Bundesrat Drucksache 147/21
Gesetzentwurf
der Bundesregierung
12.02.21
R - In
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches -
Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im
Internet und des Bereitstellens entsprechender Server-
Infrastrukturen
A. Problem und Ziel
Das Internet hat den Austausch von Waren und Dienstleistungen in vielerlei Hinsicht vereinfacht.
Handelsplattformen sind von nahezu überall auf der Welt rund um die Uhr erreichbar.
Sie bieten Kunden, Händlern und Betreibern komfortable und attraktive Möglichkeiten.
Es finden sich allerdings nicht nur Plattformen mit rechtmäßigen Angeboten, sondern
auch solche, auf denen verbotene Gegenstände und Dienstleistungen und selbst
Menschen zum Zwecke der Ausbeutung gehandelt werden. Solche kriminellen Plattformen
spielen für bestimmte Deliktsfelder eine immer zentralere Rolle. Das Angebot auf
diesen kriminellen Plattformen umfasst neben Menschen unter anderem Betäubungsmittel,
Waffen, Falschgeld, gefälschte Ausweise und gestohlene Kreditkartendaten. Der
Handel mit verbotener Pornografie wie beispielsweise Kinderpornografie erfolgt vielfach
auf eigens dafür geschaffenen Plattformen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen die
Möglichkeit haben, diesem Phänomen konsequent und effektiv zu begegnen.
Die strafrechtliche Erfassung solcher Sachverhalte kann im Einzelfall rechtliche Probleme
bergen. So ist das geltende Strafrecht zwar grundsätzlich geeignet, Fälle des Handels mit
Menschen sowie inkriminierten Waren und Dienstleistungen angemessen zu erfassen.
Denn es gibt einerseits entsprechende strafrechtliche Vorschriften (zum Beispiel den
Straftatbestand des Menschenhandels) sowie spezialgesetzliche Verbote des Handels mit
bestimmten Waren (so zum Beispiel im Waffengesetz oder im Betäubungsmittelgesetz).
Andererseits greift bei Personen, die einer anderen Person zu deren vorsätzlich begangenen
rechtswidrigen Tat Hilfe leisten, die Vorschrift zur Beihilfe (§ 27 des Strafgesetzbuches
– StGB). In den Fällen, in denen eine Handelsplattform vollautomatisiert betrieben
wird, kann auf diesem Weg allerdings nicht jeder Sachverhalt erfasst werden. Dies gilt
insbesondere dann, wenn die plattformbetreibende Person durch die Vollautomatisierung
keine Kenntnis davon nehmen muss, welche konkreten Waren oder Dienstleistungen auf
der Plattform gehandelt werden, obschon diese auf den Handel von inkriminierten Waren
oder Dienstleistungen ausgerichtet ist. In diesen Fällen können die Regelungen zur Beihilfe
nicht ausreichen, da sie eine Kenntnis der Haupttat zumindest in ihren wesentlichen
Merkmalen voraussetzen. Insoweit ist die bisherige strafrechtliche Konstruktion von
Täterschaft und Teilnahme nicht immer geeignet, diese Formen der Kriminalität im Be-
Fristablauf: 26.03.21
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln
Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0720-2946
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Drucksache 147/21 -2-
reich des Internets angemessen zu erfassen. Daher bedarf es einer Ergänzung der strafrechtlichen
Regelungen.
B. Lösung
Der Entwurf sieht die Einführung eines neuen Straftatbestands des Betreibens krimineller
Handelsplattformen im Internet vor. Damit können zukünftig auch die oben beschriebenen
Fälle angemessen erfasst werden. Der Straftatbestand soll dabei ausschließlich Plattformen
erfassen, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von bestimmten Straftaten
zu ermöglichen oder zu fördern. Diese Straftaten sind in einem Katalog abschließend
aufgeführt. Daneben wird auch ein Straftatbestand für das wissentliche oder absichtliche
Bereitstellen von Server-Infrastrukturen für entsprechende Handelsplattformen
geschaffen. Für Fälle, in denen der Täter die Handelsplattform gewerbs- oder bandenmäßig
betreibt, oder wenn der Täter weiß oder es ihm gerade darauf ankommt, dass sich der
Zweck der Handelsplattform darauf bezieht, Verbrechen zu ermöglichen oder zu fördern,
sieht die Regelung Qualifikationstatbestände vor. Neben der Einführung der neuen Straftatbestände
sollen zugleich effektive Ermittlungsmöglichkeiten zur Aufklärung der vorgenannten
Straftaten geschaffen werden. Dazu sollen die Qualifikationstatbestände in die
Straftatenkataloge der Telekommunikationsüberwachung, der Onlinedurchsuchung und
der Verkehrsdatenerhebung aufgenommen werden, so dass alle an diese Kataloge anknüpfenden
Ermittlungsmöglichkeiten grundsätzlich eröffnet werden.
C. Alternativen
Die Alternative wäre die Beibehaltung des bisherigen, als unbefriedigend empfundenen
Rechtszustands.
Einen alternativen Regelungsvorschlag zu der hier vorgeschlagenen Ergänzung des StGB
enthält der am 18. Januar 2019 vom Bundesrat beschlossene Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes
– Einführung einer eigenständigen Strafbarkeit für das Betreiben
von internetbasierten Handelsplattformen für illegale Waren und Dienstleistungen
(Bundesratsdrucksache 33/19 – Beschluss). Die Bundesregierung teilt zwar dessen Zielsetzung,
diese wird jedoch auf dem hier vorgeschlagenen Weg besser umgesetzt, unter
anderem weil auch solche Handelsplattformen erfasst werden, deren Zugang und Erreichbarkeit
nicht durch besondere technische Vorkehrungen beschränkt werden.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Keiner.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Keiner.
F. Weitere Kosten
-3- Drucksache 147/21
Mehraufwand im justiziellem Kernbereich kann in geringem Umfang in den Ländern entstehen
Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf
die Verbraucherpreise, sind nicht zu erwarten.
Bundesrat Drucksache 147/21
Gesetzentwurf
der Bundesregierung
12.02.21
R - In
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches -
Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im
Internet und des Bereitstellens entsprechender Server-
Infrastrukturen
Bundesrepublik Deutschland Berlin, 12. Februar 2021
Die Bundeskanzlerin
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Reiner Haseloff
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der
Bundesregierung beschlossenen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches –
Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im
Internet und des Bereitstellens entsprechender Server-Infrastrukturen
mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 26.03.21
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Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit
des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet und
des Bereitstellens entsprechender Server-Infrastrukturen 1)
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches
Drucksache 147/21
Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998
(BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 47 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020
(BGBl. I S. 3096) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsṳbersicht werden die Angaben zu den §§ 127 und 128 wie folgt gefasst:
„§ 127 Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet; Bereitstellen von Server-Infrastrukturen
§ 128 Bildung bewaffneter Gruppen“.
2. § 5 Nummer 5a wird wie folgt geändert:
a) In Buchstabe a wird das Wort „und“ am Ende gestrichen.
b) Nach Buchstabe a wird folgender Buchstabe b eingefügt:
„b) in den Fällen des § 127, wenn der Zweck der Handelsplattform darauf ausgerichtet
ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Inland zu ermöglichen
oder zu fördern und der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage
im Inland hat, und“.
c) Der bisherige Buchstabe b wird Buchstabe c.
3. Nach § 126 wird folgender § 127 eingefügt:
„§ 127
Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet; Bereitstellen von Server-
Infrastrukturen
(1) Wer eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet
ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermö glichen oder zu fö rdern,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat
nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Ebenso wird bestraft,
1)
Notifiziert gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und
der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1).
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wer absichtlich oder wissentlich eine Server-Infrastruktur für eine Tat nach Satz 1 bereitstellt.
Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind
1. Verbrechen,
2. Vergehen nach
a) den §§ 86, 86a, 91, 130, 147 und 148 Absatz 1 Nummer 3, den §§ 149,
152a, 152b und 176a Absatz 2, § 176b Absatz 2, § 180 Absatz 2, § 184b
Absatz 1 Satz 2, § 184c Absatz 1, § 184l Absatz 1 und 3, den §§ 202a, 202b,
202c, 202d, 232 und 232a Absatz 1, 2, 5 und 6, § 232b Absatz 1, 2 und 4 in
Verbindung mit § 232a Absatz 5 sowie den §§ 233, 233a, 236, 259, 260,
263, 263a, 267, 269, 275, 276, 303a und 303b,
b) § 4 Absatz 1 bis 3 des Anti-Doping-Gesetzes,
c) § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, und Absatz
2 sowie 3 des Betä ubungsmittelgesetzes,
d) § 19 Absatz 1 bis 3 des Grundstoffṳberwachungsgesetzes,
e) § 4 Absatz 1 und 2 des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes,
f) § 95 Absatz 1 bis 3 des Arzneimittelgesetzes,
g) § 52 Absatz 1 Nummer 1 und 2 Buchstabe b und c, Absatz 2 und 3 Nummer
1 und 7 sowie Absatz 5 und 6 des Waffengesetzes,
h) § 40 Absatz 1 bis 3 des Sprengstoffgesetzes,
i) § 13 des Ausgangsstoffgesetzes,
j) den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes sowie
k) den §§ 51 und 65 des Designgesetzes.
(2) Handelsplattform im Internet im Sinne dieser Vorschrift ist jede virtuelle Infrastruktur
im frei zugänglichen wie im durch technische Vorkehrungen zugangsbeschränkten
Bereich des Internets, die Gelegenheit bietet, Menschen, Waren, Dienstleistungen
oder Inhalte (§ 11 Absatz 3) anzubieten oder auszutauschen.
(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt,
die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer bei
der Begehung einer Tat nach Absatz 1 Satz 1 beabsichtigt oder weiß, dass die Handelsplattform
im Internet den Zweck hat, Verbrechen zu ermöglichen oder zu fördern.“
4. Der bisherige § 127 wird § 128.
5. In § 129 Absatz 5 Satz 3 werden die Wörter „§ 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe
a, c, d, e und g bis m“ durch die Wörter „§ 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b,
d bis f und h bis n“ und die Wörter „§ 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe g“ durch
die Wörter „§ 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h“ ersetzt.
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Artikel 2
Änderung der Strafprozessordnung
Drucksache 147/21
Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987
(BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 49 des Gesetzes vom 21. Dezember
2020 (BGBl. I S. 3096) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In § 100a Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe d werden nach dem Wort „nach“ die Wörter
„§ 127 Absatz 3 und 4 sowie“ eingefügt.
2. § 100b Absatz 2 Nummer 1 wird wie folgt geändert:
a) Nach Buchstabe a wird folgender Buchstabe b eingefügt:
„b) Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet in den Fällen des § 127
Absatz 3 und 4, sofern der Zweck der Handelsplattform im Internet darauf
ausgerichtet ist, in Nummer 1 Buchstabe a sowie c bis n und den Nummern
2 bis 7 genannte besonders schwere Straftaten zu ermöglichen oder
zu fördern,“.
b) Die bisherigen Buchstaben b bis m werden die Buchstaben c bis n.
3. § 100g Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 wird wie folgt geändert:
a) Buchstabe b wird durch die folgenden Buchstaben b und c ersetzt:
„b) besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs nach § 125a sowie Betreiben
krimineller Handelsplattformen im Internet in den Fällen des § 127
Absatz 3 und 4,
c) Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 Absatz 1 in Verbindung mit
Absatz 5 Satz 3 sowie Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129a
Absatz 1, 2, 4, 5 Satz 1 erste Alternative, jeweils auch in Verbindung mit
§ 129b Absatz 1,“.
b) Die bisherigen Buchstaben c bis h werden die Buchstaben d bis i.
Artikel 3
Einschränkung von Grundrechten
Durch Artikel 2 Nummer 1 und 3 wird das Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 des
Grundgesetzes) eingeschränkt. Durch Artikel 2 Nummer 2 wird die Unverletzlichkeit der
Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
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Artikel 4
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am … [einsetzen: Datum des ersten Tages des auf die Verkündung
folgenden Quartals] in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
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I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Drucksache 147/21
Das Internet hat den Austausch von Waren und Dienstleistungen in vielerlei Hinsicht vereinfacht.
Handelsplattformen sind von nahezu überall auf der Welt rund um die Uhr erreichbar.
Sie bieten Kunden, Händlern und Betreibern komfortable und attraktive Möglichkeiten.
Es finden sich allerdings nicht nur Plattformen mit rechtmäßigen Angeboten, sondern
auch solche, auf denen verbotene Gegenstände und Dienstleistungen sowie Menschen,
insbesondere Frauen, Kinder und Jugendliche zum Zwecke der Ausbeutung verkauft
und getauscht werden. Dabei unterscheiden sich diese Plattformen in der technischen
Art und Struktur von solchen redlicher Art nicht oder nur unerheblich. So bietet die
plattformbetreibende Person eine Infrastruktur, auf der die Händler ihre Waren einstellen
und die Kunden diese erwerben können. Der Betreiber erzielt häufig über Provisionsregelungen
Einnahmen und finanziert so die von ihm zur Verfügung gestellte technische Infrastruktur.
Dabei kommen auch vollautomatisierte Plattformen zur Anwendung, bei denen
das Einpflegen von Waren und Dienstleistungen in den virtuellen Marktplatz durch den
Händler erfolgt, ohne dass der Betreiber eine manuelle Freischaltung des Angebots
durchführen muss. In diesen Fällen hat die plattformbetreibende Person nicht zwingend
konkrete Kenntnis von den auf der Plattform gehandelten Waren und Dienstleistungen.
Dies entspricht bei Plattformen, auf denen inkriminierte Waren verkauft oder getauscht
werden können, auch dem Geschäftsmodell der betreibenden Person. Denn dieser geht
es darum, möglichst viele Transaktionen über die Infrastruktur abzuwickeln, um hohe Provisionserlöse
zu erzielen. Was auf der Plattform gehandelt wird, muss für die betreibende
Person nicht von Belang sein. So werden auf solchen Plattformen neben Menschen unter
anderem Waffen, Betäubungsmittel, Falschgeld, gefälschte Ausweise und gestohlene
Kreditkartendaten gehandelt. Der Handel mit verbotener Pornografie wie beispielsweise
Kinderpornografie erfolgt in der Regel auf eigens dafür geschaffenen Plattformen. Damit
besetzen diese Infrastrukturen eine Nische, die dadurch entsteht, dass redliche Plattformbetreiber
solche Angebote auf ihren virtuellen Marktplätzen nicht dulden.
