Bundesrat Drucksache 170/21
Gesetzentwurf
der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes
zu dem Protokoll vom 15. Dezember 2020
zur Änderung des Abkommens vom 29. November 1996
zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik Estland
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
auf dem Gebiet der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen
A. Problem und Ziel
Das Mehrseitige Übereinkommen vom 24. November 2016 (BGBl.
2020 II S. 946, 947) zur Umsetzung steuerabkommensbezogener
Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinn -
verlagerung (Multilaterales Instrument – MLI) wurde am 7. Juni 2017
durch die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet. Ziel ist es, die
abkommensbezogenen Empfehlungen des gemeinsamen Projekts
der OECD und G20 zur Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung
(„Base Erosion and Profit Shifting“ – BEPS) – insbesondere des Mindeststandards
in Aktionspunkt 6 (Vermeidung von Abkommensmissbrauch)
– in die zwischen den beigetretenen Staaten bestehenden
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zu implementieren. Für die Wirkung
des Multilateralen Instruments ist jedoch entscheidend, welche
Auswahlentscheidungen die einzelnen Unterzeichnerstaaten getroffen
haben und inwieweit eine Übereinstimmung der Auswahlentscheidungen
im jeweiligen bilateralen Verhältnis vorliegt („matching“).
Alternativ können die Inhalte des Multilateralen Instruments im Wege
bilateraler Protokolle zur Änderung des bestehenden Abkommens
umgesetzt werden. Mit der Republik Estland wurde vereinbart, die Ergebnisse
der Auswahlentscheidungen zum Multilateralen Instrument
zwischen Deutschland und Estland über ein bilaterales Änderungsprotokoll
umzusetzen. Das Abkommen vom 29. November 1996 zwischen
Fristablauf: 26. 03. 21
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln
Telefon: (02 21) 97 66 83 40, Telefax: (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0720-2946
12. 02. 21
Fz
Drucksache 170/21 – 2 – Bundesrat
der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Estland zur Ver -
meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen (BGBl. 1998 II S. 547, 548) kann daher
aus dem Geltungsbereich des Multilateralen Instruments selbst ausgenommen
werden.
B. Lösung
Das Änderungsprotokoll vom 15. Dezember 2020 fügt die sich aus der
Übereinstimmung der Auswahlentscheidungen zum Multilateralen Instrument
ergebenden Regelungen in das Abkommen vom 29. November
1996 ein und nimmt erforderliche Anpassungen und Änderungen
an den bestehenden Regelungen vor. Hervorzuheben sind folgende
Punkte:
1. Titel und Präambel
Durch eine Änderung des Titels und der Präambel wird entsprechend
dem BEPS-Mindeststandard ausgedrückt, dass sowohl
Doppelbesteuerungen als auch Nichtbesteuerungen oder reduzierte
Besteuerungen vermieden werden sollen.
2. Missbrauchsvermeidung
In dem Abkommen wird das gegenseitige Verständnis darüber
festgehalten, dass das DBA der Anwendung der nationalen Missbrauchsregelungen
beider Staaten nicht entgegensteht. Zudem
wurde die dem BEPS-Mindeststandard entsprechende Missbrauchsvermeidungsklausel,
die auf ein Hauptzweck-Kriterium
abstellt („Principal Purpose Test“ – PPT), aufgenommen.
Mit dem vorliegenden Vertragsgesetz soll das Änderungsprotokoll die
für die Ratifikation erforderliche Zustimmung der gesetzgebenden
Körperschaften erlangen.
C. Alternativen
Keine.
Mit Unterzeichnung des Änderungsprotokolls haben sowohl Deutschland
als auch Estland das Abkommen vom 29. November 1996
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Estland
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen in deren Auswahlentscheidungen
zum Multilateralen Instrument von der Liste der erfassten Doppel -
besteuerungsabkommen („covered tax agreements“) genommen. Eine
Umsetzung der Inhalte dieses Änderungsprotokolls über das Multi -
laterale Instrument selbst kommt daher nicht mehr in Betracht.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Die Maßnahmen dienen der Sicherung des Steueraufkommens.
