Bundesrat Drucksache 66/21 (Beschluss)
Stellungnahme
des Bundesrates
05.03.21
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU)
2019/1161 vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie
2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter
Straßenfahrzeuge sowie zur Änderung vergaberechtlicher
Vorschriften
Der Bundesrat hat in seiner 1001. Sitzung am 5. März 2021 beschlossen, zu dem
Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu
nehmen:
1. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 1 SaubFahrzeugBeschG)
In Artikel 1 sind in § 1 Absatz 1 die Wörter „regelt Mindestziele“ durch die
Wörter „dient der Sicherstellung von Mindestzielen“ zu ersetzen.
Begründung:
Die Richtlinie (EU) 2019/1161 verlangt nach Artikel 1 Nummer 2 von den
Mitgliedstaaten „sicherzustellen, dass öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber
dazu verpflichtet sind, beim Kauf bestimmter Straßenfahrzeuge die Energie-
und Umweltauswirkungen, einschließlich des Energieverbrauchs, der CO2-
Emissionen und bestimmter Schadstoffemissionen während der gesamten Lebensdauer
zu berücksichtigen, um den Markt für saubere und energieeffiziente
Fahrzeuge zu fördern und zu beleben und den Beitrag des Verkehrssektors zur
Umwelt-, Klima- und Energiepolitik der Europäischen Union zu verbessern.“
Eine unmittelbare Verpflichtung zur vergaberechtlich bindenden Vorgabe von
Mindestzielen für die Beschaffung durch die Mitgliedstaaten ergibt sich
dadurch aber nicht. Vielmehr ergibt sich aus Artikel 1 Nummer 6 der oben genannten
Richtlinie durch die Formulierung von Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 ausdrücklich,
dass die Mitgliedstaaten insoweit nur eine Sicherstellungsverpflichtung
in Bezug auf die in der Richtlinie vorgegebenen Mindestziele für die öffentliche
Auftragsvergabe haben. Schon dies verdeutlicht, dass den Mitglied-
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staaten für diese Sicherstellung ein breites Umsetzungsermessen eingeräumt
ist, das neben der verpflichtenden Vorgabe von Mindestzielen für die Beschaffung,
wie sie der Gesetzentwurf bislang vorsieht, auch andere Umsetzungsmöglichkeiten
eröffnet, die eine Sicherstellung auf anderem Wege gewährleisten.
Dieser Spielraum sollte bei der Umsetzung genutzt werden, indem
hinsichtlich der Einhaltung der Mindestziele für schwere Nutzfahrzeuge der
Klasse M3 (Linienbusse) auf die Umsetzung durch eine Branchenvereinbarung
gesetzt wird. Dementsprechend sollte auch in § 1 Absatz 1 des Gesetzentwurfs
auf den damit verbundenen Sicherstellungsansatz und nicht auf die bislang
formulierte Regelung der Einführung von Mindestzielen abgestellt werden.
2. Zu Artikel 1 (§ 4 Absatz 1 Nummer 5 SaubFahrzeugBeschG)
In Artikel 1 sind in § 4 Absatz 1 Nummer 5 die Wörter „ohne vorgesehene
Stehplätze“ zu streichen.
Begründung:
Die Richtlinie (EU) 2019/1161 sieht bereits in Nummer 16 der Erwägungsgründe
vor, dass aufgrund des geringen Reifegrads von emissionsarmen und
-freien Reisebussen, der relativ geringen Rolle der Vergabe öffentlicher Aufträge
in diesem Marktsegment und ihrer spezifischen betrieblichen Anforderungen
Reisebusse nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen
sollten. Im Einklang mit dem in der Verordnung (EG) Nr. 661/2009 des Europäischen
Parlaments und des Rates und der Regelung Nummer 107 der Wirtschaftskommission
der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) verfolgten
Ansatz gelten Fahrzeuge der Klasse M3 mit sehr geringem oder keinem Bereich
für stehende Fahrgäste als Reisebusse.