Die strafrechtliche Erfassung solcher Sachverhalte kann im Einzelfall rechtliche Probleme
bergen. So ist das geltende Strafrecht zwar grundsätzlich geeignet, Fälle des Handels mit
inkriminierten Waren und Dienstleistungen angemessen zu erfassen. Denn es gibt einerseits
entsprechende strafrechtliche Vorschriften (zum Beispiel den Straftatbestand des
Menschenhandels) sowie spezialgesetzliche Verbote des Handels mit bestimmten Waren
(so zum Beispiel im Waffengesetz oder im Betäubungsmittelgesetz). Andererseits greift
bei Personen, die einer anderen Person zu deren vorsätzlich begangenen rechtswidrigen
Tat Hilfe leisten, die Vorschrift zur Beihilfe (§ 27 des Strafgesetzbuches – StGB). In den
Fällen, in denen eine Handelsplattform vollautomatisiert betrieben wird, kann auf diesem
Weg allerdings nicht jeder Sachverhalt erfasst werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn
die plattformbetreibende Person durch die Vollautomatisierung keine Kenntnis davon
nehmen muss, welche konkreten Waren oder Dienstleistungen auf der Plattform gehandelt
werden, obschon diese auf den Handel von inkriminierten Waren und Dienstleistungen
ausgerichtet ist. In diesen Fällen können die Regelungen zur Beihilfe nicht ausreichen,
da sie eine Kenntnis der Haupttat, zumindest in ihren wesentlichen Merkmalen,
voraussetzen (vergleiche BGHSt 46, 107, bei juris Rn. 8). Daneben ist auch eine Zurechnung
von Einzeltaten im Zuge einer bandenmä ßigen Tatbegehung nicht immer mö glich,
da solche Plattformen nicht notwendigerweise von mehr als einer oder zwei Personen
betrieben werden müssen. Insoweit ist die bisherige strafrechtliche Konstruktion von
Tä terschaft und Teilnahme nicht immer geeignet, moderne Formen der Kriminalität insbe-
Drucksache 147/21
- 6 -
sondere im Bereich des Internets angemessen zu erfassen. Daher bedarf es einer Ergänzung
der strafrechtlichen Regelungen.
Auch der Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) ist nicht
geeignet, diese Lücke zu schließen. Denn unabhängig von den Nachweisschwierigkeiten
bezüglich konkreter Einzeltaten, die auch bei diesem abstrakten Gefä hrdungsdelikt trotz
der insoweit erleichterten Anforderungen an den Nachweis bestehen, wird in der Regel
die fṳr den Tatbestand erforderliche Festigkeit der Organisationsstruktur nicht erreicht.
Eine Vereinigung im Sinne des § 129 StGB verlangt insoweit mehr als eine – im Bereich
der Internetkriminalität oft anzutreffende – lediglich lose Übereinkunft mehrerer Personen,
miteinander bestimmte Straftaten begehen zu wollen. Als ein organisierter Zusammenschluss
erfordert eine Vereinigung zumindest eine gewisse Organisationsstruktur sowie in
gewissem Umfang Vorausplanung und Koordinierung. Notwendig ist des Weiteren das
Tä tigwerden in einem ṳbergeordneten gemeinsamen Interesse (vergleiche Bundestagsdrucksache
18/11275, Seite 11). Diese Voraussetzungen werden bei Plattformen nur selten
erfüllt.
Es besteht insoweit ein dringender Bedarf der Ergänzung der strafrechtlichen Regelungen,
da die Anzahl krimineller Handelsplattformen zunimmt und angesichts der erheblichen
Bedeutung solcher Plattformen beim Handel mit inkriminierten Waren und Dienstleistungen
nicht hingenommen werden kann, dass ihre Betreiber sich nicht strafbar machen
oder eine effektive Strafverfolgung nicht möglich ist. Bereits im Jahr 2016 wurden
nach Einschä tzung des Bundeskriminalamtes rund 50 einschlä gige Plattformen betrieben
(Bundestagsdrucksache 18/9487, Seite 2). Das Geschä ftsmodell des „Cybercrime-as-a-
Service“ wird zudem weiter ausgebaut (Lagebild Cybercrime des Bundeskriminalamtes
2016, Seiten 16 ff.). Neben bereits etablierten Angeboten, wie zum Beispiel Betä
ubungsmitteln, ist zudem eine deutliche Zunahme bei Angeboten von Hackertools und -
dienstleistungen zu verzeichnen. Diese Aspekte hat auch die Europä ische Kommission in
der gemeinsamen Mitteilung mit der Hohen Vertreterin der Union fṳr Außen- und Sicherheitspolitik
an das Europä ische Parlament und den Rat zum Thema „Abwehrfä higkeit,
Abschreckung und Abwehr: die Cybersicherheit in der EU wirksam erhö hen“ vom 13.
September 2017 betont und auf das derzeit nur geringe Risiko der Tatentdeckung hingewiesen
(JOIN (2017) 450, dort Seite 18).
In diesem Zusammenhang soll auch eine Regelung für das Bereitstellen von Server-
Infrastrukturen für entsprechende Handelsplattformen getroffen werden. Server-Provider,
die absichtlich oder wissentlich die Hardware-Infrastruktur für den Betrieb Kriminalität fördernder
Handelsplattformen zur Verfügung stellen, leisten einen derart zentralen Beitrag
für das Gelingen des Plattformbetriebs, dass eine Bestrafung lediglich als Gehilfe nicht
angemessen wäre.
II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Der Entwurf sieht die Einführung eines neuen Straftatbestands des Betreibens krimineller
Handelsplattformen als § 127 StGB vor. Damit können zukünftig auch die beschriebenen
Fälle angemessen erfasst werden. Der Straftatbestand soll dabei ausschließlich Plattformen
erfassen, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von bestimmten Straftaten
zu ermö glichen oder zu fö rdern. Diese sind in einem Katalog abschließend aufgeführt.
Ausdrücklich unter Strafe gestellt wird zudem das absichtliche oder wissentliche
Bereitstellen einer Server-Infrastruktur für entsprechende Plattformen. Für die Fälle gewerbsmä
ßiger oder bandenmäßiger Begehung des Betreibens von Plattformen sieht die
Regelung ein höheres Strafmaß vor. Eine Verbrechensqualifikation ist für Fälle vorgesehen,
bei denen sich der Zweck der Handelsplattform auf die Ermöglichung oder Förderung
von Verbrechen bezieht und der Täter das beabsichtigt oder weiß. Neben der Einführung
des neuen Straftatbestandes sollen zugleich effektive Ermittlungsmöglichkeiten
zur Aufklärung der vorgenannten Straftaten geschaffen werden. Dazu soll die gewerbs-
und bandenmäßige Begehung sowie die Verbrechensqualifikation in die Straftatenkataloge
der Telekommunikationsüberwachung, der Online-Durchsuchung und der Verkehrsdatenerhebung
aufgenommen werden, so dass alle an die Kataloge der §§ 100a Absatz 2
und 100b Absatz 2 Strafprozessordnung (StPO) anknüpfenden Ermittlungsmöglichkeiten
(zum Beispiel die akustische Überwachung außerhalb von Wohnraum nach § 100f StPO)
grundsätzlich eröffnet werden.
III. Alternativen
Eine Alternative wäre die Beibehaltung des bisherigen, als unbefriedigend empfundenen
Rechtszustands.
Einen alternativen Regelungsvorschlag zu der hier vorgeschlagenen Ergänzung des StGB
enthält der am 18. Januar 2019 vom Bundesrat beschlossene Entwurf eines Strafrechts
änderungsgesetzes – Einf ührung einer eigenst ändigen Strafbarkeit f ür das Betreiben
von internetbasierten Handelsplattformen für illegale Waren und Dienstleistungen
(Bundesratsdrucksache 33/19 – Beschluss). Die Bundesregierung teilt dessen Zielsetzung;
diese wird jedoch auf dem hier vorgeschlagenen Weg besser umgesetzt, unter anderem
weil auch solche Plattformen erfasst werden, deren Zugang und Erreichbarkeit
nicht durch besondere technische Vorkehrungen beschränkt wird.
IV. Gesetzgebungskompetenz
- 7 - Drucksache 147/21
Für die Änderung des StGB und der StPO folgt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes
aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (GG) (Strafrecht, gerichtliches
Verfahren).
V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen
Verträgen
Der Entwurf ist mit dem Recht der Europä ischen Union und vö lkerrechtlichen Verträ gen,
die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.