E. Erfüllungsaufwand
Es ist davon auszugehen, dass durch das Änderungsprotokoll zum
Abkommen kein eigenständiger Erfüllungsaufwand begründet wird.
Informationspflichten für die Wirtschaft werden weder eingeführt noch
verändert oder abgeschafft. Darüber hinaus führt das Änderungs -
Bundesrat – 3 – Drucksache 170/21
protokoll weder für Unternehmen noch für Bürgerinnen und Bürger und
für die Steuerverwaltung des Bundes und der Länder zu messbaren
Veränderungen des Erfüllungsaufwandes.
Die „One in, one out“-Regel ist nicht anzuwenden, weil es sich um die
1:1-Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrages handelt.
F. Weitere Kosten
Unternehmen, insbesondere den mittelständischen Unternehmen,
entstehen durch dieses Gesetz keine unmittelbaren, direkten Kosten.
Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das
Verbraucherpreisniveau, sind von diesem Gesetz nicht zu erwarten.
Bundesrat Drucksache 170/21
Gesetzentwurf
der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes
zu dem Protokoll vom 15. Dezember 2020
zur Änderung des Abkommens vom 29. November 1996
zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik Estland
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
auf dem Gebiet der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 12. Februar 2021
Die Bundeskanzlerin
An den
Präsidenten des Bundesrates
Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von
der Bundesregierung beschlossenen
Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 15. Dezember 2020 zur
Änderung des Abkommens vom 29. November 1996 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Republik Estland zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und
vom Vermögen
mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Finanzen.
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 26. 03. 21
12. 02. 21
Fz
Bundesrat – 7 – Drucksache 170/21
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf
Gesetz
zu dem Protokoll vom 15. Dezember 2020
zur Änderung des Abkommens vom 29. November 1996
zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik Estland
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet
der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
Vom 2021
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Dem in Tallinn am 15. Dezember 2020 unterzeichneten Protokoll zur Änderung
des Abkommens vom 29. November 1996 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BGBl. 1998 II
S. 547, 548) wird zugestimmt. Das Protokoll wird nachstehend veröffentlicht.
Artikel 2
(1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
(2) Der Tag, an dem das Protokoll nach seinem Artikel 9 in Kraft tritt, ist im
Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Drucksache 170/21 – 8 – Bundesrat
Begründung zum Vertragsgesetz
Zu Artikel 1
Auf das Protokoll ist Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes anzuwenden,
da es sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.
Die Zustimmung des Bundesrates ist nach Artikel 105 Absatz 3 des Grund -
gesetzes erforderlich, da das Aufkommen aus den durch das Protokoll betroffenen
Steuern gemäß Artikel 106 Absatz 3, 5 und 6 des Grundgesetzes ganz
oder zum Teil den Ländern oder den Gemeinden zusteht.
Darüber hinaus ist die Zustimmung des Bundesrates nach Artikel 108 Absatz 5
Satz 2 des Grundgesetzes erforderlich, da das Protokoll Verfahrensregelungen
enthält, die sich auch an die Landesfinanzbehörden richten.
Zu Artikel 2
Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82
Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, in dem das Protokoll nach seinem Artikel 9 in
Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Schlussbemerkung
Mit dem Vertragsgesetz erfolgt die Umsetzung des am 15. Dezember 2020
unterzeichneten Protokolls zur Änderung des Abkommens vom 29. November
1996 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Estland zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen
und vom Vermögen (BGBl. 1998 II S. 547, 548). Schwerpunkt des Änderungsprotokolls
ist die Umsetzung der abkommensbezogenen Empfehlungen
des sog. BEPS-Projekts. Hervorzuheben ist, dass durch eine Änderung des
Titels und der Präambel entsprechend dem BEPS-Mindeststandard ausgedrückt
wird, dass sowohl Doppelbesteuerungen als auch Nichtbesteuerungen oder
reduzierte Besteuerungen vermieden werden sollen. Zudem wird die dem
BEPS-Mindeststandard entsprechende Missbrauchsvermeidungsklausel, die
auf ein Hauptzweck-Kriterium abstellt („Principal Purpose Test“ – PPT), aufgenommen.