Dementsprechend sind gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b) der Richtlinie
2009/33/EG (CVD) Fahrzeuge der Klasse M3 mit Ausnahme von Fahrzeugen
der Klasse I und der Klasse A im Sinne von Artikel 3 Nummern 2 und 3 der
Verordnung (EG) Nr. 661/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen.
Folgerichtig wurden in § 4 Absatz 2 zwar die Busse der Klasse M3 mit den
Aufbauartklassen I und A abweichend von der Herausnahme nach § 4 Absatz 1
Nummer 5 ausdrücklich wieder in den Anwendungsbereich des SaubFahrzeugBeschG
aufgenommen. Die Aufnahme ist entsprechend den Erwägungsgründen
daran geknüpft, dass diese Fahrzeuge über Stehplätze verfügen
müssen.
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Mit der bislang formulierten Regelung des § 4 Absatz 1 Nummer 5 sind wegen
der nicht expliziten Herausnahme aus dem Anwendungsbereich allerdings auch
Überlandbusse und Reisebusse mit geringem Stehplatzaufkommen von der nationalen
Umsetzung der CVD erfasst. Damit geht das SaubFahrzeugBeschG
über den Regelungsbereich der CVD hinaus, was die nationale Umsetzung zusätzlich
erschwert und nicht der von der Bundesregierung angestrebten
1:1-Umsetzung entspricht.
3. Zu Artikel 1 (§ 5a – neu –,
§ 7 Absatz 1 Satz 2 – neu – SaubFahrzeugBeschG)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
a) Nach § 5 ist folgender § 5a einzufügen:
„§ 5a
Sicherstellung zur Einhaltung der Mindestziele für schwere Nutzfahrzeuge
der Klasse M3 (Linienbusse)
(1) Abweichend von § 5 erfolgt die Sicherstellung der Einhaltung der für
den jeweiligen Referenzzeitraum nach § 6 festgelegten Mindestziele für
schwere Nutzfahrzeuge der Klasse M3 (Klassen I und A) bei der Beschaffung
von Fahrzeugen und Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber
und Sektorenauftraggeber für den Einsatz im Gebiet der Bundesrepublik
insgesamt nach den nachfolgenden Regelungen. Die Mindestziele bestimmen
sich dabei als Mindestprozentsatz sauberer schwerer Nutzfahrzeuge
einschließlich emissionsfreier schwerer Nutzfahrzeuge an der Gesamtzahl
der gemäß § 3 in dem jeweiligen Referenzzeitraum beschafften sauberen
schweren Nutzfahrzeuge. Sie sind bezogen auf das Bundesgebiet insgesamt
einzuhalten.
(2) Zur Einhaltung der Verpflichtung nach Absatz 1 schließt das zuständige
Bundesministerium gemeinsam mit den zuständigen Ministerien der Länder
und den kommunalen Spitzenverbänden spätestens bis zum
31. Dezember 2021 eine bundesweite Branchenvereinbarung mit den Verbänden
der Verkehrsunternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs
und des Schulbusverkehrs auf der Bundesebene, in der diese im Wege einer
freiwilligen Selbstverpflichtung vereinbaren, innerhalb der Branche die
Mindestziele nach Absatz 1 bundesweit einzuhalten und Bundesregierung
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und Bundestag im Wege eines jährlichen Monitorings bis zum 1. Dezember
jeden Jahres über die erreichte Zielerreichung und die Prognose für den jeweiligen
Referenzzeitraum nach § 6 zu unterrichten. Die Branchenvereinbarung
soll vorsehen, dass öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber
die festgelegten Mindestziele im jeweiligen Referenzzeitraum nach § 6
nicht einhalten müssen, wenn die Mindestziele bereits durch andere öffentliche
Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber übererfüllt werden. Die Mindestziele
nach § 6 müssen aber bundesweit insgesamt eingehalten werden.
Das zuständige Bundesministerium hat die Einhaltung der Mindestziele
insgesamt durch die öffentlichen Auftraggeber und Sektorenauftraggeber zu
überwachen. Die nähere Ausgestaltung des Verfahrens zum Abschluss der
Branchenvereinbarung und des Monitorings wird im Wege einer Verwaltungsvereinbarung
zwischen Bund und Ländern geregelt.