Insbesondere verstößt die Regelung des § 127 StGB in der Entwurfsfassung (StGB-E)
nicht gegen die Regelungen der Artikel 3 Absatz 2 und Artikel 14 Absatz 1 der E-
Commerce-Richtlinie (RL 2000/31/EG).
Fraglich erscheint schon, ob die durch § 127 StGB-E inkriminierten Plattformen überhaupt
Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der E-
Commerce-Richtlinie und Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535
sein können beziehungsweise ob die Berufung auf die Grundsätze der E-Commerce-
Richtlinie für Betreiber entsprechender Plattformen nicht von vornherein versperrt ist.
Denn inkriminiert sind nur solche Plattformen, deren Zweck gerade darauf gerichtet ist,
den Austausch von illegalen Waren und Dienstleistungen und damit zugleich die Begehung
von Straftaten zu ermöglichen oder zu fördern. Derartiger krimineller Handel widerspricht
aber den Werten der Europäischen Union. Und nach der gefestigten Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung
auf das Unionsrecht nicht erlaubt (vergleiche EuGH, Urteile vom 21. Februar 2006,
Rs. C-255/02 – Halifax u. a.; vom 12. Mai 1998, Rs. C-367/96, Rn. 20 – Kefalas u. a.; vom
23. März 2000, Rs. C-373/97, Rn. 33 – Diamantis; vom 3. März 2005, Rs. C-32/03, Rn. 32
-– Fini H). Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind zudem verpflichtet, nicht nur
Straftätern eine rechtsmissbräuchliche Berufung auf Unionsrecht zu verwehren, sondern
auch solchen Personen, die wissen oder wissen müssten, dass sie mit ihrem Handeln
Straftaten fördern (vergleiche zum Umsatzsteuerrecht: EuGH, Urteile vom 18. Dezember
Drucksache 147/21
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2014, Rs. C-131/13, C-163/13, C-164/13 – Italmoda; vom 6. Juni 2006, Rs. C-439/04, C-
440/04, Rn. 45, 46, 56 und 60 -– Kittel und Recolta Recycling, vom 6. Dezember 2012,
Rs. C-285/11, Rn. 38 bis 40 -– Bonik).
Ein Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 2 der E-Commerce-Richtlinie liegt aber jedenfalls
deswegen nicht vor, weil ein Abweichen von dem darin statuierten Herkunftslandprinzip
gemäß Artikel 3 Absatz 4 und 5 der E-Commerce-Richtlinie gerechtfertigt ist. Die in § 127
StGB-E vorgesehene Regelung ist erforderlich im Sinne des Artikels 3 Absatz 4 Buchstabe
a (i) der E-Commerce-Richtlinie, weil sie die Infrastrukturen des illegalen Handels im
Internet bekämpft und damit zugleich Straftaten, wie etwa den Handel mit Betäubungsmitteln
oder Kinderpornografie, verhindern soll. Sie betrifft auch bestimmte, die öffentliche
Ordnung beeinträchtigende Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne des Artikels 3
Absatz 4 Buchstabe a (ii) der E-Commerce-Richtlinie, unterstellt, dass die hier gegenständlichen
Plattformen überhaupt dem Anwendungsbereich der E-Commerce-Richtlinie
unterfallen. Denn § 127 StGB-E bezieht sich ausschließlich auf solche Plattformen, die
den Zweck haben, bestimmte Straftaten zu erleichtern oder zu fördern. Die Pönalisierung
entsprechender Plattformen ist hinsichtlich des damit verfolgten Zwecks der Kriminalitätsbekämpfung
und damit des Schutzes der öffentlichen Ordnung auch angemessen i. S. d.
Artikels 3 Absatz 4 Buchstabe a (iii) der E-Commerce-Richtlinie, insbesondere bezieht
sich die Strafbarkeit gerade nicht auch auf Plattformen mit legalem Geschäftszweck. Das
gemäß Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe b der E-Commerce-Richtlinie grundsätzlich vor Ergreifen
der Maßnahmen durchzuführende Konsultationsverfahren ist hier nach Artikel 3
Absatz 5 der E-Commerce-Richtlinie entbehrlich, da ein dringlicher Fall vorliegt. Im Hinblick
auf die sich täglich realisierenden Gefahren, die von den hier beschriebenen Internet-Handelsplattformen
ausgehen, namentlich die massenhafte Ermöglichung und Förderung
von Straftaten, erscheint die Durchführung eines langwierigen vorherigen Konsultationsverfahrens
nicht angezeigt. Stattdessen sind die Europäische Kommission und die
anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemäß Artikel 3 Absatz 5 der E-
Commerce-Richtlinie sobald wie möglich nachträglich über die ergriffenen Maßnahmen zu
informieren.
Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen Artikel 14 Absatz 1 der E-Commerce-Richtlinie vor,
wonach die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass ein Hostprovider für Nutzerinhalte
nicht – auch nicht im strafrechtlichen Sinne – verantwortlich ist, wenn er keine tatsächliche
Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information hat und nach Erlangung entsprechender
Kenntnis unverzüglich tätig wird (Haftungsprivilegierung bei Befolgen des
sogenannten Notice-and-take-down-Verfahrens). Die in Artikel 14 der E-Commerce-
Richtlinie vorgesehene Ausnahme von der Verantwortlichkeit ist dem Anbieter eines
Dienstes der Informationsgesellschaft nämlich erst dann verwehrt, wenn er sich etwaiger
Tatsachen oder Umstände bewusst war, auf deren Grundlage ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer
die in Rede stehende Rechtswidrigkeit hätte feststellen und nach Artikel 14
Absatz 1 Buchstabe b der E-Commerce-Richtlinie hätte vorgehen müssen. Artikel 14 findet
aber von vornherein keine Anwendung auf Anbieter eines Dienstes, der maßgeblich
zu kriminellen Zwecken betrieben wird. Erwägungsgrund 44 der E-Commerce-Richtlinie
führt dazu aus, dass ein Diensteanbieter, der absichtlich mit einem der Nutzer seines
Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen, mehr leiste als
„reine Durchleitung“ und „Caching“ und daher den hierfür festgelegten Haftungsausschluss
nicht in Anspruch nehmen könne. Dieser Logik folgend, kann eine Privilegierung
nach Artikel 14 der E-Commerce-Richtlinie auch plattformbetreibenden Personen nicht
zugutekommen, die bewusst eine Plattform betreiben, die darauf ausgerichtet ist, Straftaten
Dritter zu ermöglichen oder zu fördern.
Die geplante Regelung ist notifizierungspflichtig nach der Richtlinie (EU) 2015/1535 des
Europ äischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren
auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften f ür die Dienste
der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S.1).
VI. Gesetzesfolgen
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1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
Drucksache 147/21
Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung sind durch den Entwurf nicht betroffen.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen
Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die der Umsetzung der
UN-Agenda 2030 dient. Mit der Ausweitung des strafrechtlichen Schutzes vor dem Betreiben
krimineller Handelsplattformen fördert der Entwurf das Nachhaltigkeitsziel 16 der UN-
Agenda 2030 mit seinem Unterziel der Rechtsstaatlichkeit in 16.3.
3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand sind für Bund, Länder und Gemeinden durch
den Entwurf nicht zu erwarten.
4. Erfüllungsaufwand
Fṳr die Bṳrgerinnen und Bṳrger und fṳr die Wirtschaft entsteht kein Erfṳllungsaufwand.
Gleiches gilt fṳr die Verwaltung.
5. Weitere Kosten
Mehraufwand im justiziellen Kernbereich kann in geringem, nicht bezifferbarem Umfang in
den Ländern entstehen. Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau,
insbesondere auf die Verbraucherpreise, sind nicht zu erwarten.
