Wi
Bundesrat Drucksache 266/1/21
E m p f e h l u n g e n
der Ausschüsse
23.04.21
U - Wi
zu Punkt … der 1004. Sitzung des Bundesrates am 7. Mai 2021
Verordnung über die Beschaffenheit und Kennzeichnung von
bestimmten Einwegkunststoffprodukten
(Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung - EWKKennzV)
Der federführende Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und nukleare Sicherheit (U) und
der Wirtschaftsausschuss (Wi)
empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes
nach Maßgabe folgender Änderungen zuzustimmen:
1. Zu § 2 Satz 1 Nummer 2 EWKKennzV
A
In § 2 Satz 1 sind Nummer 2 die Wörter „dabei werden Modifikationen
während eines Herstellungsprozesses, die wieder rückgängig gemacht wurden,
nicht als chemische Modifikation angesehen;“ anzufügen.
Begründung:
Gemäß Artikel 12 der Richtlinie (EU) vom 5. Juni 2019 über die Verringerung
der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt soll die
Kommission bis zum 3. Juli 2020 in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten Leitlinien
veröffentlichen, die Beispiele dafür enthalten, was als Einwegkunststoffartikel
für die Zwecke der Richtlinie zu betrachten ist. Diese Veröffentlichung
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln
Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0720-2946
...
U
Wi
[nur U]
{nur Wi }
Empfehlungen, 266/1/21 - 2 -
steht bis dato noch aus. Damit fehlt zur Auslegung des Begriffes „Kunststoff“
insbesondere die konkrete Definition der Formulierung „natürliche[n] Polymeren,
die nicht chemisch modifiziert wurden“.
Bei einer engen Auslegung des Begriffs „chemisch modifiziert“ würden auch
natürliche Polymere, wie beispielsweise Viskosefasern, unter den Anwendungsbereich
der Richtlinie fallen. Auf Grund der Eigenschaften von Viskose
(biologisch abbaubar, aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt) erscheint
eine solche Interpretation jedoch nicht zielführend. Deshalb hat es der Bundesrat
bereits in seiner 1001. Sitzung am 5. März 2021 unter anderem als kritisch
eingestuft, dass nach den neuen Leitlinienentwürfen der EU Viskose als Kunststoff
einzustufen sei (BR-Drucksache 64/21 (Beschluss)). Es ist daher erforderlich,
eine entsprechende Konkretisierung der Definition von „Kunststoff“ vorzunehmen.
2. Zu § 4 Absatz 1 Nummer 1 EWKKennzV
In § 4 Absatz 1 Nummer 1 sind die Wörter „Hygieneeinlagen, insbesondere
Binden,“ durch die Wörter „Hygieneeinlagen (Binden)“ zu ersetzen.
Begründung:
[In § 4 Absatz 1 Nummer 1 wird eine Kennzeichnungspflicht für „Hygieneeinlagen,
insbesondere Binden,“ formuliert. In der Richtlinie (EU)
2019/904 lautet die entsprechende Formulierung hingegen „Hygieneeinlagen
(Binden)“. Während in der EU-Richtlinie die Kennzeichnungspflicht ausschließlich
Binden betrifft, wird in der deutschen Fassung der Geltungsbereich
ausgeweitet. Neben Binden sind weitere Hygieneeinlagen betroffen, beispielsweise
auch Inkontinenzprodukte. Diese Ausweitung des Geltungsbereiches ist
schon deshalb zu vermeiden, um eine einheitliche Umsetzung im gesamten europäischen
Binnenmarkt sicherzustellen. Zusätzlich ist es auch fachlich nicht
gerechtfertigt, Inkontinenzprodukte einzubeziehen, da bei diesen, im Unterschied
zu kleineren Binden, aufgrund der Größe eine Entsorgung über die
Toilette nicht möglich ist.]
{§ 4 Absatz 1 der Verordnung dient der Umsetzung von Artikel 7 Absatz 1
und 3 der Richtlinie (EU) 2019/904 (Einwegkunststoffrichtlinie). Hiernach haben
die EU-Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass die in Teil D des Anhangs
aufgeführten und in Verkehr gebrachten Einwegkunststoffprodukte entweder
auf der Verpackung oder dem Produkt selbst die näher bestimmte Kennzeichnung
tragen.
...