Das Vorhaben entspricht einer nachhaltigen Entwicklung. Die dem völkerrechtlichen
Vertrag zugrundeliegenden Maßnahmen betreffen folgende Prinzipien für
nachhaltige Entwicklung:
(1.) Nachhaltige Entwicklung als Leitprinzip konsequent in allen Bereichen und
bei allen Entscheidungen anwenden.
Dabei unterstützt das Vorhaben die folgenden Indikatorenbereiche: 8.2a (Staatsverschuldung),
8.3 (Wirtschaftliche Zukunftsvorsorge) und 8.4 (Wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit). Eine Nachhaltigkeitsrelevanz bezüglich anderer Indikatoren
ist nicht gegeben.
Die Maßnahmen dienen der Sicherung des Steueraufkommens.
Es ist davon auszugehen, dass durch das Änderungsprotokoll zum Abkommen
kein eigenständiger Erfüllungsaufwand begründet wird. Informationspflichten
für die Wirtschaft werden weder eingeführt noch verändert oder abgeschafft. Darüber
hinaus führt das Änderungsprotokoll weder für Unternehmen noch für
Bürgerinnen und Bürger und für die Steuerverwaltung des Bundes und der
Länder zu messbaren Veränderungen des Erfüllungsaufwandes. Die „One in,
one out“-Regelung ist nicht anzuwenden, weil es sich bei diesem Gesetzentwurf
um die 1:1-Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrages handelt.
Unternehmen, insbesondere den mittelständischen Unternehmen, entstehen
durch dieses Gesetz keine unmittelbaren, direkten Kosten. Auswirkungen auf
Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau,
sind von diesem Gesetz nicht zu erwarten.
Bundesrat – 9 – Drucksache 170/21
Da der dem Vertragsgesetz zugrundeliegende völkerrechtliche Vertrag keine Befristung
seiner Anwendung enthält, kommt eine Befristung des Vertragsgesetzes
nicht in Betracht. Einer Evaluation des Vertragsgesetzes bedarf es nicht, da der
dem Vertragsgesetz zugrundeliegende völkerrechtliche Vertrag nur durch einen
weiteren bilateralen völkerrechtlichen Vertrag geändert oder durch dessen
Kündigung einseitig beendet werden könnte.
Drucksache 170/21 – 10 – Bundesrat
Protokoll
zur Änderung des Abkommens vom 29. November 1996
zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik Estland
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
Die Bundesrepublik Deutschland
und
die Republik Estland –
von dem Wunsch geleitet, ein Protokoll zur Änderung des
Abkommens vom 29. November 1996 zwischen der Bundes -
republik Deutschland und der Republik Estland zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen
und vom Vermögen zu schließen –
sind wie folgt übereingekommen:
Artikel 1
Der Titel wird wie folgt gefasst:
„Abkommen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik Estland
zur Beseitigung der Doppelbesteuerung
sowie zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung
auf dem Gebiet der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen“.
Artikel 2
Die Präambel wird wie folgt gefasst:
„Die Bundesrepublik Deutschland
und
die Republik Estland –
von dem Wunsch geleitet, ihre wirtschaftlichen Beziehungen
weiterzuentwickeln und ihre Zusammenarbeit in Steuersachen zu
vertiefen,
in der Absicht, in Bezug auf die unter dieses Abkommen
fallenden Steuern eine Doppelbesteuerung zu beseitigen, ohne
Möglichkeiten zur Nicht- oder Niedrigbesteuerung durch Steuerverkürzung
oder -umgehung (unter anderem durch missbräuchliche
Gestaltungen mit dem Ziel des Erhalts von in diesem Abkommen
vorgesehenen Erleichterungen zum mittelbaren Nutzen
von in Drittstaaten ansässigen Personen) zu schaffen –
sind wie folgt übereingekommen:“.
