2020_02_21_d1$19-17336.pdf
Drucksache
Der Energiecharta-Vertrag und seine Modernisierung
19/17336
2020-02-21
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Pascal Meiser, Jörg Cezanne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/16889 –
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http://dipbt.bundestag.de:80/dip21/btd/19/173/1917336.pdf
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Deutscher Bundestag Drucksache 19/17336 19. Wahlperiode 21.02.2020 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Pascal Meiser,
Jörg Cezanne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 19/16889 – Der Energiecharta-Vertrag und seine Modernisierung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Vertrag über die Energiecharta (im Folgenden: ECT) ist ein plurilateraler
Handels- und Investitionsvertrag für den Energiesektor. Er wurde vor 25 Jahren
– im Dezember 1994 – von „alle[n] Länder[n] der ehemaligen Sowjetunion,
alle[n] Länder[n] Mittel- und Osteuropas, Japan, Australien und alle[n]
Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften“ unterzeichnet. Heute sind
45 Staaten an den Vertrag gebunden; Russland, Weißrussland, Norwegen, Island
und Australien haben den Vertrag nie ratifiziert, und Italien ist 2016 ausgetreten.
Der Vertrag sollte zum „wirtschaftlichen Aufschwung der Länder
beitragen, die in der Phase des Übergangs zur Marktwirtschaft stehen, und für
die Unterzeichner aus den westlichen Ländern die Energieversorgungssicherheit
erhöhen“ (s. www.energycharter.org/fileadmin/DocumentsMedia/Legal/E
CT-de.pdf). Ein bestimmender Bestandteil des ECT ist der Investitionsschutz
für ausländische Investoren. Mittlerweile haben sich die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse geändert.
Darüber hinaus haben nach Ansicht der Fragesteller diverse Investor-
Staat-Klagen auf Grundlage des ECT wie etwa die Klage von Vattenfall gegen
die Bundesrepublik Deutschland auf über sechs Milliarden Euro Schadensersatz
aufgrund des Atomausstiegs (www.handelsblatt.com/unternehmen/ener
gie/energiekonzern-vattenfall-fordert-ueber-sechs-milliarden-euro-schadener
satz-vom-bund/24203024.html) Probleme des Vertrages offenkundig werden
lassen. Ein offener Brief von 278 Umwelt-, Klima-, Verbraucherinnen- und
Verbraucher-, Entwicklungs- und handelsbezogenen zivilgesellschaftlichen
Organisationen sowie Gewerkschaften kritisiert, dass der ECT „mit der Umsetzung
des Pariser Klimaabkommens und mit den von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern sowie Gewerkschaften entwickelten Maßnahmen für eine
gerechte Energiewende unvereinbar ist“ und „notwendigen gesellschaftspolitischen
Maßnahmen im Weg [steht]“ (https://power-shift.de/wp-content/uplo
ads/2019/12/Offener-Brief-zum-Energiecharta-Vertrag.pdf). Ein erstes Treffen der Strategiegruppe zur Modernisierung hat im Dezember
2019 bereits stattgefunden. Doch es ist nach Ansicht der Fragesteller fraglich,
inwiefern die beschlossene Modernisierung des ECT hinreichende Verbesserungen
bringt. „Das Verhandlungsmandat der EU sieht beispielsweise weder
ein Ende des Investitionsschutzes für fossile Brennstoffe noch eine Beendi- Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom
19. Februar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/17336 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode gung von Investitionsschiedsverfahren oder von anderen Arten der Investor-
Staat-Streitbeilegung des ECT vor“ (ebd.) 1. Wie lautet der aktuelle Zeitplan zum Verhandlungsprozess zur Modernisierung
des ECT? Die erste Verhandlungsrunde zur Modernisierung des Energiecharta-Vertrages
(ECT) soll vom 14. bis 17. April 2020 stattfinden. Zwei weitere Verhandlungsrunden
sind für Juli und Oktober 2020 geplant. 2. Wie genau ist der Ablauf der Verhandlungen nach Kenntnis der Bundesregierung
geplant (beteiligte Personen/Ausschüsse/Besetzung der Ausschüsse/
notwendige Mehrheiten)? Die Verhandlungen finden in der Modernisierungsgruppe beim Sekretariat der
Energiecharta in Brüssel statt. Den Vorsitz hat Spanien. Jede Vertragspartei des
ECT kann sich durch eine Delegation vertreten lassen. Die notwendigen Mehrheiten
für eine Modernisierung richten sich nach dem völkerrechtlichen Instrument,
durch das die Modernisierung schlussendlich implementiert werden wird.