(3) Wird die Branchenvereinbarung nach Absatz 2 nicht bis zum
31. Dezember 2021 abgeschlossen oder ergeben das Monitoring und die
Prognose nach Absatz 2 eine prognostizierte Verfehlung der Mindestziele
nach Absatz 1, so legt das zuständige Bundesministerium der Bundesregierung
innerhalb von drei Monaten nach der Vorlage von Monitoring und
Prognose ein unter Einbindung aller Beteiligten der Branchenvereinbarung
entwickeltes Sofortprogramm vor, das die Einhaltung der Mindestziele für
den jeweiligen Referenzzeitraum nach § 6 sicherstellt. Die Bundesregierung
berät über die zu ergreifenden Maßnahmen und beschließt diese schnellstmöglich.
Sie unterrichtet den Bundestag über die beschlossenen Maßnahmen.“
b) § 7 Absatz 1 ist folgender Satz anzufügen:
„§ 5a bleibt unberührt.“
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Der in § 5 des Gesetzentwurfs gewählte Ansatz zu den Umsetzungsregelungen
ist in Bezug auf die Einhaltung der Mindestziele für Nutzfahrzeuge der Klasse
M3 (Klasse I (Linienbusse) und Klasse A (Midibus in Linienbusausführung)
grundsätzlich ungeeignet. Die Regelungen zur Einhaltung von Mindestzielen
sind von besonderer Bedeutung für den Bereich des ÖPNV und betreffen
kommunale Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen wirtschaftlich in erheblicher
Weise. Gleiches gilt für den freigestellten Schülerverkehr, der von meist
öffentlichen Schulträgern oder Trägern der Schülerbeförderung beauftragt wird
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und der häufig mit den ebengenannten Fahrzeugarten durchgeführt wird.
Eine bundesgesetzliche Umsetzung der Verpflichtung zur Einhaltung der Mindestziele
mit unmittelbar bindender Wirkung für Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen,
wie der Gesetzentwurf sie vorsieht, wird dabei weder den
Interessen von Ländern und Kommunen noch denen der Verkehrsunternehmen
gerecht.
Im Bereich der Regelungen für schwere Nutzfahrzeuge der Klasse M3 (Klassen
I und A) sollte daher der in der EU-Richtlinie eingeräumte Umsetzungsspielraum
genutzt werden und eine Sonderregelung, wie hier unter § 5a vorgeschlagen,
erlassen werden. Mit dieser wird das Primat einer Sicherstellung der
Mindestziele durch eine Branchenvereinbarung vorgegeben. Für den Fall, dass
das kontinuierliche Monitoring ergeben sollte, dass die Mindestziele für die in
der Richtlinie vorgegebenen Referenzzeiträume über die Branchenvereinbarung
prognostisch nicht realistisch umsetzbar erscheinen, wird ein Regelungsmechanismus
vorgeschlagen, wie ihn der Bundesgesetzgeber in § 8 des Bundes-Klimaschutzgesetzes
normiert hat und mit der er nach der Gesetzesbegründung
die Einhaltung der Klimaschutzziele 2030 gewährleistet und seine internationalen
und europarechtlichen Klimaschutzverpflichtungen umsetzt. Kern
dieses Ansatzes ist die gesetzliche Verankerung einer Initiativpflicht der Bundesregierung
zum Beschluss zusätzlicher Maßnahmen im Rahmen eines Sofortprogramms
für den Fall, dass die im Bundes-Klimaschutzgesetz normierten
Klimaschutzziele für einen Sektor nicht erreicht werden. Dabei ist das zuständige
Bundesministerium innerhalb einer im Gesetz definierten Frist von drei
Monaten zur Vorlage eines Sofortprogramms, mit dem die Einhaltung der
Klimaschutzziele für den Sektor für die Folgejahre sichergestellt wird, verpflichtet.