Die Anzahl der Ermittlungsverfahren wird voraussichtlich nicht signifikant steigen, da bei
den kriminellen Handelsplattformen in vielen Fällen schon nach geltendem Recht (insbesondere
wegen des Verdachts der Teilnahme an einer der in § 127 Absatz 1 Satz 3 StGB-
E genannten Taten) zu ermitteln ist. Aufgrund der maßvollen Ausdehnung der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit ist lediglich mit einem leichten Anstieg der Anzahl eröffneter
Hauptverfahren zu rechnen.
Beim Bund ist nicht mit einem nennenswerten Mehraufwand sachlicher oder personeller
Art zu rechnen, da zusätzliche Revisionen zum Bundesgerichtshof nur in geringem Umfang
zu erwarten sind.
6. Weitere Gesetzesfolgen
Die Regelungen werden keine Auswirkungen fṳr Verbraucherinnen und Verbraucher haben.
Sie sind inhaltlich geschlechtsneutral und betreffen Frauen und Mä nner in gleicher
Weise. Demografische Auswirkungen sind ebenfalls nicht zu erwarten.
VII. Befristung; Evaluierung
Mit dem Entwurf soll einem Phä nomen begegnet werden, das bei einem Außerkrafttreten
der Regelungen wieder auftreten wṳrde. Eine Befristung kommt deswegen nicht in Betracht.
Eine Evaluierung erscheint im Hinblick auf die allenfalls geringfṳgigen Kosten
ebenfalls nicht erforderlich.
Drucksache 147/21
B. Besonderer Teil
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Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)
Zu Nummer 1 (Änderung der Inhaltsübersicht)
Die Änderung dient der Einfügung der amtlichen Überschrift des Straftatbestandes in die
Inhaltsübersicht des StGB. In Anlehnung an § 129 StGB (Bildung krimineller Vereinigungen)
soll die Überschrift im ersten Teil „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
lauten. Diese fasst den Unwertgehalt der Handlung prägnant zusammen und gewährleistet,
dass ein etwaiger Urteilstenor nicht unnötig lang wird. Komplettiert wird die Überschrift
durch die Bezeichnung des zweiten unter Strafe gestellten Verhaltens „Bereitstellen
von Server-Infrastrukturen“.
Zu Nummer 2 (Änderung des § 5 Nummer 5a StGB)
Die Erweiterung des § 5 Nummer 5b StGB-E (in der Fassung des Sechzigsten Gesetzes
zur Änderung des Strafgesetzbuches – Modernisierung des Schriftenbegriffs und anderer
Begriffe sowie Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 des Strafgesetzbuches
bei Handlungen im Ausland – vom 30. November 2020, BGBl. I S. 2600)
soll sicherstellen, dass der neu einzufügende Straftatbestand des § 127 StGB-E auch
dann anwendbar ist, wenn der Täter die Plattform ausschließlich vom Ausland aus betreibt
beziehungsweise von dort aus eine Server-Infrastruktur bereitstellt, die Tat aber in
sachlicher und personeller Hinsicht einen Inlandsbezug aufweist. Gerade im Bereich der
Internetkriminalität ist es für Täter vergleichsweise einfach, auch aus dem Ausland heraus
sich in der Bundesrepublik Deutschland auswirkende Straftaten zu begehen; womöglich
würde der Handlungsort nach Einführung des § 127 StGB-E ohne die vorgesehene Erweiterung
in § 5 Nummer 5b StGB-E sogar bewusst vom Inland ins Ausland verlegt werden,
um einer Strafbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu entgehen, insbesondere,
wenn die Handlung im Ausland nicht unter Strafe steht (vergleiche Bundestagsdrucksache
19/9508, Seite 13).
Notwendig ist diese Regelung zur Erfassung von Auslandstaten, weil nach der neueren
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu §§ 86, 86a StGB und § 130 StGB das deutsche
Strafrecht auf Handlungen eines Täters im Ausland zumindest nicht über § 3 in Verbindung
mit § 9 Absatz 1 StGB Anwendung findet, wenn es sich – wie bei § 127 StGB-E –
um einen Tatbestand handelt, bei dem keine von der Tathandlung räumlich oder zeitlich
abgrenzbare Außenweltveränderung als Taterfolg vorliegt; denn in diesen Fällen fehle es
an einem zum Tatbestand gehörenden – gegebenenfalls im Inland eintretenden – Erfolg
im Sinne von § 9 Absatz 1 StGB (vergleiche zu § 130 Absatz 3 StGB BGH, Beschluss
vom 3. Mai 2016, 3 StR 449/15; zu § 86a StGB BGH, Beschluss vom 19. August 2014, 3
StR 88/14; vergleiche zur Problematik auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum
vorstehend genannten Sechzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, Bundestagsdrucksache
19/19859, Seite 22 f.).
§ 127 StGB-E soll über § 5 Nummer 5b StGB-E dann auf Auslandstaten Anwendung finden,
wenn der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage im Inland hat und der
Zweck der Plattform darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im
Inland zu ermöglichen oder zu fördern – zum Beispiel durch an Inländer gerichtete Angebote
von Betäubungsmitteln, Waffen oder Kinderpornografie. Dass die Plattform zugleich
auf die Ermöglichung und Förderung von Straftaten in anderen Staaten gerichtet ist, ist
unschädlich, sie muss sich nur auch auf solche im Inland beziehen (ähnlich wie es bei
den durch das erwähnte Sechzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches eingeführten
Regelungen in § 5 Nummer 3 Buchstaben a und b und Nummer 5a StGB für das
Merkmal der Wahrnehmbarkeit im Inland genügt, dass die Breitenwirkung auch im Inland
eintritt, vergleiche Bundestagsdrucksache 19/19859, Seite 39).
Mit diesem personalen und sachlichen Inlandsbezug bestehen auch völkerrechtlich keine
Bedenken, das deutsche Strafrecht auch dann auf Auslandstaten nach § 127 StGB-E zu
erstrecken, wenn die Tat am Tatort nicht mit Strafe bedroht ist. Insbesondere stellt das
Anknüpfen an die Staatsangehörigkeit des Täters – aktives Personalitätsprinzip – einen
völkerrechtlich allgemein anerkannten Grundsatz dar, der hier zusätzlich durch das aktive
Domizilprinzip – der ausländische Täter hat seine Lebensgrundlage im Inland – ergänzt
wird. Zugleich fügt sich die Regelung damit in die bereits erwähnte Erweiterung der Strafbarkeit
nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 StGB bei Handlungen im Ausland ein (vergleiche
zu alledem erneut den vorstehend erwähnten Regierungsentwurf, Bundestagsdrucksache
19/19859, dort Artikel 1 Nummer 2 [= § 5 Nummer 3 Buchstaben a und b und
Nummer 5a StGB-E] und Seiten 3, 7, 32, 34 f. und 42 f.).
Im Übrigen gilt auch hier, dass die personalen Anknüpfungspunkte zur Tatzeit vorliegen
müssen (vergleiche Zöller, in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, AnwaltKommentar StGB, 3.
Aufl., § 5 Rn. 4; Böse, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Aufl., § 5
Rn. 3).
Zu Nummer 3 (Einfügung des § 127 StGB)
Zu Absatz 1
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Mit dem Tatbestand sollen ausschließlich solche internetbasierten Plattformen erfasst
werden, die auf das Angebot von inkriminierten Waren oder Dienstleistungen oder den
inkriminierten Handel mit an sich legalen Waren und Dienstleistungen oder gar Menschen
ausgerichtet sind. Der Begriff der Plattform wird in Absatz 2 legaldefiniert. Erfasst sind vor
allem Foren und Online-Marktplätze, wobei unerheblich ist, ob es sich um kommerzielle
oder nicht-kommerzielle Plattformangebote handelt und ob sie sich etwa auf Kaufgeschäfte,
Tauschgeschäfte oder Schenkungen beziehen. Die Plattformen müssen nicht zwingend
browserbasiert sein, erfasst sind daher insbesondere auch Handelsplattformen, die
als administrierte Chatgruppen betrieben werden.
