die Verbraucherinnen
und Verbraucher häufig nach Ansicht von Werbeprospekten an, die sie
im Briefkasten oder als E-Mail unbestellt erhalten haben. In solchen Fällen
ist oft ein ähnlicher Überrumpelungseffekt gegeben, wenn rhetorisch
geschulte Verkäufer nach Wahl einer „Hotline“ die Verbraucherinnen
oder Verbraucher zum Kauf nicht gewollter bzw. benötigter Produkte
animieren. Darüber hinaus sollte bedacht werden, dass sich im Streitfall
oft nicht beweisen lässt, ob der Anruf vom Unternehmen oder der Verbraucherin
bzw. dem Verbraucher ausging. Da die in § 7a UWG-E geplante
Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht nur die Einwilligung
in die Telefonwerbung nicht aber auch eine Dokumentation der einzelnen
Anrufe beinhaltet, lassen sich diese Fragen in der Praxis nur schwer beweisen.
Somit ließen sich durch eine Einbeziehung der Bestelleranrufe in
die Bestätigungslösung auch viele Rechtsstreitigkeiten vermeiden.
dd) Bestätigungslösung auch bei Haustürgeschäften
Das Textformerfordernis sollte nicht nur für Fernabsatzverträge im Sinne
von § 312c BGB, sondern auch für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene
Verträge im Sinne von § 312b BGB gelten. Hier besteht in
gleicher Weise eine Überrumpelungsgefahr und ein Bestätigungsbedürfnis
des mündlich besprochenen Vertragsinhalts. Deshalb sollte auch für
sogenannte Haustürgeschäfte neben dem gesetzlichen Widerrufrechts die
Bestätigung in Textform vorgeschrieben werden.
ee) Ausnahmeregelung für Gegenstände und Dienstleistungen des täglichen
Bedarfs
Der Bundesrat spricht sich für eine branchenübergreifende gesetzliche
Regelung aus, die einerseits einen effizienten Verbraucherschutz bietet
und andererseits dem praktischen Bedürfnis nach einer möglichst einfachen
Vertragsabwicklung bei Geschäften des täglichen Lebens gerecht
wird. Ziel sollte die Einführung einer möglichst umfassenden Bestätigungslösung
sein. Zutreffend wird in der Begründung zu Artikel 4 des
Gesetzentwurfs ausgeführt, dass das Textformerfordernis der heute bestehenden
Vielfalt an Kommunikationsmitteln gerecht wird und keine
unverhältnismäßige Erschwernis des Geschäftsverkehrs bedeutet. Dem
Textformerfordernis nach § 126b BGB kann auf vielfältige Weise (z.B.
per E-Mail oder Telefax) Genüge getan werden, so dass ein unzumutba-
...
Empfehlungen, 18/1/21 - 22 -
rer hoher administrativer Aufwand für die Unternehmen nicht zu befürchten
ist.
Andererseits werden täglich unzählige Bestellungen von Waren und
Dienstleistungen des täglichen Bedarfs telefonisch vorgenommen. In solchen
Fällen sind die Verbraucherinnen und Verbraucher innerhalb einer
angemessenen Bagatellgrenze weniger schutzbedürftig. Die Bundesregierung
wird daher um Prüfung einer praxistauglichen Ausnahmeregelung
gebeten. In diesem Zusammenhang sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren
geprüft und dargelegt werden, unter welchen Voraussetzungen bei
Bestellungen oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs (z.B. Lebensmittel-Lieferservice)
bis zu einem bestimmten Bestellwert von einem
Textformerfordernis abgesehen werden kann. Hinsichtlich der Bestellungen
und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs ist im Interesse der Vertragsparteien
eine rechtssichere gesetzliche Definition erforderlich (etwa
durch eine abschließende Regelung von Fallgruppen). Zusätzlich sollte
der Ausnahmetatbestand durch Regelung eines maximalen Bestellwerts
begrenzt werden, der zum Beispiel bei 100 Euro inklusive der gesetzlichen
Mehrwertsteuer liegen könnte.
ff) Rechtsfolgen bei Leistung der Unternehmer bei unterbliebener Vertragsbestätigung
Kommt der Vertrag mangels Bestätigung nicht zustande, so sollten die
sich daraus ergebenden Rechtsfolgen rechtssicher und verbraucherschützend
geregelt werden. Dabei sollte insbesondere geprüft werden, ob und
ggf. unter welchen Voraussetzungen die für die Zusendung unbestellter
Waren geltende Regelung in § 241a BGB auf Leistungen von Unternehmern
Anwendung findet.