Protocol
amending the Agreement of 29 November 1996
between the Federal Republic of Germany
and the Republic of Estonia
for the Avoidance of Double Taxation
with respect to Taxes on Income and on Capital
Artikel 3
Der Wortlaut des Artikels 9 wird Artikel 9 Absatz 1. Diesem
wird folgender neue Absatz 2 angefügt:
„(2) Rechnet ein Vertragsstaat den Gewinnen eines Unternehmens
dieses Vertragsstaats Gewinne zu, mit denen ein Unter -
nehmen des anderen Vertragsstaats in diesem anderen Ver -
The Federal Republic of Germany
and
the Republic of Estonia,
Desiring to conclude a Protocol amending the Agreement of
29 November 1996 between the Federal Republic of Germany
and the Republic of Estonia for the Avoidance of Double Taxation
with respect to Taxes on Income and on Capital,
Have agreed as follows:
Article 1
The Title shall read as follows:
“Agreement
between the Federal Republic of Germany
and the Republic of Estonia
for the Elimination of Double Taxation
and the Prevention of Tax Evasion and Avoidance
with respect to Taxes on Income and on Capital”.
Article 2
The Preamble shall read as follows:
“The Federal Republic of Germany
and
the Republic of Estonia,
Desiring to further develop their economic relationship and to
enhance their co-operation in tax matters,
Intending to eliminate double taxation with respect to the taxes
covered by this Agreement without creating opportunities for
non-taxation or reduced taxation through tax evasion or avoidance
(including through treaty-shopping arrangements aimed
at obtaining reliefs provided in this Agreement for the indirect
benefit of residents of third States),
Have agreed as follows:”.
Article 3
The wording of Article 9 shall be paragraph 1 of Article 9. After
this paragraph, a new paragraph 2 shall be inserted as follows:
“(2) Where a Contracting State includes in the profits of an
enterprise of that State – and taxes accordingly – profits on which
an enterprise of the other Contracting State has been charged to
Bundesrat – 11 – Drucksache 170/21
tragsstaat besteuert worden ist, und besteuert diese Gewinne
entsprechend, und handelt es sich bei den zugerechneten
Gewinnen um solche, die das Unternehmen des erstgenannten
Vertragsstaats erzielt hätte, wenn die zwischen den beiden
Unternehmen vereinbarten Bedingungen die gleichen gewesen
wären, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbart
hätten, so nimmt dieser andere Vertragsstaat eine entsprechende
Berichtigung der Höhe der dort von diesen Gewinnen erhobenen
Steuer vor. Bei der Ermittlung dieser Berichtigung sind die übrigen
Bestimmungen dieses Abkommens zu berücksichtigen, und
erforderlichenfalls konsultieren die zuständigen Behörden der
Vertragsstaaten einander.“
Artikel 4
Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe a wird wie folgt gefasst:
„a) 5 vom Hundert des Bruttobetrags der Dividenden, wenn
der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft (jedoch keine
Personengesellschaft) ist, die während eines Zeitraums von
365 Tagen einschließlich des Tages der Dividendenzahlung
unmittelbar über mindestens 25 vom Hundert des Kapitals
der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt (bei der
Berechnung dieses Zeitraums bleiben Änderungen der Eigentums-
oder Inhaberschaftsverhältnisse unberücksichtigt, die
sich unmittelbar aus einer Umstrukturierung, wie einer Fusion
oder Spaltung, der die Aktien haltenden oder die Dividenden
zahlenden Gesellschaft ergeben würden);“.