Um Plattformen mit rechtmäßigem Geschäftsmodell schon tatbestandlich auszunehmen,
knüpft die Regelung ausdrücklich an eine kriminelle Zweckausrichtung der Plattform an,
nämlich den Zweck der Ermöglichung oder Förderung bestimmter Straftaten. Auf diese
Weise wird Rechtssicherheit für Unternehmen gewährleistet, deren Geschäftsmodell das
Betreiben von Plattformen mit rechtskonformen Angeboten ist. Diese Plattformen sollen
durch den Tatbestand ausdrücklich nicht erfasst und die bisherige Geschäftstätigkeit soll
in keiner Weise eingeschränkt werden. Gleiches soll für Plattformen gelten, die entgegen
ihrer legitimen Zielsetzung im Einzelfall durch einen Nutzer f ür den Handel mit illegalen
Waren, Dienstleistungen, Inhalten oder mit Menschen zum Zwecke der Ausbeutung verwendet
werden. Für die Annahme des objektiven Tatbestandsmerkmals, dass der Zweck
der Plattform darauf ausgerichtet ist, Straftaten zu ermöglichen oder zu fördern, kann insbesondere
die Art und Weise der Darstellung der Plattform (etwa vorgegebene Kategorien
für bestimmte illegale Warenangebote) oder die Gesamtschau des Angebots auf der Plattform
als Indizien sprechen. Dabei ist es nicht notwendig, dass ausschließlich inkriminierte
Angebote vorgehalten werden. Erforderlich ist stets eine Prüfung anhand der konkreten
Umstände des Einzelfalls. Vereinzelte rechtmäßige Angebote, die nur eine untergeordnete
Bedeutung haben oder der Verschleierung der tatsächlichen Ausrichtung dienen, stehen
einer Annahme einer kriminellen Ausrichtung nicht entgegen. Ebensowenig können
vereinzelte rechtswidrige Angebote die Annahme einer insgesamt kriminellen Ausrichtung
rechtfertigen. Hingegen kann der Charakter des Angebots als stark überwiegend strafrechtlich
relevant eine erhebliche Indizwirkung haben. Da es sich hierbei jeweils nur um
Indizien handelt, werden Betreiber von Plattformen, die legalen Zwecken dienen sollen,
nicht verpflichtet, die jeweils auf ihren Plattformen angebotenen Waren von sich aus auf
ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, wenn ihnen keine Hinweise auf ein rechtswidriges
Angebot vorliegen. Ein weiteres Indiz für eine kriminelle Zweckausrichtung kann die Verortung
der Plattform im Darknet oder Deep Web sein. Denn die damit verbundene Be-
Drucksache 147/21
- 12 -
schränkung der Auffindbarkeit auf bestimmte Kreise steht dem üblicherweise beim Handel
gegebenen Ziel entgegen, durch eine Ausrichtung an möglichst viele Interessenten für
eine hohe Nachfrage zu sorgen.
Eine Einschränkung auf Plattformen, deren Zugang und Erreichbarkeit durch besondere
technische Vorkehrungen beschr änkt ist – zum Beispiel dadurch, dass sie im Darknet
betrieben werden – soll nicht erfolgen. Zwar bieten solche beschränkt zugänglichen Bereiche
des Internets auf Grund ihres hohen Maßes an Anonymität neben vielen rechtmäßigen
und wünschenswerten Nutzungsmöglichkeiten auch eine optimale Umgebung für
das Betreiben krimineller Handelsplattformen. Dies wird dadurch untermauert, dass die
entdeckten Plattformen dieser Art oft im Darknet betrieben wurden. Dennoch ist eine Einschränkung
auf Plattformen, deren Zugang und Erreichbarkeit durch besondere technische
Vorkehrungen beschr änkt ist, nicht sinnvoll. Denn auch in dem Teil des Internets,
der ohne Beschränkung erreichbar ist (Clear Web), gibt es digitale Marktplätze, auf denen
illegale Waren und Dienstleistungen gehandelt werden (Lagebild Cybercrime des Bundeskriminalamtes
2018, Seite 38 f.), ohne dass in der Strafwürdigkeit ein Unterschied zum
Betreiben entsprechender Marktplätze im Darknet oder im Deep Web gegeben ist. Wie
aufgezeigt, kann die Verortung der Plattform aber ein Indiz für eine kriminelle Zweckausrichtung
bilden.
Der Tatbestand hat Auffangcharakter, wie durch die Formulierung „wenn die Tat nicht in
anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist“ deutlich wird. Die Vorschrift des
§ 127 StGB-E dient vor allem der sachlich gebotenen Ausdehnung strafrechtlicher Verantwortlichkeit,
sodass es ihrer Anwendung nicht bedarf, wenn bereits aufgrund anderer
Strafvorschriften eine hinreichende Ahndung möglich ist.
Die Strafandrohung beträgt im Grundtatbestand Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder
Geldstrafe. Der Strafrahmen bietet damit genügend Raum, um die – etwa unter Berücksichtigung
der auf der jeweiligen Plattform gehandelten Waren- und Dienstleistungsarten
sowie des Handelsvolumens – als in den Bereich der leichteren oder der mittelschweren
Kriminalität einzuordnenden verschiedenartigen Taten angemessen zu ahnden.
Erfasst sind solche Handelsplattformen, die den Zweck haben, Verbrechen sowie bestimmte
Vergehen zu fördern. Es sind deswegen ausnahmslos alle Verbrechen erfasst,
weil sie sich in besonderem Maße als über Handelsplattformen vermittelte Auftragstaten
anbieten und bei Verbrechen aufgrund ihrer besonderen Gefährlichkeit eine gesteigerte
Notwendigkeit besteht, keine Strafbarkeitslücken bei Ermöglichungs- oder Förderungsbeiträgen
zu lassen. Der Katalog der Vergehen bezieht sich vor allem auf solche Delikte aus
dem StGB und dem Nebenstrafrecht, die den Handel oder Umgang mit verbotenen Waren
oder verbotene Formen des Handeltreibens mit nicht per se verbotenen Waren zum Gegenstand
haben oder hiermit eng verknüpft sind. Daneben sind auch Delikte erfasst, die
häufig als Auftragstaten im Internet bestellt werden („crime as a service“), wie etwa das
Ausspähen von Daten.
Das Merkmal „Zweck der Handelsplattform“ ist – insofern vergleichbar mit der Verwendung
des Tatbestandsmerkmals „Zweck“ in § 129 Absatz 1 Satz 1 StGB – objektives Tatbestandsmerkmal,
auf das sich der Vorsatz beziehen muss (vergleiche Fischer, in: Fischer,
StGB, 68. Aufl., § 129 Rn 15 ff., 48 m. w. N.). Generell ist dabei – ebenfalls wie bei
§ 129 StGB - dolus eventualis ausreichend (vergleiche Fischer, in: Fischer, StGB, 68.
Aufl., § 129 Rn 48)
Neben dem Betreiben von kriminellen Handelsplattformen wird auch das absichtliche oder
wissentliche Bereitstellen einer Server-Infrastruktur für solche Handelsplattformen unter
Strafe gestellt. Insofern ist in Satz 2 angeordnet, dass eine entsprechende Bestrafung wie
beim Betreiben einer Handelsplattform nach Satz 1 erfolgt. Die Gleichstellung bei der Bestrafung
rechtfertigt sich dadurch, dass es unerheblich ist, ob die kriminellen Handelsgeschäfte
durch Bereitstellen von Hardware, also Servern, ermöglicht oder gefördert werden
oder durch Bereitstellen einer virtuellen Plattform. Durch das qualifizierte Vorsatzerfordernis,
durch das Fälle des Handelns mit Eventualvorsatz ausgenommen werden, ist sichergestellt,
dass nur solche Server-Betreiber strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten
haben, die auch tatsächliche Kenntnis davon hatten, dass auf ihren Servern entsprechende
Plattformen gehostet wurden, oder die sogar eine entsprechende Absicht hatten.