Dieser Ansatz wird auf den Fall übertragen, dass das gesetzlich vorgeschriebene
Monitoring im Rahmen der Branchenvereinbarung ergibt, dass die gesetzlichen
Mindestziele nach § 6 für den Bereich der schweren Nutzfahrzeuge der
Klasse M3 (Klassen I und A) bundesweit prognostisch nicht eingehalten werden
können. Abweichend von der alleinigen Verantwortung des zuständigen
Bundesministeriums sollte die Verantwortung für die Entwicklung des Vorschlags
für das in diesem Fall erforderliche Sofortprogramm allerdings entsprechend
des gemeinsamen Ansatzes zur Sicherstellung der Erreichung der
Mindestziele gemeinsam bei allen an der Branchenvereinbarung Beteiligten
(Bundesministerium, Länderministerien, kommunale Spitzenverbände, Verbände
des Verkehrsgewerbes) liegen. Auf diesem Wege könnten eine praxisgerechte
Sicherstellung der Einhaltung der Mindestziele für den Bereich des
ÖPNV im Zusammenwirken aller relevanten Akteure sichergestellt und gleichzeitig
Reaktionsmöglichkeiten, sei es in finanzieller (Fördermittel, Finanzausstattung),
administrativer (Ausgestaltung Förderprogramme oder ÖDA-
Vergaben) oder auch gesetzlicher (ergänzende gesetzliche Vorgaben durch
Bund und / oder Länder) Hinsicht, bei Umsetzungsproblemen eröffnet werden.
Zu Buchstabe b:
§ 5a trifft eine Sonderregelung in Bezug auf das Verfahren zur Sicherstellung
der Einhaltung der bundesweiten Mindestziele für die Beschaffung von schweren
Nutzfahrzeugen der Klasse M3 (Klassen I und A). Die dort getroffenen
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Sonderregelungen zu den Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sollen von
den Regelungen in § 7 Absatz 1 nicht betroffen werden.
4. Zu Artikel 1 (§ 7 Absatz 1 SaubFahrzeugBeschG)
In Artikel 1 ist § 7 Absatz 1 wie folgt zu fassen:
„(1) Der Bund stellt in seinem Zuständigkeitsbereich sicher, dass öffentliche
Auftraggeber und Sektorenauftraggeber insgesamt die Mindestziele nach § 6
Absatz 1 bis 3 für die Beschaffung von Fahrzeugen und Dienstleistungen einhalten.
Die Länder erfüllen die Aufgaben im Sinne des § 5 Absatz 2 und 3.“
Begründung:
Die im Gesetzentwurf gewählte Formulierung in § 7 Absatz 1, dass auch die
Länder in ihrem Zuständigkeitsbereich die Einhaltung der Mindestziele sicherstellen,
widerspricht der Regelung in § 5 Absatz 2 des Gesetzentwurfs, wonach
die Länder die Einhaltung der Mindestziele durch die öffentlichen Auftraggeber
und Sektorenauftraggeber überwachen. „Sicherstellen“ und „überwachen“
unterliegen unterschiedlichen Anforderungen an die ausführenden Stellen und
stellen damit ein Widerspruch dar. Durch den Verweis auf § 5 Absatz 2 und 3
wird klargestellt, welche Aufgaben durch die Länder zu erfüllen sind. Daher
bedarf es keiner zusätzlichen Aufgabenfestlegung, sondern höchstens eines
Verweises auf § 5.
Durch die Formulierung des „Sicherstellens“ in der derzeitigen Fassung des § 7
Absatz 1 wird zudem der Eindruck erweckt, dass das Erreichen der Mindestziele
nicht im Wege der einzelfallbezogenen Beschaffung, wie in § 5 Absatz 1
normiert, sondern durch ein aktives Einwirken der einzelnen Länder auf die beschaffenden
öffentlichen Auftraggeber (insbesondere Kommunen) und Sektorenauftraggeber
sichergestellt werden soll. Dies setzt aber voraus, dass die
Länder entsprechende Einwirkungsmöglichkeiten auf Gebietskörperschaften
und andere öffentliche wie private Unternehmen, die Auftraggeber im vergaberechtlichen
Sinne sind, haben. Die hier in Frage stehenden Beschaffungen werden
von den Kommunen im Rahmen des eigenen Wirkungskreises (Haushalt)
wahrgenommen. Ein Einwirken auf die Beschaffungsbedarfe und Leistungsbestimmungsrechte
außerhalb vergaberechtlich verbindlicher Vorgaben stellt einen
Eingriff in die Selbstverwaltung beziehungsweise Geschäftsführung dar.