Wi
- 3 - Empfehlungen, 266/1/21
In Anhang Teil D Ziffer 1 sind ausschließlich „Hygieneeinlagen (Binden)“ genannt.
Durch die vom EU-Wortlaut abweichende Formulierung „Hygieneeinlagen,
insbesondere Binden“ in § 4 Absatz 1 Nummer 1 wird der Anwendungsbereich
auf weitere Produkte erweitert, da Binden darin nur beispielhaft
(„insbesondere“) genannt sind.
Auch in Artikel 2 Absatz 1 der Durchführungsverordnung 2020/2151 zur Einwegkunststoffrichtlinie
werden die harmonisierten Kennzeichnungsvorschriften
ebenfalls ausschließlich für „Hygieneeinlagen (Binden)“ festgelegt.
Die Einbeziehung von Inkontinenzprodukten, wie in der Verordnungsbegründung
zu § 4 Absatz 1 Nummer 1 impliziert wird, würde über eine 1 : 1-
Umsetzung der EU-Richtlinie hinausgehen. Zudem sind in der Einwegkunststoffrichtlinie
grundsätzlich Einwegkunststoffartikel, die in den Geltungsbereich
der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte
fallen (ABl. L 169 vom 12. Juli 1993, Seite 1) ausgenommen.
Aus der EU-Richtlinie und der Durchführungsverordnung selbst ergibt sich
nicht, dass – wie die Verordnungsbegründung zu § 4 Absatz 1 Nummer 1 ausführt
– der Begriff „Hygieneeinlagen“ weit zu verstehen sei und darunter auch
Einweghosen oder Inkontinenzprodukte fallen. Der Verweis auf die unverbindlichen,
noch nicht finalisierten und grundsätzlich jederzeit änderbaren Leitlinien
der Kommission zu Begriffsbestimmungen genügt nicht den Anforderungen
an die verfassungsrechtliche Bestimmtheit von Vorschriften. Der Anwendungsbereich
einer Pflicht muss für den Adressaten erkennbar und durch
Auslegung ermittel- und konkretisierbar sein.
Da die verbindlichen EU-Rechtsakte nur Binden als Hygieneeinlagen benennen,
mussten sich die Hersteller auch nur dieser Produkte auf die Umsetzung
der Kennzeichnungspflicht einstellen. Den Anwendungsbereich nun mit der
vorliegenden Verordnung auf weitere Produkte zu erweitern, würde bedeuten,
dass bisher nicht betroffene Hersteller ab Veröffentlichung der finalisierten
EWKKennzV binnen weniger als zwei Monaten einen entsprechenden Aufdruck
oder Aufkleber in ihre Prozesse integrieren müssten. Soweit dies überhaupt
betrieblich umsetzbar ist, wäre es jedenfalls mit erheblichen Kosten verbunden.
Aus der EU-Richtlinie folgt, dass dort von einem Jahr als angemessener Frist
für eine Umsetzung der Kennzeichnungspflicht ausgegangen wurde (ab Vorlage
der Kennzeichnungsvorgaben durch die Kommission, die gemäß Artikel 7
Absatz 2 bis zum 3. Juli 2020 hätte erfolgen müssen, bis zum 3. Juli 2021).}
3. Zu § 4 Absatz 1 Nummer 3 EWKKennzV
In § 4 Absatz 1 Nummer 3 ist das Wort „insbesondere“ durch die Wörter „das
heißt“ zu ersetzen.
...
Empfehlungen, 266/1/21 - 4 -
Begründung:
§ 4 Absatz 1 der Verordnung dient der Umsetzung von Artikel 7 Absatz 1
und 3 der Richtlinie (EU) 2019/904 (Einwegkunststoffrichtlinie). Hiernach
haben die EU-Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass die in Teil D des Anhangs
aufgeführten und in Verkehr gebrachten Einwegkunststoffprodukte entweder
auf der Verpackung oder dem Produkt selbst die näher bestimmte Kennzeichnung
tragen. In Anhang Teil D Ziffer 2 sind ausschließlich „Feuchttücher, das
heißt getränkte Tücher für Körper- und Haushaltspflege“ genannt. Durch die
vom EU-Wortlaut abweichende Formulierung „Feuchttücher, insbesondere
getränkte Tücher für Körper- und Haushaltspflege“ in § 4 Absatz 1 Nummer 3
wird der Anwendungsbereich auf weitere Produkte wie zum Beispiel industrielle
Feuchttücher erweitert, da Feuchttücher für Körper- und Haushaltspflege
darin nur beispielhaft („insbesondere“) genannt sind.
