AV
bei
Annahme
entfällt
Ziffer 2
Bundesrat Drucksache 56/1/21
E m p f e h l u n g e n
der Ausschüsse
22.02.21
R - AV - K - Wi
zu Punkt … der 1001. Sitzung des Bundesrates am 5. März 2021
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes
im Wettbewerbs- und Gewerberecht
Der federführende Rechtsausschuss (R),
der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und
der Wirtschaftsausschuss (Wi)
empfehlen dem Bundesrat,
A.
zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung
zu nehmen:
1. Hauptempfehlung zu Ziffer 2
Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 5c Absatz 1 UWG),
Nummer 7 (§ 19 Absatz 3 UWG)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
a) In Nummer 3 ist § 5c Absatz 1 wie folgt zu fassen:
„(1) Die Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche
Handlungen ist verboten, wenn
1. es sich um eine erhebliche, dauerhafte oder wiederholte Verletzung
handelt und dadurch
a) die Interessen nicht nur einzelner Verbraucherinnen oder Verbraucher
gefährdet oder beeinträchtigt werden oder
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln
Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0720-2946
...
Empfehlungen, 56/1/21 - 2 -
b) ein Schaden in bedeutendem Umfang droht oder entstanden ist
2. oder es sich bei der Verletzung um einen weitverbreiteten Verstoß gemäß
Artikel 3 Nummer 3 oder einen weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension
gemäß Artikel 3 Nummer 4 der Verordnung (EU)
2017/2394 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
12. Dezember 2017 über die Zusammenarbeit zwischen den für die
Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen
Behörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004
(ABl. L 345 vom 27.12.2017, S. 1), die zuletzt durch die Richtlinie
(EU) 2019/771 (ABl. L 136 vom 22.5.2019, S. 28) geändert worden ist,
handelt.“
b) In Nummer 7 ist § 19 Absatz 3 zu streichen.
Begründung:
Durch den Gesetzentwurf wird der wettbewerbsrechtliche Teil der Richtlinie
(EU) 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften
der Union umgesetzt. In Bezug auf eine bessere Verbraucherrechtsdurchsetzung
enthält die Richtlinie Vorschriften über Sanktionen,
die weitaus detailreicher sind als die bisherigen Formulierungen. Mit den
neuen, einheitlichen Regeln (Artikel 8b AGB-Richtlinie, Artikel 8 Preisangaben-Richtlinie,
Artikel 13 UGP-Richtlinie und Artikel 24 der Verbraucherrechterichtlinie
in der jeweils durch die Modernisierungsrichtlinie geänderten Fassung),
sollen die derzeit großen Unterschiede bei der Ausgestaltung der Sanktionsklausel
ausgeglichen und die Sanktionierung von Verbraucherrechtsverstößen
effektiver gemacht werden. Der Gesetzentwurf setzt nur den speziellen
Bereich der Sanktionierung von weitverbreiteten Verstößen um und läuft damit
Gefahr, die verbindlichen Ziele (Artikel 288 Absatz 2 AEUV) der Modernisierungsrichtlinie
zu verfehlen.
Die Umsetzung der Sanktionsregelung in § 19 Absatz 1 in Verbindung mit § 5c
Absatz 1 UWG stößt in vielerlei Hinsicht auf Bedenken. Die vorgesehene Beschränkung
der Sanktionierung von Verstößen auf solche mit Auslandsbezug
ist für Verbraucherinnen und Verbraucher nur schwer nachvollziehbar. Werden
sie Opfer eines Verstoßes, hängt die Bußgeldsanktionierung davon ab, ob auch
Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten vom Verstoß betroffen sind. Der vorgesehene
generelle Ausschluss von Bußgeldsanktionen bei Rechtsverstößen,
die „lediglich“ Verbraucher im Inland treffen, ist nicht sachgerecht und möglicherweise
nicht mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Artikel 3 des Grundgesetzes
zu vereinbaren.
Zudem werden europaweit agierende Unternehmen gegenüber Unternehmen,
die nur im Inland oder im Inland und zusätzlich in einem weiteren Mitgliedstaat
der EU tätig sind, benachteiligt. Nur ihnen droht für die verbotene Verlet-
...
AV
entfällt
bei
Annahme
von
Ziffer 1
- 3 - Empfehlungen, 56/1/21
zung von Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche Handlungen ein
Bußgeld, obwohl ein vergleichbarer Inlandsverstoß viel schwerwiegender sein
kann.