Artikel 5
(1) Artikel 13 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Gewinne, die eine in einem Vertragsstaat ansässige
Person aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens im Sinne
des Artikels 6 erzielt, das im anderen Vertragsstaat liegt, können
in diesem anderen Staat besteuert werden.“
(2) Nach Artikel 13 Absatz 1 wird folgender neuer Absatz 1a
eingefügt:
„(1a) Gewinne, die eine in einem Vertragsstaat ansässige
Person aus der Veräußerung von Aktien oder vergleichbaren
Rechten, wie Rechten an einer Personengesellschaft oder einem
Trust, erzielt, können im anderen Vertragsstaat besteuert werden,
sofern der Wert dieser Aktien oder vergleichbaren Rechte zu
irgendeinem Zeitpunkt während der 365 Tage vor der Veräußerung
zu mehr als 50 vom Hundert unmittelbar oder mittelbar auf
in diesem anderen Staat gelegenem unbeweglichem Vermögen
im Sinne des Artikels 6 beruhte.“
Artikel 6
(1) Nach Artikel 26 wird ein neuer Artikel 27 mit folgendem
Wortlaut eingefügt:
„Artikel 27
Verhinderung von Abkommensmissbrauch
Ungeachtet der sonstigen Bestimmungen dieses Abkommens
wird eine Vergünstigung nach diesem Abkommen nicht für bestimmte
Einkünfte oder Vermögenswerte gewährt, wenn unter
Berücksichtigung aller maßgeblichen Tatsachen und Umstände
die Feststellung gerechtfertigt ist, dass der Erhalt dieser Vergünstigung
einer der Hauptzwecke einer Gestaltung oder Transaktion
war, die unmittelbar oder mittelbar zu dieser Vergünstigung geführt
hat, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass die Gewährung
dieser Vergünstigung unter diesen Umständen mit dem Ziel
und Zweck der einschlägigen Bestimmungen dieses Abkommens
im Einklang steht.“
(2) Die Artikel 27, 28 und 29 werden Artikel 28, 29 und 30.
tax in that other State and the profits so included are profits
which would have accrued to the enterprise of the first-mentioned
State if the conditions made between the two enterprises
had been those which would have been made between independent
enterprises, then that other State shall make an appropriate
adjustment to the amount of the tax charged therein on those
profits. In determining such adjustment, due regard shall be had
to the other provisions of this Agreement and the competent authorities
of the Contracting States shall if necessary consult each
other.”.
Article 4
Sub-paragraph a) of paragraph 2 of Article 10 shall read as
follows:
“a) 5 per cent of the gross amount of the dividends if the beneficial
owner is a company (other than a partnership) which
holds directly at least 25 per cent of the capital of the company
paying the dividends throughout a 365 day period that
includes the day of the payment of the dividends (for the
purpose of computing that period, no account shall be taken
of changes of ownership that would directly result from a
corporate reorganisation, such as a merger or divisive reorganisation,
of the company that holds the shares or that pays
the dividends);”.
Article 5
(1) Paragraph 1 of Article 13 shall read as follows:
“(1) Gains derived by a resident of a Contracting State from
the alienation of immovable property referred to in Article 6 and
situated in the other Contracting State may be taxed in that other
State.”.
(2) A new paragraph (1a) shall be inserted after paragraph 1
of Article 13 of the Agreement as follows:
“(1a) Gains derived by a resident of a Contracting State from
the alienation of shares or comparable interests, such as interests
in a partnership or trust, may be taxed in the other Contracting
State if, at any time during the 365 days preceding the alienation,
these shares or comparable interests derived more than
50 per cent of their value directly or indirectly from immovable
property, as defined in Article 6, situated in that other State.”.
Article 6
(1) A new Article 27 shall be inserted after Article 26 with the
following wording:
“Article 27
Prevention of Treaty Abuse
Notwithstanding the other provisions of this Agreement, a benefit
under this Agreement shall not be granted in respect of an
item of income or capital if it is reasonable to conclude, having
regard to all relevant facts and circumstances, that obtaining that
benefit was one of the principal purposes of any arrangement
or transaction that resulted directly or indirectly in that benefit,
unless it is established that granting that benefit in these circumstances
would be in accordance with the object and purpose of
the relevant provisions of this Agreement.”.
(2) Article 27, 28 and 29 shall become Article 28, 29 and 30.