Auch in Artikel 2 Absatz 2 der Durchführungsverordnung 2020/2151 zur Einwegkunststoffrichtlinie
werden die harmonisierten Kennzeichnungsvorschriften
ebenfalls ausschließlich für „Feuchttücher, das heißt getränkte Tücher für
Körper- und Haushaltspflege“ festgelegt. Die Möglichkeit zur Einbeziehung
von weiteren Anwendungsbereichen, wie in der Verordnungsbegründung zu
§ 4 Absatz 1 Nummer 3 impliziert wird, würde über eine 1 : 1-Umsetzung der
EU-Richtlinie hinausgehen.
Aus der EU-Richtlinie und der Durchführungsverordnung selbst ergibt sich
nicht, dass – wie die Verordnungsbegründung zu § 4 Absatz 1 Nummer 3 ausführt
– der Begriff „Feuchttücher “ weit zu verstehen sei. Der Verweis auf die
unverbindlichen, noch nicht finalisierten und grundsätzlich jederzeit änderbaren
Leitlinien der Kommission zu Begriffsbestimmungen genügt nicht den
Anforderungen an die verfassungsrechtliche Bestimmtheit von Vorschriften.
Der Anwendungsbereich einer Pflicht muss für den Adressaten erkennbar und
durch Auslegung ermittel- und konkretisierbar sein. Den Anwendungsbereich
nun mit der vorliegenden Verordnung auf weitere Produkte zu erweitern,
würde bedeuten, dass bisher nicht betroffene Hersteller ab Veröffentlichung
der finalisierten EWKKennzV binnen weniger als zwei Monaten einen entsprechenden
Aufdruck oder Aufkleber in ihre Prozesse integrieren müssten.
Soweit dies überhaupt betrieblich umsetzbar ist, wäre es jedenfalls mit erheblichen
Kosten verbunden.
Aus der EU-Richtlinie folgt, dass dort von einem Jahr als angemessener Frist
für eine Umsetzung der Kennzeichnungspflicht ausgegangen wurde (ab Vorlage
der Kennzeichnungsvorgaben durch die Kommission, die gemäß Artikel 7
Absatz 2 bis zum 3. Juli 2020 hätte erfolgen müssen, bis zum 3. Juli 2021).
...
U
bei
Annahme
entfällt
Ziffer 5
Buchstabe
b
4. Zu § 6 EWKKennzV
§ 6 ist wie folgt zu fassen:
- 5 - Empfehlungen, 266/1/21
„§ 6
Inkrafttreten
(1) § 5 tritt am 1. Januar 2022 in Kraft.
(2) Im Übrigen tritt die Verordnung vorbehaltlich des Absatzes 3 am
3. Juli 2021 in Kraft.
(3) Erfolgt die Verkündung nach dem 3. Juli 2021, tritt die Verordnung im
Übrigen am Tag nach der Verkündung in Kraft.“
Begründung:
Gemäß Artikel 12 der Richtlinie (EU) vom 5. Juni 2019 über die Verringerung
der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt soll die
Kommission bis zum 3. Juli 2020 in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten Leitlinien
veröffentlichen, die Beispiele dafür enthalten, was als Einwegkunststoffartikel
für die Zwecke der Richtlinie zu betrachten ist. Diese Veröffentlichung
steht bis dato noch aus.
Da der Inhalt der Leitlinien noch nicht feststeht, werden für Produkte, die
durch ebendiese Auslegungshinweise möglicherweise in den Anwendungsbereich
fallen werden (zum Beispiel für Viskoseprodukte möglich), bereits ab
dem 3. Juli 2021 Kennzeichnungspflichten gelten. Eine Umstellung der Produktion
allein auf Grund der – derzeit strittig diskutierten – Entwürfe der Leitlinien
erscheint nicht sachgerecht. Auch wird die Umstellung der Produktion
für Produkte, die erst nach Veröffentlichung der Leitlinien unter den Anwendungsbereich
der EWKKennzV fallen, eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.
Es ist daher geboten, zumindest das Inkrafttreten der Ordnungswidrigkeitenbestimmung
(§ 5 EWKKennzV) um sechs Monate zu verschieben.