Die bußgeldbewehrten Verstöße sollen gemäß in § 19 Absatz 3 UWG nur im
Rahmen einer koordinierten Durchsetzungsaktion (Artikel 15 ff. CPC-
Verordnung) mit einem Bußgeld geahndet werden können. Dies scheint nicht
sachgerecht, da einerseits Sanktionsbefugnisse nach Artikel 9 Absatz 4 Buchstabe
h CPC-Verordnung zum Standardrepertoire von zuständigen Verbraucherschutzbehörden
zählen (sollten) und andererseits die zuständigen Behörden
befugt sind, von sich aus Ermittlungen oder Verfahren einzuleiten, um die Einstellung
oder Untersagung von Verstößen nach dieser Verordnung zu bewirken
(Artikel 9 Absatz 6 CPC-Verordnung). Eine Beschränkung auf bestimmte
Formen von Ermittlungen ist in der CPC-Verordnung nicht vorgesehen. Darüber
hinaus sieht die CPC-Verordnung in Artikel 18 umfangreiche Gründe für
eine Ablehnung der Teilnahme an einer koordinierten Aktion vor, unter anderem
aus Opportunitätsgründen (Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c). Selbst wenn
ein weitverbreiteter Verstoß vorliegt, kann dieser außerhalb einer koordinierten
Aktion autonom in jedem Mitgliedstaat abgestellt und sanktioniert werden.
2. Hilfsempfehlung zu Ziffer 1
Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 5c Absatz 1 Satz 2 – neu – UWG)
In Artikel 1 Nummer 3 ist dem § 5c Absatz 1 folgender Satz 2 anzufügen:
„Verboten ist auch eine Verletzung von Verbraucherinteressen durch Handlungen
nach Absatz 2, wenn sie mehr als 100 Verbraucher betrifft, der Unternehmer
zuvor wegen dieser oder ihrer Art nach vergleichbaren Verletzung innerhalb
der vergangenen 12 Monate erfolglos abgemahnt worden ist und durch die
Verletzung ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden für Verbraucher zu befürchten
ist.“
Folgeänderung:
In Artikel 1 Nummer 7 sind in § 19 Absatz 3 nach dem Wort „Ordnungswidrigkeit“
die Wörter „nach § 5c Absatz 1 Satz 1“ einzufügen.
Begründung:
Die mit der Richtlinie (EU) 2019/2161 verfolgte Zielsetzung einer wirksamen
Sanktionierung sowie Abschreckung verlangt, dass die Verletzung von Verbraucherschutzvorschriften
nach den Vorgaben des nationalen Rechts möglichst
erschöpfend und umfassend geahndet werden kann. Dies ist jedoch nach
dem Gesetzentwurf und seiner Konzeption des § 5c UWG nicht gewährleistet,
wenn lediglich bei Verstößen mit Auslandsbezug, die zudem ein koordiniertes
Durchsetzungsverfahren nach Artikel 21 der Verordnung (EU) 2017/2394 über
...
Wi
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die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze
zuständigen Behörden auslösen müssen, eine Sanktion verhängt
werden kann.
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Beschränkung der Sanktion von Verbraucherrechtsverstößen
auf solche mit Auslandsbezug lässt sich zudem nicht mit
dem Gleichbehandlungsgebot aus Artikel 3 GG vereinbaren. Es ist kein sachlicher
Grund erkennbar, der eine Differenzierung zwischen Auslandssachverhalten
sowie solchen mit ausschließlichem Inlandsbezug rechtfertigen würde. So
kann insbesondere nicht angenommen werden, dass lediglich bei Auslandssachverhalten
eine größere Betroffenheit der Verbraucher respektive ein
schwerer Verstoß gegeben sei. Auch Artikel 13 Absatz 3 der geänderten Richtlinie
2005/29/EG, der die Möglichkeit von Geldbußen für bestimmte Auslandssachverhalte
zwingend vorschreibt, kann keine Rechtfertigung für eine im nationalen
Recht wirkende Ungleichbehandlung bieten.
Die vorgeschlagene Ergänzung des § 5c Absatz 1 UWG sorgt nicht nur für die
Schließung von Sanktionslücken, sondern stellt auch die notwendige Gleichheit
bei der staatlichen Sanktion von Rechtsverstößen her. Eine Ahndung von
Bagatellfällen wird durch die in § 5c Absatz 1 Satz 2 -neu- UWG getroffenen
Einschränkungen vermieden.
Begründung der Folgeänderung:
Da es bei der Sanktionierung von Verstößen mit ausschließlichem Inlandsbezug
naturgemäß keiner koordinierten Durchsetzungsmaßnahme nach Artikel 21
der Verordnung (EU) 2017/2394 bedarf, ist die Vorschrift des § 19 Absatz 3
UWG vor dem Hintergrund der vorgeschlagenen Fassung des § 5c UWG zu
ändern.
3. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 5c Absatz 2 Satzteil vor Nummer 1 UWG)
In Artikel 1 Nummer 3 § 5c Absatz 2 sind im Satzteil vor Nummer 1 die Wörter
„Verletzung von Verbraucherinteressen durch“ zu streichen und das Wort
„Handlungen“ durch das Wort „Handlung“ zu ersetzen.