Vor diesem Hintergrund bestehen gegen den derzeitigen Regelungsvorschlag
einer aktiven „Sicherstellung“ auch erhebliche Bedenken in verfassungsrechtlicher
Hinsicht.
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5. Zu Artikel 1 (Fußnote 1 der Anlage 1 zu § 2 Nummer 4, § 6 Absatz 1
SaubFahrzeugBeschG)
In Artikel 1 ist in der Anlage 1 zu § 2 Nummer 4, § 6 Absatz 1 die Fußnote 1
wie folgt zu fassen:
„1) Angegebene maximale Emissionswerte für die Anzahl ultrafeiner Partikel
(PN) in #/km und Stickoxide (NOx) in mg/km im praktischen Fahrbetrieb
(RDE), wie in Nummer 48.2 der Übereinstimmungsbescheinigung angegeben,
gemäß Anhang VIII der Durchführungsverordnung (EU) 2020/683 sowohl für
vollständige als auch für innerstädtische RDE-Fahrten.“
Begründung:
Klarstellung des Gewollten.
Die Richtlinie 2007/46 EG wurde aufgehoben und war bis zum 31. August
2020 in Kraft. Die Aufhebung erfolgte durch die Verordnung (EG)
Nr. 2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018
über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und
Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen
technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, zur Änderung der Verordnungen
(EG) Nr. 715/2007 und (EG) Nr. 595/2009 und zur Aufhebung der Richtlinie
2007/46/EG. In Anhang VIII der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 2020/683
zur Durchführung der Verordnung (EU) 2018/858 wird das anzuwendende
Muster für die Übereinstimmungsbescheinigung festgelegt.
6. Zum Gesetzentwurf allgemein
a) Der Bundesrat stellt fest, dass die bisher eher unverbindlichen Regelungen
sowie die Marktentwicklung im Fahrzeugbereich nicht ausgereicht haben,
sauberen Fahrzeugen insbesondere im Bereich schwere Nutzfahrzeuge zum
Durchbruch zu verhelfen, um die gesetzten THG-Emissions-Minderungsziele
zu erreichen.
b) Der Bundesrat begrüßt daher, dass mit der Umsetzung der Clean-Vehicles-
Directive (CVD) in nationales Recht Anreize gesetzt werden können und
für die Hersteller auch die Planungs- und Investitionssicherheit erhöht wird.
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c) Der Bundesrat bedauert ferner, dass der Bund der Forderung der Länder
nach einer Regelung der Mindestziele vorrangig über Branchenvereinbarungen
nicht gefolgt ist. Dies wäre zumindest für die Beschaffung im
ÖPNV bundesweit sinnvoll.
Begründung:
Zu Buchstabe c:
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die Umsetzungsprobleme auf die
Ebene der Länder, der Kommunen und Verkehrsunternehmen verschoben. Neben
den Verpflichtungen zur Sicherstellung und Überwachung, die hohe
Kosten für die Länder nach sich zögen, drohen einseitige Belastungen der Verkehrsunternehmen
durch mögliche Beschaffungsverpflichtungen, welche wiederum
zu erhöhten Fahrpreisen oder Reduzierung des Verkehrsangebotes führen
könnten. Gerade der ÖPNV als klimafreundliche Mobilitätsform sollte
nicht durch höhere Ausgaben belastet werden. Die unterschiedlichen Gegebenheiten
in urbanen und ländlichen Räumen mit zum Teil schwierigen Einsatzmöglichkeiten
emissionsfreier Busse legen ebenfalls nahe, die Erfüllung der
Mindestziele insgesamt und bundesweit zu erfüllen. Auf der Verkehrsministerkonferenz
im Oktober 2020 wurde dies von den Ländern gefordert.