...
Wi
Buchstabe
b
entfällt
bei
Annahme
von
Ziffer 4
Empfehlungen, 266/1/21 - 6 -
5. Zu § 5,
§ 6 Satz 1 und Satz 3 – neu – EWKKennzV
Die Verordnung ist wie folgt zu ändern:
a) § 5 ist wie folgt zu fassen:
„§ 5
Ordnungswidrigkeiten
Ordnungswidrig im Sinne des § 69 Absatz 1 Nummer 8 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes
handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 3
Absatz 1 Satz 1 ein Produkt in Verkehr bringt. Ordnungswidrig im Sinne
des § 69 Absatz 1 Nummer 8 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes handelt auch,
wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 4 ein Produkt in Verkehr bringt.“
b) § 6 ist wie folgt zu ändern:
aa) In Satz 1 sind die Wörter „des Satzes 2“ durch die Wörter „der Sätze 2
und 3“ zu ersetzen.
bb) Folgender Satz ist anzufügen:
„§ 5 Satz 2 tritt sechs Monate nach Verkündung der Verordnung in
Kraft“
Begründung:
§ 5 stuft das vorsätzliche oder fahrlässige Inverkehrbringen eines Produktes der
EWKKennzV entgegen der Kennzeichnungspflicht nach § 4 als Ordnungswidrigkeit
ein und bewehrt diese mit einem Bußgeldrahmen von bis zu
100 000 Euro (§ 69 Absatz 1 Nummer 8 und Absatz 3 Kreislaufwirtschaftsgesetz).
Außerdem kann nach § 70 Kreislaufwirtschaftsgesetz die Einziehung
der Ware angeordnet werden.
Abweichend von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 2019/904 (Einwegkunststoff-Richtlinie)
hat die Kommission die Festlegung der harmonisierten Vorgaben
für die Kennzeichnung nicht zum 3. Juli 2020 vorgelegt, sondern die
Durchführungsverordnung (EU) 2020/2151 erst am 17. Dezember 2020 veröffentlicht,
also mit fast einem halben Jahr Verspätung.
...
U
- 7 - Empfehlungen, 266/1/21
Am 5. März 2021 folgte zudem noch eine Berichtigung der Piktogramme:
Danach muss der Schriftzug darin nicht nur auf Englisch, sondern in der jeweiligen
Sprache des Mitgliedstaats, in dem das Produkt in Verkehr gebracht wird,
aufgebracht werden. Erst ab 17. Dezember 2020 beziehungsweise 5. März
2021 gab es also finale Vorgaben für die Kennzeichnung, auf die sich die Hersteller
einstellen konnten.
Betroffene Unternehmen kritisieren daher, dass die Verkürzung der Anpassungsfrist
von einem Jahr auf weniger als vier Monate zu kurz ist, um ihre Ware
an die neuen Vorgaben anzupassen oder dass dies erheblichen Aufwand und
Kosten erfordert. Das gilt umso mehr für Unternehmen, die infolge der verzögerten
Vorlage der Leitlinien nach Artikel 12 der Einwegkunststoff-
Richtlinie noch gar nicht wissen, ob ihre Produkte letztlich in den Anwendungsbereich
der Richtlinie gezogen werden (zum Beispiel Produkte aus
Viskose).
Die Einwegkunststoff-Richtlinie stufte ein Jahr zwischen Vorlage der Kennzeichnungsvorgabe
und Umsetzungsfrist als angemessen ein (Artikel 7
Absatz 2). Nachdem eine fristgemäße Umsetzung der Kennzeichnung angesichts
der genannten Verzögerungen bis zum 3. Juli 2021 nicht vollständig gesichert
ist aus Gründen, welche die Unternehmen nicht zu verantworten haben,
sollte zumindest die Bußgeldbewehrung um sechs Monate aufgeschoben werden.
Eine sofortige Bußgeldbewehrung im Rahmen von bis zu 100 000 Euro
wäre unverhältnismäßig.
B
Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
(U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat ferner, die
folgende
zu fassen:
E n t s c h l i e ß u n g
6. a) Der Bundesrat stellt fest, dass die Umsetzung der Vorgaben zur Kennzeichnung
von Einwegkunststoffprodukten der Richtlinie (EU) 2019/904 (Einwegkunststoffrichtlinie)
Anhang Teil D in Verbindung mit der Durchführungsverordnung
(EU) 2020/2151 durch die EWKKennzV einen wichtigen
Beitrag zur Reduzierung des Kunststoffeintrags in die Umwelt darstellt, indem
mit der Kennzeichnung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern
...