Zu Absatz 2
Absatz 2 enthält eine Legaldefinition des Begriffs Handelsplattform im Internet. Hierdurch
wird zum einen klargestellt, dass der Begriff Internet weit zu verstehen ist und insbesondere
auch der verschlüsselte Teil des Internets miterfasst ist, sodass sich die Vorschrift
gleichermaßen auf das Clear Web, das Deep Web und das Darknet bezieht. Daneben
wird betont, dass der Begriffsteil „Handel“ in diesem Zusammenhang nicht nur kommerziellen
Warenaustauch erfasst, sondern unter anderem auch im Sinne eines Tauschhandels
zu verstehen ist, wie er etwa bei Handelsplattformen mit kinderpornografischen
Schwerpunkt oftmals vorliegt. Miterfasst sind daher auch solche Sharing-Plattformen, bei
denen Nutzer durch Einstellen eigener Inhalte (§ 11 Absatz 3 StGB) Zugriff auf die von
anderen Nutzern eingestellten Inhalte erhalten, ohne dass es dabei zu einem unmittelbaren
Austausch zwischen den Nutzern kommen muss.
Zu Absatz 3
Um das erhöhte kriminelle Unrecht in Fällen gewerbs- oder bandenmäßigen Betreibens
einer kriminellen Plattform sachgerecht zu erfassen, sieht Absatz 3 einen Qualifikationstatbestand
vor. Wird die Plattform mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben, so verstärken
sich in der Regel nicht nur Dauer und Umfang der Tätigkeit, sondern auch die innere Einstellung
des Täters weist eine deutlich gesteigerte kriminelle Energie auf. Bei bandenmäßiger
Begehung ist die erhöhte Gefährlichkeit durch die verfestigte Struktur, die in einem
Zusammenschluss mehrerer Beteiligte als Bande vorliegt, und die in der Bandenabrede
liegende erhöhte kriminelle Energie zu bedenken. Alldem muss im Rahmen der Strafandrohung
angemessen Rechnung getragen werden. Absatz 3 gibt den erkennenden Gerichten
damit das entsprechende Instrumentarium an die Hand, um auch auf solche Fälle
des Betreibens krimineller Handelsplattformen eine tat- und schuldangemessenes Strafmaß
bestimmen zu können. Zudem wird durch Absatz 3 verdeutlicht, dass entsprechendes
Verhalten dem Bereich der besonders schweren Straftaten zuzuordnen ist.
Der Strafrahmen des Qualifikationstatbestandes orientiert sich an der Ausgestaltung vergleichbarer
Vorschriften, wie beispielsweise § 260 Absatz 1 Nummer 1 StGB (Gewerbsmäßige
Hehlerei), § 263 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 (Gewerbsmäßiger Betrug) oder § 267
Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 (Gewerbsmäßige Urkundenfälschung), die für die gewerbsmäßige
Begehung jeweils einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren
Freiheitsstrafe vorsehen. Wegen der besonderen Schwere der Beeinträchtigung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung, die von gewerbs- oder bandenmäßig betriebenen kriminellen
Plattformen ausgeht, ist ein solcher Strafrahmen auch geboten.
Zu Absatz 4
- 13 - Drucksache 147/21
Absatz 4 sieht daneben für diejenigen Fälle eine Verbrechensqualifikation vor, bei denen
sich die Zweckausrichtung der Handelsplattform auf die Ermöglichung oder Förderung
von Verbrechen bezieht und der Täter dies beabsichtigt oder jedenfalls positive Kenntnis
davon hat. Damit werden vor allem solche Fälle erfasst, bei denen bewusst der Handel
von Verbrechen als Dienstleistung („crime as a service“) ermöglicht oder gefördert wird
oder bei denen schon der Handel selbst ein Verbrechen ist, wie etwa beim Verbreiten
kinderpornografischer Inhalte nach § 184b Absatz 1 Nummer 1 StGB in der durch den
Regierungsentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder (Bundestagdrucksache
19/23707) vorgesehenen Fassung. Das bewusste Ermöglichen oder Fördern
Drucksache 147/21
einer (potenziellen) Vielzahl derart schwerwiegender Straftaten erfordert eine gegenüber
dem Grundtatbestand erheblich erhöhte Strafandrohung.
Hierdurch werden zudem Wertungswidersprüche beseitigt, die entstehen würden, wenn
etwa beim nicht-gewerblichen Betreiben einer Plattform, auf der Mordaufträge vermittelt
werden („crime as a service“), der Strafrahmen des Absatzes 1 anzuwenden wäre, während
eine Beihilfe zum Mord gemäß §§ 211, 212, 27, 49 Absatz 1 Nummer 1 StGB mit
Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren zu bestrafen ist. Ähnliches gilt etwa im Hinblick auf
die im Regierungsentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder (vergleiche
Bundestagsdrucksache 19/23707) vorgesehenen Neufassung des § 184b Absatz 3 StGB:
Wenn hiernach bereits der Besitz eines einzelnen kinderpornografischen Inhalts ein Verbrechen
ist, dann entstünde ein Wertungswiderspruch, wenn für das Betreiben einer Plattform,
auf der (potenziell) größere Mengen an kinderpornografischen Inhalten gehandelt
werden, der Strafrahmen des Absatzes 1 anzuwenden wäre.
Zu Artikel 2 (Änderung der Strafprozessordnung)
Vorbemerkungen
Um eine effektive Strafverfolgung zu ermöglichen, ist es erforderlich, die Befugnisse der
Strafverfolgungsbehörden moderat zu erweitern. Den Strafverfolgungsbehörden wird sich
in der Regel zunächst nur die visuelle Oberfläche einer technischen Infrastruktur ohne
Anhaltspunkte auf die Identität von Nutzern oder Betreibern präsentieren. Echtpersonalien
werden üblicherweise zwischen Nutzern und Betreibern nicht ausgetauscht, sodass auch
eine Vernehmung etwaiger bereits ermittelter Nutzer nicht erfolgsversprechend ist. Die
plattformbetreibende Person greift in der Regel auf die der Plattform zugrundeliegenden
Server ausschließlich über Fernzugriff zu, sodass sie dann auch körperlich nicht in Erscheinung
tritt. Den Strafverfolgungsbehörden sollen daher bei Verdacht der Begehung
einer der beiden Qualifikationstatbestände die Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung
nach § 100a StPO und der Onlinedurchsuchung nach § 100b StPO sowie
der Erhebung von Verkehrsdaten nach § 100g Absatz 2 StPO an die Hand gegeben werden.
Der Annahme des für diese Maßnahmen erforderlichen Anfangsverdachts wird dabei
regelmäßig nicht entgegenstehen, wenn zunächst noch keinerlei Erkenntnisse zur Person
des Täters vorliegen und damit unklar ist, ob die personenbezogenen Merkmale des § 5
Nummer 5a Buchstabe b StGB-E vorliegen. Die Unanwendbarkeit deutschen Strafrechts
nach §§ 3 ff. StGB stellt zwar ein Prozesshindernis dar (Meyer-Goßner, in: Meyer-
Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., Einl. Rn 145 m. w. N.). Jedoch schließt die bloße Möglichkeit
des Vorliegens eines Prozesshindernisses die Annahme eines Anfangsverdachts
nicht aus (Haas, Vorermittlungen und Anfangsverdacht, 2003, S. 36 f.; Scheinfeld/Willenbacher,
NJW 2019, 1357, 1358). Vielmehr ist diese Frage zum Gegenstand des
Ermittlungsverfahrens zu machen.