Begründung:
Die Formulierung der Einleitung von Absatz 2 ist missverständlich, da nicht
eindeutig klar wird, ob die in Absatz 2 aufgezählten Handlungen nur dann
gemäß Absatz 1 verboten sind, wenn sie tatsächlich in einem „weitverbreiteten“
Umfang begangen wurden oder ob diese Handlungen automatisch als
„weitverbreiteter Verstoß“ gemäß Absatz 1 gelten. Um Missverständnissen und
Rechtsstreitigkeiten für die betroffenen Unternehmen vorzubeugen, sollte eine
redaktionelle Anpassung erfolgen, die klarstellt, dass die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen
von Absatz 1 gesondert zu prüfen sind. Dies ist auch angesichts
der drohendenden Bußgelder bei Verstößen gegen § 5c Absatz 1 UWG
von Bedeutung.
...
AV
4. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 7 UWG)
- 5 - Empfehlungen, 56/1/21
a) Der Bundesrat spricht sich für einen verbesserten gesetzlichen Schutz der
Verbraucher*innen vor unerwünschten Hausbesuchen zu geschäftlichen
Zwecken aus. Er stellt fest, dass nach § 7 Absatz 2 Nummer 2 des Gesetzes
gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bei Werbung gegenüber Verbraucher*innen
mittels Telefonanrufen ohne deren vorherige ausdrückliche
Einwilligung stets eine unzumutbare Belästigung anzunehmen ist. Demgegenüber
enthält § 7 Absatz 2 UWG keine vergleichbare Regelung zum
Schutz der Verbraucher*innen unerwünschten Hausbesuchen, obwohl hier
ein vergleichbares Schutzbedürfnis gegeben ist.
b) Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie
durch eine rechtssichere gesetzliche Regelung ein besserer Schutz der Verbraucher*innen
vor unerwünschten Hausbesuchen erreicht werden kann.
Hierbei sollte insbesondere geprüft werden:
aa) die Regelung eines Einwilligungsvorbehalts durch Einfügung einer
weiteren Nummer in § 7 Absatz 2 UWG,
bb) die Einführung einer Dokumentations-, Aufbewahrungs- und Nachweispflicht
der Unternehmen für die von den Verbraucher*innen erteilten
Einwilligungen in Anlehnung an die für die Einwilligung in Telefonwerbung
im Entwurf des Gesetzes für faire Verbraucherverträge geplante
Regelung (§ 7a UWG),
cc) eine Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), nach der bei Verträgen
ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung in den Hausbesuch
Unternehmer keine Sofortzahlung verlangen dürfen sowie
dd) die Ergänzung der Bußgeldvorschriften für Verstöße gegen die unter a
bis c genannten Pflichten.
Begründung:
Nach der Generalklausel des § 7 Absatz 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung
unzulässig, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt
wird (Satz 1). Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl der angesprochene
Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht (Satz 2).
§ 7 Absatz 2 UWG enthält eine abschließende Regelung der Fälle, in denen ei-
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Empfehlungen, 56/1/21 - 6 -
ne unzumutbare Belästigung stets anzunehmen ist. Nach dessen Nummer 2 ist
dies generell bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber Verbraucher*innen
ohne deren vorherige ausdrückliche Einwilligung der Fall.
Der Katalog der in § 7 Absatz 2 UWG geregelten Fälle, in denen eine unzumutbare
Belästigung unwiderlegbar vermutet wird, sollte um eine rechtssichere
verbraucherschützende Regelung zur Werbung in Form von Hausbesuchen ergänzt
werden. Ein Regelungsbedürfnis hierfür ist gegeben, weil sich aus dem
UWG nicht eindeutig ergibt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Hausbesuch
nur mit vorheriger Einwilligung zulässig ist.
Verbraucher*innen sind in Bezug auf unerbetene Hausbesuche grundsätzlich
genauso schutzbedürftig, da hier – ebenso wie in den Fällen der Telefonwerbung
– eine Überrumpelungsgefahr durch Unternehmer oder rhetorisch geschulte
Verkaufsberater*innen besteht. Dies gilt insbesondere für den Bereich
der Dauerschuldverhältnisse, bei denen sich die Verbraucher*innen längerfristig
vertraglich binden sowie für den spontanen Erwerb von Gegenständen, die
in mündlichen Verkaufsgesprächen aufgedrängt werden, obwohl sie oft überteuert
angeboten oder gar nicht benötigt werden.
Eine aktuelle repräsentative Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der Verbraucherzentrale
Bundesverband (vzbv) von November 2020 hat ergeben, dass
98 Prozent der Befragten Haustürgeschäfte nicht für eine gute Möglichkeit halten,
um Verträge abzuschließen oder Produkte zu kaufen. Verbraucher*innen
halten Haustürgeschäfte hauptsächlich deshalb für ungeeignet, weil man sich
durch die Situation unter Druck gesetzt fühlt (33 Prozent), der Vertriebsweg als
unseriös empfunden wird (28 Prozent) und der Marktüberblick fehlt (24 Prozent).