Empfehlungen, 266/1/21 - 8 -
das Bewusstsein für die in bestimmten Produkten enthaltenen Kunststoffe
geschärft wird. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung eine 1 : 1-
Umsetzung der europäischen Vorgaben in nationales Recht plant, da eine
einheitliche Vorgehensweise der Mitgliedstaaten aus binnenmarktrechtlichen
Gründen notwendig ist.
b) Der Bundesrat bedauert vor diesem Hintergrund, dass die von der Europäischen
Kommission nach Artikel 12 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2019/904 zu
erarbeitenden Leitlinien zur Auslegung des Begriffs „Einwegkunststoffprodukt“
noch nicht vorliegen, obwohl dies zum 3. Juli 2020 hätte erfolgen sollen.
Daher besteht derzeit keine Rechtssicherheit für die Unternehmen, weil
unklar ist, für welche konkreten Produkte die Richtlinie (EU) 2019/904 gilt.
Hinsichtlich der Festlegung der Kennzeichnungspflicht weist der Bundesrat
insbesondere auf die in § 4 Absatz 1 Nummer 1 des Entwurfs der EWK-
KennzV genannten Hygieneeinlagen hin.
c) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, sich bei der EU-
Kommission für eine zügige Veröffentlichung der Leitlinien einzusetzen,
damit Rechtssicherheit besteht, welche Produkte von der Kennzeichnungspflicht
EU-weit betroffen sind.
Begründung:
Die Kennzeichnungspflicht soll dazu dienen, die Verbraucherinnen und Verbraucher
dahingehend zu informieren, dass die entsprechenden Produkte
Kunststoffe enthalten und es besonders wichtig ist, diese ordnungsgemäß und
insbesondere nicht über den Wasserpfad zu entsorgen. Diese Information kann
einen Beitrag zur Reduktion des Kunststoffeintrags in die Umwelt leisten, insbesondere
vor dem Hintergrund, dass vielen Bürgerinnen und Bürgern bei
manchen der Produkten wie z. B. Zigarettenfiltern nicht bewusst ist, dass diese
Kunststoffe enthalten.
Aus binnenmarktrechtlichen Gründen ist ein korrekte 1 : 1-Umsetzung der europäischen
Vorgaben für die Kennzeichnung von Eiwegkunststoffprodukten
erforderlich, da die erfassten Produkte auch über nationale Grenzen hinweg
vertrieben werden. Eine Ausdehnung der Pflichten auf weitere Produkte als die
in der Richtlinie (EU) 2019/904 genannten durch nationale Regelungen müsste
angemessen und verhältnismäßig sein, was nur bei Vorliegen guter Gründe der
Fall sein könnte.
Daher ist es zwingend erforderlich, umgehend eine Klärung der Interpretation
der Begrifflichkeiten herbeizuführen, um Rechtsklarheit zu schaffen.
Unabhängig davon ist für den speziellen Fall der in § 4 Absatz 1 Nummer 1
des Entwurfs der EWKKennzV genannten Hygieneeinlagen die Formulierung
...
Wi
- 9 - Empfehlungen, 266/1/21
„Hygieneeinlagen, insbesondere Binden“ der EWKKennzV nicht grundsätzlich
zu beanstanden, da somit alle vergleichbaren Produkte erfasst sind. Die Ausführungen
in der Begründung zu dem Verordnungsentwurf führen jedoch zu
dem Schluss, dass unter Hygieneeinlagen auch alle Inkontinenzprodukte bis
hin zu Einweghosen zu verstehen seien.
Das Risiko der Entsorgung über die Toilette besteht bei Inkontinenzprodukten
jedoch nicht in vergleichbarem Ausmaß wie bei Damenbinden. Aufgrund des
Volumens von gebrauchten Inkontinenzprodukten ist ein solcher Entsorgungsweg
kaum möglich. Insofern sollte eine Klarstellung erfolgen, dass Inkontinenzprodukte
in diesem Zusammenhang nicht unter Hygieneeinlagen zu subsumieren
sind. Sollte sich aus dem Dialog mit der Kommission ergeben, dass –
entgegen den Ausführungen in Erwägungsgrund 20 der Richtlinie – auch Inkontinenzprodukte
zu kennzeichnen sind, müsste dies zeitnah kommuniziert
werden.