Drucksache 170/21 – 12 – Bundesrat
Artikel 7
Der Wortlaut nach der Überschrift zur Nummer 4 des Protokolls
zum Abkommen wird Buchstabe a. Diesem wird folgender
neue Buchstabe b angefügt:
„b) Es gilt als vereinbart, dass die in Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe
a festgelegte erforderliche Mindesthaltedauer auch
nach dem Tag der Dividendenzahlung erfüllt werden kann.“
Artikel 8
Nummer 8 des Protokolls zum Abkommen wird wie folgt gefasst:
„8. Zu Artikel 26
Die Verarbeitung personenbezogener Daten nach diesem
Abkommen richtet sich nach dem einschlägigen Recht der
EU sowie den innerstaatlichen Regelungen zum Datenschutz
des jeweiligen Vertragsstaats.“
Artikel 9
Jeder Vertragsstaat notifiziert es dem jeweils anderen Vertragsstaat
schriftlich, dass die nach seinem Recht erforderlichen
Verfahren für das Inkrafttreten dieses Änderungsprotokolls abgeschlossen
sind. Dieses Änderungsprotokoll tritt am Tag des
Eingangs der späteren dieser Notifikationen in Kraft und wird
wirksam
a) bei den im Abzugsweg erhobenen Steuern für Beträge, die
am oder nach dem 1. Januar des Kalenderjahrs gezahlt
werden, das dem Jahr folgt, in dem das Änderungsprotokoll
in Kraft getreten ist;
b) für Steuern, die für Veranlagungszeiträume erhoben werden,
die am oder nach dem 1. Januar des Kalenderjahrs beginnen,
das dem Jahr folgt, in dem das Änderungsprotokoll in Kraft
getreten ist.
Geschehen zu Tallinn am 15. Dezember 2020 in zwei Urschriften,
jede in deutscher, estnischer und englischer Sprache, wobei
jeder Wortlaut verbindlich ist. Bei unterschiedlicher Auslegung
des deutschen und des estnischen Wortlauts ist der englische
Wortlaut maßgebend.
Article 7
The text following the headline of paragraph 4 of the Protocol
to the Agreement shall become sub-paragraph a). After this subparagraph,
a new sub-paragraph b) shall be inserted as follows:
“b) It is understood, that the required minimum holding period
laid down in sub-paragraph a) of paragraph 2 of Article 10
can also be met subsequently to the day of the payment of
the dividend.”.
Article 8
Paragraph 8 of the Protocol to the Agreement shall read as
follows:
“8. With reference to Article 26:
Für die Bundesrepublik Deutschland
For the Federal Republic of Germany
Christiane Hohmann
Für die Republik Estland
For the Republic of Estonia
Urmas Reinsalu
The processing of personal data under the Agreement shall
be in conformity with the relevant EU law and any domestic
data protection rules adopted by the Contracting State
concerned.”.
Article 9
Each of the Contracting States shall notify the other Contracting
State in writing of the completion of the procedures required
by its laws for the entry into force of this Amending Protocol. This
Amending Protocol shall enter into force on the date of receipt
of the later of these notifications and shall have effect:
a) in respect of taxes withheld at source, in respect of amounts
paid on or after the first day of January of the calendar year
next following that in which this Amending Protocol entered
into force;
b) in respect of taxes which are levied for any assessment period
beginning on or after the first day of January in the calendar
year next following that in which this Amending Protocol
entered into force.
Done at Tallinn on 15 December 2020 in two originals, each
in the German, Estonian and English languages, all three texts
being authentic. In the case of divergent interpretation of the
German and the Estonian texts, the English text shall prevail.
Bundesrat – 13 – Drucksache 170/21
Denkschrift
I. Allgemeines
Das in Tallinn am 15. Dezember 2020 unterzeichnete Änderungsprotokoll
ändert das Abkommen vom 29. November
1996 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Republik Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und
vom Vermögen (BGBl. 1998 II S. 547, 548) und setzt den
sog. BEPS-Mindeststandard im bilateralen Verhältnis zur
Republik Estland um.
Die Inhalte des Änderungsprotokolls beruhen auf den
Arbeiten im Rahmen des Mehrseitigen Übereinkommens
vom 24. November 2016 zur Umsetzung steuerabkommensbezogener
Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung
und Gewinnverlagerung (Multilaterales
Instrument – MLI) (BGBl. 2020 II S. 946, 947), das am
7. Juni 2017 durch die Bundesrepublik Deutschland
unterzeichnet wurde. Ziel ist, die abkommensbezogenen
Empfehlungen des gemeinsamen Projekts der OECD und
G20 zur Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung („Base
Erosion and Profit Shifting“ – BEPS) – insbesondere des
Mindeststandards in Aktionspunkt 6 (Vermeidung von
Abkommensmissbrauch) – in die zwischen den beige -
tretenen Staaten bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen
(DBA) zu implementieren. Für die Wirkung des
MLI ist entscheidend, welche Auswahlentscheidungen
die einzelnen Unterzeichnerstaaten getroffen haben
und inwieweit eine Übereinstimmung der Auswahl -
entscheidungen im jeweiligen bilateralen Verhältnis vorliegt
(„matching“).