Fast jede fünfte befragte Person (19 Prozent) hat zudem in den vergangenen
24 Monaten mindestens einen Vertrag abgeschlossen, den sie in der
Form nicht abschließen wollten. Vertragsabschlüsse an der Haustür kamen bei
gut jeder zehnten befragten Person (12 Prozent) mit ungewollten Abschlüssen
vor (vgl. S. 7 ff. der Stellungnahme der vzbv vom 2. Dezember 2020 zum Referentenentwurf
dieses Gesetzes).
Die vzbv weist in der Stellungnahme zutreffend darauf hin, dass ein unmittelbarer
persönlicher Kontakt an der Haustür von den Verbraucher*innen als besonders
unangenehm empfunden wird. Während man bei Telefonanrufen im
Zweifel auflegen kann und insbesondere Ladengeschäfte bewusst aufgesucht
werden, ist der persönliche Kontakt an der Haustür wesentlich intimer und privater
und kann die Verbraucher*innen dazu bringen, sich aus Höflichkeit auf
ein Gespräch einzulassen, das sie nicht führen möchten. Die daraus resultierende
Überrumpelungssituation führt oftmals zu Verträgen, die sie gar nicht abschließen
wollten.
Ein Schutzbedürfnis besteht in besonderer Weise für die in Gemeinschaftsunterkünften
lebenden Verbraucher*innen (z.B. in Unterkunften für Geflüchtete,
Seniorenresidenzen und stationären Pflegeeinrichtungen). Bewohner solcher
Einrichtungen, die zum Beispiel aufgrund noch mangelnder Sprachkenntnisse
oder aus Alters- und Gesundheitsgründen in geschäftlichen Angelegenheiten
unsicher bzw. unerfahren sind, werden besonders häufig mit unerbetenen Besuchen
belästigt.
Auf Klage der Verbraucherzentrale Niedersachsen hat das Landgericht Berlin
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AV
R
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Haustürbesuche zum Vertrieb von Energielieferungsverträgen unter einen
Einwilligungsvorbehalt gestellt (Urteil vom 18.12.2018, Az.: 16 O 49/18).
Auch mit Blick auf die unklare Reichweite des Urteils sollte der Gesetzgeber
mit einer klaren gesetzlichen Regelung des Einwilligungsvorbehalts Rechtssicherheit
schaffen.
Die an die Bundesregierung gerichtete Prüfbitte betrifft auch die Frage, welche
Rechtsfolgen sich aus den Verstößen gegen das Belästigungsverbot ergeben.
Neben einer Ergänzung des Ordnungswidrigkeitenrechts sollte hier geprüft
werden, ob und ggf. mit welchem Inhalt im Rahmen des EU-rechtlich Zulässigen
ein Verbot zur Annahme von Sofortzahlungen (Barzahlungen oder Sofortüberweisungen)
geregelt werden kann.
5. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 9 UWG)
Der Bundesrat begrüßt, dass mit § 9 Absatz 2 UWG ein Schadensersatzanspruch
für Verbraucherinnen und Verbraucher wegen Verletzung des Lauterkeitsrechts
geschaffen wird. Er befürchtet allerdings, dass die Rechtsdurchsetzung
durch die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten erheblich erschwert
wird. Er bittet um Prüfung, ob die Verjährungsfrist verlängert werden kann und
dabei eine Angleichung an die Verjährungsregelungen im Gewährleistungsrecht
oder die regelmäßige Verjährungsfrist in Betracht zu ziehen.
6. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 9 Absatz 2 UWG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren, die rechtlichen und
praktischen Auswirkungen des neuen individuellen Schadensersatzanspruchs
für Verbraucher gemäß § 9 Absatz 2 UWG nach einer angemessenen Zeit nach
Inkrafttreten des Gesetzes zu evaluieren und bei Bedarf gesetzliche Nachbesserungen
in die Wege zu leiten.
Begründung:
Der neue individuelle Schadensersatzanspruch für Verbraucher nach § 9 Absatz
2 UWG stößt in Teilen der Literatur und gerichtlichen Praxis auf Kritik.
Zum einen werden materiell-rechtliche Bedenken gegen die Vorschrift erhoben. So
wird insbesondere vorgebracht, ein individueller Schadensersatzanspruch für Verbraucher
füge sich nicht in die bisherige Systematik des UWG ein. Zudem sei das
Verhältnis des Anspruchs zu den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, insbesondere
des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts, unklar bzw. es seien insoweit
Wertungswidersprüche zu befürchten.