Außerdem sollten in diesem Fall die Kennzeichnungsbestimmungen für die betreffenden
Produkte später in Kraft treten. Da die verbindlichen EU-Rechtsakte
nur Binden als Hygieneeinlagen benennen, mussten sich die Hersteller auch
nur dieser Produkte auf die Umsetzung der Kennzeichnungspflicht einstellen.
Den Anwendungsbereich nun mit dem vorliegenden Entwurf auf weitere Produkte
zu erweitern, würde bedeuten, dass bisher nicht betroffene Hersteller ab
Veröffentlichung der finalisierten EWKKennzV binnen weniger als zwei Monaten
einen entsprechenden Aufdruck oder Aufkleber in ihre Prozesse integrieren
müssten. Soweit dies überhaupt betrieblich umsetzbar ist, wäre es jedenfalls
mit erheblichen Kosten verbunden. Aus der EU-Richtlinie folgt, dass dort
von einem Jahr als angemessener Frist für eine Umsetzung der Kennzeichnungspflicht
ausgegangen wurde (ab Vorlage der Kennzeichnungsvorgaben
durch die EU-Kommission, die gemäß Artikel 7 Absatz 2 bis zum 3. Juli 2020
hätte erfolgen müssen, bis zum 3. Juli 2021). Eine durch die EU-Kommission
zu vertretende Verzögerung rechtsklarer Bestimmung sollte nicht zu Nachteilen
der Wirtschaftsbeteiligten führen.
7. a) Der Bundesrat sieht mit großer Sorge, dass die EU-Leitlinien zur Konkretisierung
der EU-Richtlinie 2019/904 (Einwegkunststoff-Richtlinie) viel
später als vorgegeben vorliegen (Frist war 3. Juli 2020). Da die Leitlinien
auch für die Auslegung der Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung
wesentliche Bedeutung haben, bekräftigt der Bundesrat seinen in der
1001. Sitzung am 5. März 2021 gefassten Beschluss bezüglich der verzögerten
Finalisierung und der Konkretisierung des Begriffs „Kunststoff“
der EU-Leitlinien nach Artikel 12 der Einwegkunststoff-Richtlinie (BR-
Drucksache 64/21(Beschluss), Ziffer 24). Der Bundesrat begrüßt, dass die
Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung eindeutig die Fassung der EU-
Leitlinien von September 2020 als fachlich richtig einstuft und erwartet,
...
Empfehlungen, 266/1/21 - 10 -
dass sie an der Auslegung, dass Viskose nicht als Kunststoff einzustufen ist,
weiterhin festhält.
b) Der Bundesrat geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass die in § 2
Nummer 1 EWKKennzV genannte Legaldefinition für „Kunststoff“ nur für
die Umsetzung der Einwegkunststoff-Richtlinie gilt.
c) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung um Prüfung, ob die Definition für
„Kunststoff“ in der vorliegenden Verordnung dem verfassungsrechtlichen
Bestimmtheitsgebot genügt. Danach müssen für den Anwendungsbereich
und Pflichteninhalt wesentliche Begriffe für die Adressaten verständlich
und mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf zur Umsetzungsfrist abschätzbar
sein. Die dynamische Bezugnahme in der Begründung auf die rechtlich unverbindlichen,
noch nicht finalisierten und grundsätzlich jederzeit ohne
formalen Einfluss der Mitgliedstaaten änderbaren Leitlinien der Kommission
erzeugen hingegen erhebliche Rechts- und Planungsunsicherheit.
d) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in künftigen Rechtsetzungsverfahren
auf EU-Ebene, bei denen – wie im vorliegenden Fall – zusätzliche
Rechtsakte, Leitlinien oder andere Maßnahmen bis zu einer bestimmten
Frist von der Kommission oder anderen EU-Behörden vorzulegen sind,
welche für den Anwendungsbereich oder Pflichteninhalt wesentlich sind,
eine Klausel zu fordern, die sicherstellt, dass sich bei Versäumnis dieser
Frist das Inkrafttreten der Pflichten um die Dauer der Verzögerung verlängert.