Mit der Republik Estland wurde vereinbart, die Ergebnisse
der Auswahlentscheidungen zum Multilateralen Instrument
zwischen Deutschland und Estland nicht mittels
MLI, sondern über ein bilaterales Änderungsprotokoll
umzusetzen. Das Abkommen vom 29. November 1996
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik
Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen (BGBl. 1998 II S. 547, 548) wurde daher aus
dem Geltungsbereich des MLI ausgenommen.
II. Besonderes
Zu Artikel 1
Dieser Artikel ersetzt den Wortlaut des Titels des Abkommens.
Durch die zusätzliche Bezugnahme auf die Verhinderung
der Steuerverkürzung und -umgehung entspricht
dieser dem derzeit aktuellen OECD-Musterabkommen
2017.
Damit wird einer der BEPS-Empfehlungen zu Aktionspunkt
6 gefolgt, welche vorsieht, dass bereits im Titel
eindeutig zum Ausdruck gebracht werden soll, dass das
Doppelbesteuerungsabkommen neben der Vermeidung
einer Doppelbesteuerung auch Steuerverkürzung und
-umgehung verhindern soll. Gemeinsam mit der entsprechenden
Ergänzung der Präambel (siehe zu Artikel 2) soll
die eindeutige Absichtsbekundung der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Estland für die Auslegung
und Anwendung der Bestimmungen des Abkommens
gemäß Artikel 31 des Wiener Übereinkommens über das
Recht der Verträge (WÜRV) auch im Hinblick auf die Verhinderung
von Steuerverkürzung und -umgehung maßgeblich
sein.
Zu Artikel 2
Dieser Artikel ersetzt den Wortlaut der Präambel des
Abkommens. Im Vergleich zum bisherigen Wortlaut der
Präambel enthält der neue Wortlaut analog zur Ergänzung
des Titels die Zielsetzung der Verhinderung von Steuerverkürzung
und -umgehung (u. a. durch missbräuchliche
Gestaltung).
Damit wird ein BEPS-Mindeststandard zu Aktionspunkt 6
umgesetzt, welcher vorgibt, dass bereits in der Präambel
eindeutig zum Ausdruck gebracht werden soll, dass das
Doppelbesteuerungsabkommen neben der Vermeidung
einer Doppelbesteuerung auch Steuerverkürzung und
-umgehung verhindern soll. Gemeinsam mit der ent -
sprechenden Ergänzung im Titel (siehe zu Artikel 1) soll
die eindeutige Absichtsbekundung der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Estland für die Auslegung
und Anwendung der Bestimmungen des Abkommens
gemäß Artikel 31 des Wiener Übereinkommens über das
Recht der Verträge (WÜRV) auch im Hinblick auf die Verhinderung
von Steuerverkürzung und -umgehung maßgeblich
sein.
Zu Artikel 3
Dieser Artikel ergänzt den bisherigen Artikel 9 des Abkommens
und setzt Artikel 17 des MLI um.
Der durch diesen Artikel eingefügte Absatz 2 sieht vor,
dass zur Vermeidung einer Doppelbelastung infolge einer
Gewinnberichtigung im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 des
Abkommens der andere Vertragsstaat eine Gegenberichtigung
vornimmt. Für eine übereinstimmende Abgrenzung
der Gewinne zwischen verbundenen Unternehmen eröffnet
Artikel 25 das Verständigungsverfahren.