Zum anderen wird teilweise die Sorge geäußert, der in § 9 Absatz 2 UWG vorgesehene
Schadensersatzanspruch könnte im Hinblick auf Besonderheiten des deut-
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Empfehlungen, 56/1/21 - 8 -
schen Schadensersatzrechts in einer von der Richtlinie nicht geforderten Weise zu
einer massenhaften Geltendmachung behaupteter Schäden missbraucht werden und
womöglich eine neue „Klageindustrie“ hervorrufen.
Vor diesem Hintergrund hält es der Bundesrat für angezeigt, die Auswirkungen des
neuen, dem UWG in dieser Art bislang fremden, Schadensersatzanspruchs in rechtlicher
und praktischer Hinsicht zu gegebener Zeit zu evaluieren, um gegebenenfalls
– innerhalb des unionsrechtlich zulässigen Rahmens – gesetzgeberisch nachzusteuern.
7. Zu Artikel 1 Nummer 5a – neu – (§ 11 Absatz 1, 3, 4 und 5 – neu – UWG)
In Artikel 1 ist nach Nummer 5 folgende Nummer 5a einzufügen:
‚5a. § 11 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 1 wird die Angabe „9“ durch die Angabe „9 Absatz 1“ ersetzt.
b) In Absatz 3 werden nach dem Wort „Schadensersatzansprüche“ die
Wörter „nach Absatz 1“ eingefügt.
c) In Absatz 4 werden nach dem Wort „Ansprüche“ die Wörter „nach Absatz
1“ eingefügt.
d) Folgender Absatz 5 wird angefügt:
„(5) Andere Ansprüche nach diesem Gesetz verjähren nach der regelmäßigen
Verjährungsfrist." '
Begründung:
Die Änderung betrifft die Verjährungsfrist für den gemäß Artikel 1 Nummer 5
des Gesetzesentwurfs neu eingeführten Schadensersatzanspruch für Verbraucherinnen
und Verbraucher. Mit dem vorliegenden Vorschlag soll die Verjährungsfrist
für Verbraucherinnen und Verbraucher gemäß Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb (UWG) mit der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei
Jahren gemäß § 195 BGB in Einklang gebracht werden.
Eine Verjährungsfrist von drei Jahren ist für Verbraucherinnen und Verbraucher
insbesondere erforderlich, um auch bei komplexeren Rechtslagen sowie
Streu- und Massenschäden von ihrem Anspruch Gebrauch machen zu können.
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Frist von lediglich sechs Monaten würde
den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine kollektive Wahrnehmung ihrer
Rechte erheblich erschweren. Dies gilt sowohl im Hinblick auf das sukzessive
Bekanntwerden von Schadensfällen wie auch für den Vorbereitungsaufwand
einer Kollektivklage. Zudem wäre eine Kollektivklage im Binnenmarkt – die
durch die Verbandsklage-Richtlinie (EU) 2020/1828 ausdrücklich auf Schadensersatz
erweitert wird – bei einer kurzen Verjährungsfrist praktisch nicht
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anwendbar, da sie eine grenzüberschreitende Beteiligung von Verbraucherinnen
und Verbrauchern voraussetzt.
Der Schadensersatzanspruch für Verbraucherinnen und Verbraucher wird
durch die Änderung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
2005/29/EG infolge von Artikel 3 Nummer 5 der Modernisierungs-Richtlinie
(EU) 2019/2161 verbindlich vorgeschrieben. Gemäß Artikel 11a Absatz 1
2005/29/EG „[haben] „Verbraucher, die durch unlautere Geschäftspraktiken
geschädigt wurden, Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen,
einschließlich Ersatz des dem Verbraucher entstandenen Schadens“. Die Modernisierungs-Richtlinie
(EU) 2019/2161 ist ebenso wie die Verbandsklage-
Richtlinie (EU) 2020/1828 Teil des „New Deal for Consumers“, für den sich
auch die Sonder-Verbraucherschutzministerkonferenz vom
11. September 2018 in Berlin (TOP 7) ausgesprochen hatte.
Die Verlängerung der Verjährungsfrist auf drei Jahre ist deshalb sowohl unter
praktischen Erwägungen des Verbraucherschutzes wie auch aus unionsrechtlichen
Gründen erforderlich.
8. Zu Artikel 1 Nummer 8 (§ 20 UWG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die in
§ 20 UWG geregelten Ordnungswidrigkeiten um Verstöße gegen das Verbot
der Kaufaufforderung an Kinder gemäß Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Absatz
3 UWG erweitert werden können, wenn diese im elektronischen Geschäftsverkehr
erfolgen.