Die CVD räumt den Mitgliedstaaten für die Sicherstellung der Mindestziele ein
breites Umsetzungsermessen ein, das neben der verpflichtenden Vorgabe von
Mindestzielen für die Beschaffung, wie sie der Gesetzentwurf bislang vorsieht,
auch andere Umsetzungsmöglichkeiten eröffnet, die eine Sicherstellung auf
anderem Wege gewährleistet.
Die Sicherstellung der Mindestziele für schwere Nutzfahrzeuge könnte über
eine Branchenvereinbarung erfolgen. Branchenvertreter (zum Beispiel bdo,
VDV) haben bereits in ihren Stellungnahmen zum Referentenentwurf deutlich
die Bereitschaft zur Mitwirkung signalisiert.
7. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im Benehmen mit den Ländern
einen adäquaten und über die Laufzeit des Gesetzes dauerhaft angelegten
Mehrbelastungsausgleich des Bundes für die Länder und Kommunen sicherzustellen.
Begründung:
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der sogenannten
„Clean Vehicles Directive“ der EU vorgelegt, der ab dem geplanten Inkrafttreten
bis Ende 2030 zu erheblichen und dauerhaften Mehrkosten bei der Beschaf-
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fung und dem Betrieb der Fahrzeugflotten der Länder und der Kommunen führen
wird. Diese Mehrkosten können durch die Haushalte der Länder und
Kommunen nicht kompensiert werden. Bei wichtigen Leistungen der öffentlichen
Daseinsvorsorge, insbesondere bei kommunalen Dienstleistungen in den
Bereichen Öffentlicher Personennahverkehr, Abfallentsorgung sowie Wasserver-
und -entsorgung sind dauerhaft höhere Preise und Gebühren zu erwarten.
Die Erreichung wichtiger und gemeinsamer politischer Zielstellungen von
Bund, Ländern und Kommunen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes
sowie der Mobilitätswende wird dadurch gefährdet. Ein dauerhafter Ausgleich
der Mehrbelastungen von Ländern und Kommunen durch den Bund ist somit
erforderlich.
8. Zum Gesetzentwurf allgemein
a) Der Bundesrat sieht in dem Gesetzentwurf grundsätzlich einen wichtigen
Schritt zur Förderung und Belebung des Marktes für saubere, energieeffiziente
und emissionsfreie Fahrzeuge sowie zur Verbesserung des Beitrags des
Verkehrssektors zur Umwelt-, Klima- und Energiepolitik der EU, des Bundes
und der Länder.
b) Der Bundesrat stellt fest, dass zum Erreichen der verbindlichen Mindestziele
für emissionsarme und -freie Pkw sowie leichte und schwere Nutzfahrzeuge
im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe erhebliche finanzielle
Mehraufwendungen für die Haushalte von Ländern und Kommunen, insbesondere
für Aufgabenträger des ÖPNV, erforderlich sind. Angesichts angespannter
Haushaltssituationen besteht die Gefahr, dass die Mindestziele
nicht erreicht werden können und/oder Fahrpreiserhöhungen im ÖPNV
nicht auszuschließen sind.
c) Um die aus dem Gesetzentwurf für die Haushalte der Länder und Kommunen
resultierenden Mehrbelastungen zu minimieren und insbesondere im
Bereich des ÖPNV Fahrpreiserhöhungen zu verhindern, hält der Bundesrat
dauerhaft angelegte und gezielte finanzielle Unterstützungen der Länder
und Kommunen durch den Bund für zwingend erforderlich.