Zu Nummer 1 (§ 100a)
Die Überwachung der Telekommunikation, die über die Server erfolgt, auf denen die Plattform
betrieben wird, sowie der Telekommunikation eines konkreten Tatverdächtigen oder
unter Umständen auch eines bereits ermittelten Nutzers können erfolgsversprechende
Ermittlungsansätze bieten. Ohne dieses strafprozessuale Instrument wäre in vielen Fällen
eine Aufklärung von Taten nach § 127 StGB-E von vornherein ausgeschlossen. Mit Blick
darauf sowie auf die Strafandrohung ist die Aufnahme in den Katalog der schweren Straftaten
in § 100a StPO und der damit ermöglichte Eingriff in das Fernmeldegeheimnis
sachgerecht. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass in diesem Bereich
die Nutzung von Kommunikationsmitteln zur Anbahnung und zum Abschluss von Geschäften
zu erwarten ist.
Zu Nummer 2 (§ 100b)
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Daneben soll den Strafverfolgungsbehörden die Erhebung von Daten aus dem vom Beschuldigten
verwendeten informationstechnischen System im Rahmen der Online-
Durchsuchung bei Verdacht einer Qualifikation nach Absatz 3 oder 4 ermöglicht werden,
sofern der Zweck der Handelsplattform auf die Förderung oder Ermöglichung von Straftaten
ausgerichtet ist, die ihrerseits bereits im Katalog des § 100b Absatz 2 StPO enthalten
sind. Damit können wichtige Erkenntnisse über weitere Tatverdächtige und über den Umfang
der Straftat gewonnen werden, die auf anderem Wege nicht erlangt werden könnten.
Die Erweiterung des Katalogs auf die beiden Qualifikationstatbestände ist dabei sachgerecht.
Der damit verbundene Eingriff in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit
und Integrität informationstechnischer Systeme aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung
mit Artikel 1 Absatz 1 GG (sogenanntes IT-Grundrecht) und die Unverletzlichkeit der
Wohnung nach Artikel 13 GG ist verhältnismäßig.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Online-Durchsuchung hinsichtlich der Eingriffsintensität
dem Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung gleichgestellt (BVerfG, Urteil
vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, Rn. 210 [zitiert nach juris], BVerfGE 141, 220). Zudem
findet der Katalog des § 100b Absatz 2 StPO über den Verweis in § 100c Absatz 1
Nummer 1 StPO auch für die akustische Wohnraumüberwachung Anwendung. Die in diesem
Zusammenhang vom Bundesverfassungsgericht formulierten Vorgaben zur Qualifikation
besonders schwerer Straftaten (BVerfG, Urteil vom 03. März 2004 – 1 BvR
2378/98, 1 BvR 1084/99 [zitiert nach juris], BVerfGE 109, 279) sind hier eingehalten.
Maßgeblich für die Schwere des tatbestandlich vertypten Unrechts sind hiernach der
Rang des verletzten Rechtsguts und andere tatbestandlich umschriebene, gegebenenfalls
auch in einem Qualifikationstatbestand enthaltene Begehungsmerkmale und Tatfolgen.
Sie allein müssen bereits die besondere, deutlich über dem Durchschnitt liegende Schwere
des jeweiligen Straftatbestandes begründen (BVerfG, a. a. O., Rn. 236). Den maßgebenden
Anhaltspunkt für die besondere Schwere der Tat gibt dabei der Strafrahmen. Die
Normierung der Höchststrafe von mehr als fünf Jahren Freiheitsentzug ist dabei denjenigen
Delikten vorbehalten, die ein besonders schweres Tatunrecht aufweisen und damit
den Bereich der mittleren Kriminalität eindeutig verlassen (BVerfG, a. a. O., Rn. 238). Mit
Blick darauf können das gewerbs- oder bandenmäßige Betreiben krimineller Plattformen
im Internet nach § 127 Absatz 3 StGB-E und die Qualifikation des § 127 Absatz 4 StGB-E
als besonders schwere Straftaten eingeordnet werden. Dabei sind neben der Strafandrohung
von sechs Monaten bis zu zehn Jahren und von einem Jahr bis zu zehn Jahren
Freiheitsstrafe auch das gesch ützte Rechtsgut und dessen Bedeutung f ür die Rechtsgemeinschaft
zu berücksichtigen. Die von kriminellen Handelsplattformen ausgehende Gefahr
ist mit Blick auf die dort unkontrolliert gehandelten Waren wie Waffen, Kriegswaffen,
Betäubungsmittel oder kinderpornografisches Material erheblich. Das gewerbsmäßige
Betreiben einer kriminellen Plattform wiegt auch aufgrund der auf Dauer angelegten Tatbegehung
zur Erzielung einer nicht nur vorübergehenden Einnahmequelle besonders
schwer. Gleiches gilt für die von einer Bandenstruktur ausgehende Gefahr und die dafür,
sowie die Qualifikation nach Absatz 3 erforderliche kriminelle Energie. Dadurch erhöht
sich die Gefahr für die Rechtsgüter, die bereits durch den Grundtatbestand und die Katalogtaten
gesch ützt werden. Allerdings soll eine Beschränkung auf die Fälle des § 127 Absatz
3 und 4 erfolgen, bei denen der Zweck der Handelsplattformen auf die Förderung
oder Ermöglichung von selbst im Katalog des § 100b Absatz 2 StPO enthaltene Straftaten
ausgerichtet ist. Dies ist erforderlich, um der besonderen Deliktsnatur der Vorschrift des
§ 127 StGB-E gerecht zu werden, mit der eine sachlich gebotenen Ausdehnung strafrechtlicher
Verantwortlichkeit erfolgt. Dies ist im Rahmen von § 100b StPO im Hinblick auf
die erhebliche Eingriffsintensität der Online-Durchsuchung sowie der Wohnraumüberwachung
nach § 100c StPO und das hohe Schutzgut des Rechts auf Vertraulichkeit und Integrität
informationstechnischer Systeme und der Unverletzlichkeit der Wohnung geboten.
Zu Nummer 2 (§ 100g)
- 15 - Drucksache 147/21
Auch der Katalog des § 100g Absatz 2 StPO soll moderat erweitert und die Erhebung von
Verkehrsdaten ermöglicht werden Die Begehung von § 127 Absatz 3 und 4 StGB-E wird
Drucksache 147/21
regelmäßig unter Einsatz von Computern und sonstigen Kommunikationsmitteln unter
Herstellung von Internetverbindungen erfolgen. Vor diesem Hintergrund soll den Strafverfolgungsbehörden
durch die Möglichkeit der Erhebung auch retrograder Verkehrsdaten
ein weiteres Ermittlungsinstrument an die Hand gegeben werden, um die sonstigen Ermittlungsmöglichkeiten
zu ergänzen und zu unterstützen sowie zur Identifizierung von
Beschuldigten beizutragen.
Zu Artikel 3
Die Erweiterung des Kataloges von § 100a StPO durch Artikel 2 Nummer 1 soll die Überwachung
der Telekommunikation auch in den Fällen des § 127 Absatz 3 und 4 StGB-E
ermöglichen. Diese zusätzlichen Grundrechtseinschränkungen lösen das Zitiergebot nach
Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 GG aus. Durch die Inbezugnahme des Straftatenkatalogs des
§ 100b Absatz 2 StPO in § 100c Absatz 1 Nummer 1 StPO wird durch Artikel 2 Nummer 2
auch der Anwendungsbereich der akustischen Wohnraumüberwachung nach § 100c
StPO erweitert, sodass auch Artikel 13 GG als eingeschränktes Grundrecht zu nennen ist.
Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)
Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten.
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