Begründung:
Der Absatz von digitalen Spielen, vor allem über Smartphone-Apps, hat in den
vergangenen Jahren und verstärkt in der aktuellen Pandemie-Situation erheblich
zugenommen. Eine große Zielgruppe stellen dabei Kinder dar. Oftmals erfolgt
der Einstieg über zunächst unentgeltliche Spiele, in deren Verlauf die
Spieler motiviert werden, zusätzliche Leistungen wie eine bessere Ausstattung,
Hilfsmittel oder Spielfiguren entgeltlich zu erwerben. Zum Teil werden auch
bereits von Beginn an entgeltliche Verträge geschlossen, bei denen jedoch gezielt
Anreize zu entgeltlichen Erweiterungen gesetzt werden. Aus anfangs vermeintlich
geringen Beträgen können sich nach einigen Spielrunden hohe
Summen ergeben. Hierbei sind die Spielinhalte speziell für Kinder konzipiert.
Auch die Werbung und die Anreize zum Erwerb entgeltlicher Leistungen sind
so gestaltet, dass sie die kindlichen Emotionen und Bedürfnisse direkt ansprechen.
Im Falle der sog. „Lootboxen“ werden sogar Anreize gesetzt, wie sie für
Glücksspiele typisch sind. In zahlreichen Fällen (siehe u.a. BGH, Urteil v.
17.07.2013, Az. I ZR 34/12) verstoßen die eingesetzten Werbemethoden gegen
das wettbewerbsrechtliche Verbot von unmittelbaren Kaufaufforderungen an
Kinder (Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG).
Das wettbewerbsrechtliche Werbeverbot gemäß Nummer 28 des Anhangs zu
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§ 3 Absatz 3 UWG kann derzeit nur zivilrechtlich durch die nach § 8 Absatz 3
UWG anspruchsberechtigten Personen und Einrichtungen (im Wesentlichen
nur privatrechtlich organisierte Vereinigungen wie die Verbraucherverbände
oder die Wettbewerbszentrale) durchgesetzt werden. Dabei sind auch die Möglichkeiten
der wirtschaftlichen Sanktion sehr begrenzt. Angesichts der großen
Anzahl von Spielen und der erheblichen Umsatzzuwächse ist davon auszugehen,
dass bislang nur in sehr eingeschränktem Maße auf Grundlage des Wettbewerbsrechts
gegen unlautere Anbieter vorgegangen wird. Auch die Vorschriften
des Medienstaatsvertrages bieten keinen umfassenden Schutz.
Um dem damit verbundenen Durchsetzungsdefizit zu begegnen, sollte neben
den zivilrechtlichen Ansprüchen eine ordnungsrechtliche Sanktionsmöglichkeit
für im elektronischen Geschäftsverkehr begangene Verstöße gegen das in
Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Absatz 3 UWG verankerte Werbeverbot in
Form eines Bußgeldtatbestandes geprüft werden. Der Bußgeldrahmen sollte eine
wirkungsvolle wirtschaftliche Sanktion ermöglichen. Auch wenn viele digitale
Spiele keine näheren Anhaltspunkte für eine Kinder- und Jugendgefährdung
i.e.S. bieten (vgl. § 18 Absatz 1 JuSchG), käme aufgrund ihres umfassenden
Auftrags zum Jugendschutz in Bezug auf alle Medien mit Ausnahme des
Rundfunks die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) als geeignete
Behörde in Betracht.
9. Zu Artikel 1 (Änderung des UWG)
Der Bundesrat bedauert, dass das Gesetzgebungsverfahren nicht dafür genutzt
wurde, bei bestimmten schwerwiegenden Verstößen gegen Vorschriften des
Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ein Sanktionskonzept zu
entwickeln, welches den zivilrechtlichen Verbraucherrechtsschutz stimmig ergänzt.
Begründung:
Der Bundesrat hätte es begrüßt, wenn die Umsetzung der Sanktionsregelungen
der Modernisierungsrichtlinie 2019/2161 zum Anlass für eine grundsätzliche
Prüfung genommen worden wäre, welche Verstöße gegen Vorschriften des
UWG eine Bußgeldsanktionierung rechtfertigen. Die Beschränkung auf Verbraucherrechtsverstöße
mit Auslandsbezug bleibt hinter den Erwartungen an
eine effiziente Rechtsdurchsetzung, die mit der Modernisierungsrichtlinie verbunden
sind, weit zurück.
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10. Der Bundesrat hätte es begrüßt, wenn der Einsetzung des Bundesamtes für Justiz
als neuer Verbraucherschutzbehörde mit Sanktionsbefugnissen im Bereich
des Lauterkeitsrechts eine grundsätzliche Debatte über die Erwartungen an eine
für die behördliche Durchsetzung des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes zuständige
Behörde und die daraus resultierenden Anforderungen geführt worden
wäre.