Es ist nicht hinnehmbar, dass durch derartige Verzögerungen der
Anwendungsbereich einer Regelung oder der Pflichteninhalt für die
Adressaten bis kurz vor Inkrafttreten unklar bleibt und sich die Umsetzungsfrist
auf einen Bruchteil der ursprünglich vorgesehenen Zeit verkürzt.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Zu Buchstabe a:
Der Gegenäußerung der Bundesregierung, eine ausdrückliche Ausnahme von
Viskose vom Kunststoffbegriff sei EU-rechtlich nicht zulässig, ist entgegen zu
halten, dass es keine zwingende Pflicht zur wortwörtlichen Übernahme von
Richtlinientexten bei der Umsetzung gibt, solange Anwendungsbereich und
Pflichten inhaltlich übereinstimmen.
Viskoseprodukte, insbesondere Hygieneartikel mit intensivem Hautkontakt,
werden sehr wohl stigmatisiert, wenn sie aufgrund einer fachlich nicht gerechtfertigten
Einstufung als „Kunststoffprodukt“ mit „enthält Kunststoff“ und dem
Hinweis auf Umweltgefahren zu kennzeichnen sind.
...
Zu Buchstabe b:
- 11 - Empfehlungen, 266/1/21
Die Legaldefinitionen für „Kunststoff“ in § 2 Nummer 2 EWKKennzV (und
auch § 3 Absatz 21 VerpackG-Entwurf, BR-Drucksache 64/21) sind nicht klar
genug auf den Anwendungsbereich bzw. die Produkte der Einwegkunststoff-
Richtlinie und die diese umsetzenden Regelungen begrenzt. Es ist zu befürchten,
dass die Legaldefinition auch zur Auslegung anderer Regelungen im Verpackungsgesetz
oder verwandten Regelungsbereichen herangezogen wird,
welche den Begriff „Kunststoff“ verwenden (zum Beispiel § 1 Absatz 4, § 5
Absatz 1 und 2, § 16 Absatz 2 VerpackG, § 20 Absatz 2 Nummer 2 Kreislaufwirtschaftsgesetz,
§ 8 Absatz 1 Nummer 1 Gewerbeabfallverordnung).
Dort ist „Kunststoff“ aber anders auszulegen. Denn der Kunststoffbegriff der
REACH-VO „sollte (nur) für die Zwecke der Richtlinie angepasst und eine
eigenständige Definition eingeführt werden“ (Erwägungsgrund 11 Einwegkunststoff-Richtlinie).
Unsicherheiten, ob ein Produkt, das wegen geringen
Kunststoffgehalts als „Einwegkunststoffprodukt“ einzustufen ist (zum Beispiel
kunststoffbeschichteter Einweg-Becher), bei Abfallanfall der Fraktion „Kunststoffabfall“
zuzuordnen ist, sind zu vermeiden.
Zu Buchstabe d:
Im Fall der Einwegkunststoff-Richtlinie hatte die Kommission den Durchführungsrechtsakt
zur Festlegung der harmonisierten Vorgaben für die Kennzeichnung
bis zum 3. Juli 2020 vorzulegen (Artikel 7 Absatz 2). Die Durchführungsverordnung
2020/2151 wurde aber erst am 17. Dezember 2020 veröffentlicht
und am 5. März 2021 zusätzlich inhaltlich korrigiert, so dass sich
die ursprünglich vorgesehene Umsetzungsfrist für die Wirtschaftsakteure von
einem Jahr auf weniger als vier Monate verkürzte. Noch mehr gilt dies für die
EU-Leitlinien nach Artikel 12 der Einwegkunststoff-Richtlinie, die ebenfalls
bis 3. Juli 2020 zu finalisieren waren.
Ein weiteres Beispiel ist die sogenannte „SCIP-Datenbank“ (§ 16f Chemikaliengesetz),
welche von der Europäischen Chemikalienagentur ebenfalls statt
bis zum 5. Januar 2020 erst im Oktober 2020 bereitgestellt wurde. Die Frist zur
Umsetzung (5. Januar 2021) verkürzte sich dadurch für die Unternehmen von
einem Jahr auf zwei Monate.
Derartige Verkürzungen von Anpassungsfristen erhöhen den Aufwand, erzeugen
Rechts-, Planungs- und Investitionsunsicherheit und beeinträchtigen die
Akzeptanz von Regelungen.