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d) Der Bundesrat fordert daher eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel, um
den Ländern zu ermöglichen, Mehrkosten der Verkehrsunternehmen zur Erreichung
der Mindestziele gezielt zu fördern. Die von den Ländern bereits
an die Bundesregierung herangetragene Forderung, die für das Jahr 2020 im
Rahmen des ÖPNV-Rettungsschirms erhöhten Regionalisierungsmittel angemessen
zu verstetigen, bleibt hiervon unberührt.
e) Zudem wird die Bundesregierung gebeten, zur Kompensation der Mehrkosten
gezielte Förderprogramme für die vom Gesetzentwurf betroffenen Auftraggeber,
auch für kommunale Gebietskörperschaften, zur Verfügung zu
stellen. Aus Sicht des Bundesrates sollte hierzu insbesondere geprüft werden,
ob und inwieweit die im Entwurf des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans
vorgesehenen Ausgaben in der Komponente 1.2 „Klimafreundliche
Mobilität“ (insgesamt 6,612 Milliarden Euro), insbesondere für Zuschüsse
zur Errichtung von Tank- und Ladeinfrastruktur (1,015 Milliarden
Euro) und zur Förderung des Ankaufs von Bussen mit alternativen Antrieben
(1,085 Milliarden Euro), aufgestockt werden sollten, um die Zielerreichung
des vorliegenden Gesetzentwurfs bedarfsgerecht zu unterstützen.
Begründung:
Mit dem Gesetzentwurf werden bei der öffentlichen Auftragsvergabe erstmals
verbindliche Mindestziele für emissionsarme und -freie Pkw sowie leichte und
schwere Nutzfahrzeuge, insbesondere für Busse im ÖPNV, für die Beschaffung
vorgegeben.
Ausweislich des Gesetzentwurfs sind hierbei erhebliche finanzielle Mehrbelastungen
für Länder und Kommunen, insbesondere im Bereich des ÖPNV, zu
erwarten. Der Gesetzentwurf geht hier von einem einmaligen Erfüllungsaufwand
in Höhe von 1,6 Milliarden Euro innerhalb von zehn Jahren aus. Zudem
wurde ein jährlicher Erfüllungsaufwand zwischen 163 Millionen und 540 Millionen
Euro ermittelt. Nach dem Gesetzentwurf entfällt ein Großteil der Kosten
auf den Bereich der Busse im ÖPNV.
Um die finanziellen Auswirkungen des Gesetzentwurfs für Länder und Kommunen
abzufedern, sollte der Bund die Umsetzung finanziell unterstützen.
Hierfür bietet es sich an, die Regionalisierungsmittel zu erhöhen, um den Ländern
eine gezielte Förderung der Anschaffung von sauberen und emissionsfreien
Bussen zu ermöglichen. Zudem sollten Förderprogramme des Bundes, wie
zum Beispiel zur Förderung von Ladeinfrastruktur und zur Förderung der Anschaffung
von Elektrobussen im ÖPNV, im Hinblick auf die Zielstellung des
vorliegenden Gesetzentwurfs bedarfsgerecht fortgeführt, aufgestockt und ausgestaltet
werden. Hierzu sollten vorrangig auch die Deutschland zustehenden
Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) der EU zum Einsatz kom-
- 11 - Drucksache 66/21 (Beschluss)
men. Die Bundesregierung hat hierzu den Entwurf des Deutschen Aufbau- und
Resilizienzplans vorgelegt. Im Schwerpunkt 1 „Klimapolitik und Energiewende“,
sind in der Komponente 1.2 „Klimafreundliche Mobilität“ Ausgaben in
Höhe von 6,612 Milliarden Euro geplant, wovon unter anderem 1,015 Milliarden
Euro für Zuschüsse zur Errichtung von Tank- und Ladeinfrastruktur und
1,085 Milliarden Euro für die Förderung des Ankaufs von Bussen mit alternativen
Antrieben vorgesehen sind. Die Bundesregierung sollte prüfen, ob eine
Aufstockung der Mittel im Bereich der Komponente 1.2 „Klimafreundliche
Mobilität“ erforderlich ist, um die Zielerreichung des vorliegenden Gesetzentwurfs
bedarfsgerecht zu unterstützen. Eine Kofinanzierung der Länder und
Kommunen sollte hierbei möglichst vermieden werden.
9. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, eine adäquate finanzielle Unterstützung
der Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen durch den Bund
sicherzustellen. Dies sind insbesondere:
- Bereitstellung des angekündigten Förderprogramms mit einem Fördervolumen
in Höhe von 800 Millionen Euro zur Förderung der emissionsfreien
und –armen Antriebe und nötigen Infrastrukturen für den Zeitraum 2021 bis
2024 im ÖPNV.
- Erhöhung der Regionalisierungsmittel zur Finanzierung der Transformation
des ÖPNV von fossilen Kraftstoffen auf regenerativ erzeugte Energien sowie
der höheren Betriebskosten. In ihrer Sitzung vom 14. und
15. Oktober 2020 hat die Verkehrsministerkonferenz darauf hingewiesen,
dass eine Verstetigung der im Jahr 2020 um 2,5 Milliarden Euro erhöhten
Regionalisierungsmittel erforderlich sein wird.
Begründung:
Ausweislich der Erwägungsgründe in der EU-Richtlinie dürfen die Mehrbelastungen
aus der Umsetzung der CVD nicht zu erhöhten Fahrpreisen oder einer
Ausdünnung des Verkehrsangebots führen. Im Gesetzentwurf heißt es unter
Punkt F. „Weitere Kosten“ lediglich, dass kalkulatorische Kostenüberwälzungen
auf die Fahrpreise je nach Preiselastizität der Nachfrage aufgrund betriebswirtschaftlicher
Mehraufwendungen vermieden werden sollen und Auswirkungen
auf das gesamtwirtschaftliche Verbraucherpreisniveau daher voraussichtlich
nicht zu erwarten seien. In der praktischen Umsetzung kann ein
Umwälzen der Mehrbelastungen aufgrund der Anforderungen dieses Gesetzes
allerdings nur durch adäquate finanzielle Unterstützung durch den Bund vermieden
werden. Nur so kann letztlich auch die Zielsetzung des europäischen
Drucksache 66/21 (Beschluss) - 12 -
Gesetzgebers, eine Verkehrsverlagerung auf öffentliche Verkehrsmittel zu unterstützen,
erreicht werden.
Eine absehbare Kostenreduktion bei der Beschaffung der von der EU-
Richtlinie geforderten Fahrzeuge kann aufgrund der Marktsituation nicht erkannt
werden. Der Ausgleich muss daher durch die (ÖPNV-) Betreiber beziehungsweise
die öffentliche Hand erfolgen. Die EU-Richtlinie fordert und bezieht
sich in ihren Formulierungen auf die Beschaffung und den Austausch bestehender
Fahrzeugflotten durch Fahrzeuge mit alternativen Antrieben beziehungsweise
zur Nutzung vorgegebener Treib- und Kraftstoffe. In den letzten
sieben Jahren der Entwicklung von Bussen mit alternativen Antrieben ist die
Erkenntnis erwachsen, dass die Fahrzeugbeschaffung bei einem Systemwechsel
den kleineren Teil der Investitionen darstellt. So sind
- Batteriebusse circa doppelt so teuer,
- Fahrzeuge mit Brennstoffzellen circa dreimal so teuer
wie vergleichbare dieselgetriebene Fahrzeuge der Abgasstufe EURO VI.
Für den Betrieb dieser Fahrzeuge mit alternativen Antrieben sind jedoch viele
zusätzliche Investitionen unter anderem in die Infrastruktur, das Personal sowie
die Steuerung und Unterhaltung notwendig.
Die Investitionen, die in die Infrastruktur nötig sind, liegen dabei deutlich höher
als die, die für die Fahrzeugbeschaffung notwendig sind. Die benötigte
Vorlaufzeit beträgt zurzeit zwei bis drei Jahre. Ohne die Investitionen in die
Infrastruktur ist der Einsatz von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben nicht
möglich. Dazu kommt ein Doppelbetrieb von bisheriger Tankstellen- und neuer
Lade- oder Tankinfrastruktur in der Migrationszeit bis zur kompletten Umstellung.
Hierdurch steigen die Betriebskosten der Unternehmen, die in alternative
Kraftstoffe investieren, deutlich.