Begründung:
Begrüßenswert wäre auch eine grundlegende Debatte um die für die Sanktionierung
zuständige Behörde gewesen. Durch den Gesetzentwurf wird das Bundesamt
für Justiz, welches in diesem Bereich über einen nur geringen Erfahrungsschatz
verfügt, mit dieser Aufgabe betraut. Aus verbraucherpolitischer
Sicht erscheint auch die Zuständigkeit einer unabhängigen, nicht an Weisungen
gebundenen Behörde, vorzugswürdig. Unabhängige Behörden genießen ein
größeres Verbrauchervertrauen.
11. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Zuständigkeitsregelungen für die
Sanktionierung von Verstößen gegen Vorschriften des UWG unstimmig erscheinen.
Die Sanktionierung von Verstößen gegen Preisangabenpflichten nach
§§ 5c Absatz 1, 2 Nummer 3 in Verbindung mit § 5a Absatz 1 UWG und §§ 1
ff. Preisangabenverordnung (PAngV) durch das Bundesamt für Justiz könnte
einen Eingriff in den Zuständigkeitsbereich der Länder darstellen. Bei weitverbreiteten
Verstößen könnten sowohl die Preisbehörden der Länder als auch das
Bundesamt für Justiz Bußgelder verhängen. Der Bundesrat bittet daher, im weiteren
Gesetzgebungsverfahren zu prüfen und klarzustellen, wie bei preisangabenrechtlichen
Verstößen die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für
Justiz und den für die Durchsetzung der Preisangabenverordnung zuständigen
Behörden der Länder ausgestaltet werden soll.
Begründung:
Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften der Preisangabenverordnung stellen
bereits nach § 10 PAngV Ordnungswidrigkeiten dar, die von den zuständigen
Preisbehörden der Länder geahndet werden können. Irreführende Preisangaben
können nach § 19 Absatz 1 in Verbindung mit § 5c Absatz 1, 2 Nummer 3 in
Verbindung mit § 5a Absatz 1 UWG eine vom Bundesamt für Justiz zu ahndende
Ordnungswidrigkeit darstellen, wenn es sich mindestens um einen weitverbreiteten
Verstoß handelt. Diese Ausgangslage bedarf der Prüfung.
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Empfehlungen, 56/1/21 - 12 -
12. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§ 56a Absatz 6 Satz 1 GewO)
In Artikel 2 Nummer 3 sind in § 56a Absatz 6 Satz 1 die Wörter „nach Absatz 2
Satz 1 anzeigepflichtigen“ zu streichen.
Begründung:
Die Vertriebsverbote des § 56a Absatz 6 GewO sollten zum Schutz der Verbraucher
umfassend und auch mit Wirkung für Veranstalter gelten, die ihren
Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR haben. Daher ist die
Bezugnahme auf die Anzeigepflicht, von der Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten
der EU und des EWR nach § 4 Absatz 1 Satz 2 GewO weiterhin ausgenommen
bleiben sollen, zu streichen.
Die Streichung ist auch vor dem Hintergrund geboten, dass die im Reisegewerbe
allgemein geltenden Vertriebsverbote des § 56 GewO ebenfalls ohne Einschränkung
und unabhängig vom Niederlassungsort des Gewerbetreibenden zu
beachten sind.
13. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§ 56a Absatz 6 Satz 1 Nummer 3– neu – GewO)
In Artikel 2 Nummer 3 ist in § 56a Absatz 6 Satz 1 Nummer 2 der Punkt am
Ende durch ein Semikolon zu ersetzen und folgende Nummer 3 anzufügen:
„3. Finanzdienstleistungen.“
Folgeänderung:
In Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb sind in § 145 Absatz 3
Nummer 6 die Wörter „oder ein Nahrungsergänzungsmittel“ durch die Wörter
„ , ein Nahrungsergänzungsmittel oder Finanzdienstleistungen“ zu ersetzen.
Begründung:
Die Vertriebsverbote des § 56a Absatz 6 GewO sollten zum Schutz der Verbraucher
auch weitere Produkte und Dienstleistungen umfassen, bei denen ein
erhöhtes Gefährdungs- und Schädigungspotential besteht. Dies gilt im Besonderen
für Finanzdienstleistungen.
Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer
Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage
oder Zahlung sind dadurch geprägt, dass sie häufig eine erhöhte Komplexität
aufweisen, eine sorgfältige Vorbereitung und gewissenhafte Beratung
erfordern, den Verbraucher dauerhaften Bindungen unterwerfen sowie die Gefahr
erheblicher finanzieller Schäden bergen. Der Vertriebsweg des Wanderlagers
erscheint deswegen als generell ungeeignet für Finanzdienstleistungen.
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Es ist auch nicht ersichtlich, dass die unionsrechtlichen Regelungen über den
Vertrieb von Finanzprodukten (Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente)
dem entgegenstehen würden, zumal die Richtlinie (EU) 2019/2161 als lex
posterior ausdrücklich den Weg für mitgliedstaatliche Beschränkungen bei mit
Ausflügen verbundenen Verkaufsveranstaltungen geöffnet hat.