Zu Artikel 4
Durch die Neufassung des bisherigen Artikels 10 Absatz 2
Buchstabe a des Abkommens, die Artikel 8 des MLI umsetzt,
wird eine Mindestbeteiligungsdauer von 365 Tagen
eingeführt, die erfüllt sein muss, damit eine Gesell -
schaft Anspruch auf den er mäßigten Quellensteuersatz
von 5 vom Hundert auf von einer Tochtergesellschaft gezahlte
Dividenden hat.
Zu Artikel 5
Dieser Artikel setzt Artikel 9 des MLI um.
Nach Absatz 1 bleibt es bei der bisherigen Regelung,
dass Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens
im Sinne des Artikels 6 des Abkommens neben
dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers auch der Vertragsstaat
besteuern kann, in dem das unbewegliche
Vermögen liegt.
Nach Absatz 2 bleibt es grundsätzlich bei der bisherigen
Regelung, dass neben dem Ansässigkeitsstaat auch
der Vertragsstaat Gewinne aus der Veräußerung von Aktien
besteuern darf, wenn der Wert der Aktien zu mindestens
50 vom Hundert auf unbeweglichem Vermögen im
Drucksache 170/21 – 14 – Bundesrat
Sinne des Artikels 6 beruht, das in diesem Vertragsstaat
liegt.
Neu ist die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf die
Veräußerung von Aktien vergleichbare Rechte, wie Rechte
an einer Personengesellschaft oder einem Trust.
Eingeführt wird zudem ein 365-tägiger Prüfzeitraum zur
Feststellung, ob die Wertgrenze von mindestens 50 vom
Hundert überschritten ist. Nach der neuen Regelung genügt
es, wenn der Wert der Aktien oder vergleichbaren
Rechte an einem Tag der dem Veräußerungstag vorhergehenden
365 Tage zu mehr als 50 vom Hundert auf
unbeweglichem Vermögen beruhte.
Durch die Einführung des 365-tägigen Prüfzeitraumes
kann im Einzelfall der Tatbestand der Beschränkung des
Besteuerungsrechts Deutschlands im Sinne des § 6 Absatz
1 Satz 2 Nummer 4 des Außensteuergesetzes, § 4
Absatz 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes, § 12 Absatz
1 des Körperschaftsteuergesetzes oder gleichlautender
Vorschriften auch ohne eine Handlung des Steuerpflichtigen
erfüllt sein (sog. passive Entstrickung).
Zu Artikel 6
Absatz 1 ergänzt das Abkommen um eine allgemeine
Missbrauchsvermeidungsklausel, die auf ein Hauptzweckkriterium
abstellt (Principal Purpose Test – PPT). Danach
können Vergünstigungen nach dem Abkommen in den
Fällen versagt werden, in denen eine Gewährung dieser
Vergünstigungen unangemessen wäre. Diese Regelung
entspricht Artikel 7 Absatz 1 des MLI und setzt den sog.
BEPS-Mindeststandard zu Aktionspunkt 6 um.
Absatz 2 enthält eine redaktionelle Folgeänderung.
Zu Artikel 7
Durch diesen Artikel wird im Protokoll zum Abkommen
klargestellt, dass die durch Artikel 4 dieses Änderungsprotokolls
eingefügte Mindestbeteiligungsdauer von
365 Tagen, die erfüllt sein muss, damit eine Gesellschaft
Anspruch auf den ermäßigten Quellensteuersatz von
5 vom Hundert auf Dividenden von einer Tochtergesellschaft
hat, auch nach dem Dividendenstichtag erfüllt
werden kann.
Zu Artikel 8
Dieser Artikel ändert das Protokoll zum Abkommen klarstellend
dahingehend, dass bei der Anwendung des
Informationsaustauschartikels (Artikel 26 des Abkommens)
die EU-Datenschutz-Grundverordnung gilt.
Zu Artikel 9
Dieser Artikel regelt die Notifizierung, das Inkrafttreten
sowie die zeitliche Anwendung des Änderungsprotokolls.
Hiernach tritt das Änderungsprotokoll am Tag des Eingangs
der späteren Notifikation in Kraft und ist ab dem
1. Januar des Jahres anzuwenden, das auf das Jahr des
Inkrafttretens folgt.