Begründung der Folgeänderung
Folge der Aufnahme der Finanzdienstleistungen in § 56a Absatz 6 Satz 1.
14. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§ 56a Absatz 6 Satz 1 Nummer 3 -neu- GewO)
In Artikel 2 Nummer 3 ist in § 56a Absatz 6 Satz 1 Nummer 2 der Punkt am
Ende durch ein Semikolon zu ersetzen und folgende Nummer 3 anzufügen:
„3. Pauschalreisen im Sinne von § 651a Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch.“
Folgeänderung:
In Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb sind in § 145 Absatz 3
Nummer 6 die Wörter „oder ein Nahrungsergänzungsmittel“ durch die Wörter
„ , ein Nahrungsergänzungsmittel oder Pauschalreisen“ zu ersetzen.
Begründung:
Die Vertriebsverbote des § 56a Absatz 6 GewO sollten zum Schutz der Verbraucher
auch weitere Produkte und Dienstleistungen umfassen, bei denen ein
erhöhtes Gefährdungs- und Schädigungspotential besteht. Dies gilt im Besonderen
für Pauschalreisen.
Nach Erkenntnissen der Verbraucherverbände wurden bei Verkaufsveranstaltungen
im Wanderlager in der Vergangenheit zunehmend – teilweise unter falschen
Angaben – Pauschalreisen aktiv vertrieben, die für die Teilnehmer nicht
geeignet oder mit hohen Zusatzkosten verbunden waren, welche erst nachträglich
offengelegt wurden. Dabei wurden häufig Vorauszahlungen verlangt, deren
Rückerstattung bei Widerruf oder Rücktritt vom Reisevertrag nicht mehr
durchgesetzt werden konnte.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die unionsrechtlichen Regelungen über die
Rechte der Reisenden bei Pauschalreisen (Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen
und verbundene Reiseleistungen) dem entgegenstehen würden, zumal
die Richtlinie (EU) 2019/2161 als lex posterior ausdrücklich den Weg für mitgliedstaatliche
Beschränkungen bei mit Ausflügen verbundenen Verkaufsveranstaltungen
geöffnet hat.
...
Wi
Empfehlungen, 56/1/21 - 14 -
Begründung der Folgeänderung:
Folge der Aufnahme der Pauschalreisen in § 56a Absatz 6 Satz 1.
15. Zum Gesetzentwurf allgemein
a) Der Bundesrat stellt fest, dass mit den zur Modernisierung des Verbraucherschutzes
vorgelegten Gesetzesentwürfen (BR-Drucksachen 18/21,
56/21, 60/21 und 61/21) insgesamt 17 neue Informationspflichten für die
Unternehmen in Deutschland angeordnet werden. Die Vielzahl der zusätzlichen
Informationspflichten führt zusammengenommen zu einer hohen
Belastung der Unternehmen, dies gilt insbesondere für kleinere und mittlere
Unternehmen.
b) Bei Vertragsschließungen erhalten Verbraucher bereits heute viele Informationen
durch die anbietenden Unternehmen. Missverständnisse zwischen
Verbraucher und Unternehmen beruhen vielfach nicht auf zu wenig Informationen,
sondern darauf, dass die vielen unterschiedlichen Informationen
beim Verbraucher nicht ausreichend gut ankommen. Der erhoffte Mehrwert,
der sich aus diesen neuen Informationspflichten ergeben soll, wird
daher in Frage gestellt. Stattdessen wären Vereinfachungen und Standardisierungen
sinnvoll, um die Verbraucher gezielt über die tatsächlich wichtigen
Vertragsbestandteile und Rechte zu informieren. Von Vereinfachungen
und Standardisierungen können auch die Unternehmen, vor allem
KMU, profitieren.
c) Vor diesem Hintergrund bittet der Bundesrat im weiteren Verlauf des
Gesetzgebungsverfahrens sicherzustellen, dass die Anforderungen des EU-
Rechts 1:1 umgesetzt werden und keine darüber hinausgehenden Informationspflichten
erlassen werden.
d) Der Bundesrat bittet des Weiteren, die Einführung weiterer Informationspflichten
kritisch zu prüfen und über neue Wege nachzudenken, wie Verbraucher
gezielt über die tatsächlich wichtigen Vertragsbestandteile und
Rechte informiert werden können.
e) Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens
Vereinfachungen und Standardisierungen der Informationspflichten zu
prüfen, um die Verständlichkeit beim Verbraucher zu erhöhen und die
Unternehmen zu entlasten.
...
- 15 - Empfehlungen, 56/1/21
16. Der Ausschuss für Kulturfragen empfiehlt dem Bundesrat,
B.
gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine
Einwendungen zu erheben.