Über das richtige Instrument kann aber erst entschieden werden, wenn die
ECT-Vertragsparteien sich über die Modernisierung in der Sache geeinigt haben.
Die von der EU und den EU-Mitgliedstaaten angestrebten umfangreichen
Klarstellungen und Präzisierungen des ECT werden voraussichtlich von allen
ECT-Vertragsstaaten mitgetragen werden müssen. 3. Wie läuft die Abstimmung der Positionen nach Kenntnis der Bundesregierung
zwischen den EU-Vertragsparteien genau ab? Die EU-Kommission stimmt die von der EU in den Modernisierungsverhandlungen
zu vertretende Position mit den EU-Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien
des ECT sind, in der Ratsarbeitsgruppe Energie und im Handelspolitischen
Ausschuss ab. Vor den Verhandlungen der ECT-Modernisierungsgruppe ist zudem
eine EU-Koordinierung geplant. 4. Wie läuft oder lief die Abstimmung der Positionen innerhalb der Bundesregierung
genau ab? Das federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Energie stimmt die
Positionen mit den fachlich betroffenen Ressorts ab. 5. Inwiefern sind nach dem geplanten Verfahrensablauf das Europaparlament
und der Deutsche Bundestag in den Abstimmungs- und Verhandlungsprozess
eingebunden? Der Bundestag wird von der Bundesregierung gemäß dem Gesetz über die Zusammenarbeit
von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten
der Europäischen Union unterrichtet. Das Europäische Parlament wird
von der EU-Kommission auf Grundlage des Vertrages über die Arbeitsweise
der Europäischen Union eingebunden. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/17336 6. Welche Themenvorschläge hat die Bundesregierung zur Vorbereitung der
Modernisierung des ECT eingereicht, und aus welchem Grund (s.
COM(2019) 231 final)? Die Bundesregierung hat sich für eine Modernisierung des ECT nach dem Vorbild
von Kapitel 8 CETA und die Aufnahme von Vorschriften zum Pariser Klimaabkommen
und zur Energiewende eingesetzt. Bei den investitionsschutzrechtlichen
Themen hat die Bundesregierung die von der EU-Kommission vorgeschlagenen
Modernisierungsthemen unterstützt (u. a. Bekräftigung des staatlichen
Regulierungsrechts, Ausschluss von Briefkastenfirmen, präzisere Definitionen
von „fairer und gerechter Behandlung und Enteignung“) und vorgeschlagen,
zusätzlich auch Themen wie z. B. „Berechnung von Schadensersatz“,
„Prozesskostenverteilung“, „Intra-EU-Anwendung des ECT“ und „Investitionsgerichtsystem“
sowie „Multilateraler Investitionsgerichtshof“ zu adressieren.
Außerdem hat sie sich dafür eingesetzt, dass bei der Modernisierung die Kompetenzen
der EU-Mitgliedstaaten hinreichend beachtet werden. 7. Welche dieser Vorschläge haben nach Kenntnis der Bundesregierung innerhalb
der EU-Vertragsparteien eine Mehrheit gefunden und werden von
der EU offensiv in den Verhandlungsprozess zur Modernisierung des ECT
eingebracht? Hinsichtlich der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Themen (vgl. Antwort
zu Frage 6) beabsichtigt die EU an den geplanten Modernisierungsverhandlungen
im Hinblick auf die Themen „Schadensbewertung“, „leichtfertige
Klagen“, „Sicherheitsleistung für Prozesskosten“ mitzuwirken. Außerdem beabsichtigt
die EU darauf hinzuwirken, dass ein künftiger multilateraler Investitionsgerichtshof
auf den ECT anwendbar sein wird. Es sollen Vorschriften zur
nachhaltigen Entwicklung, einschließlich Klimaschutz und Energiewende aufgenommen
werden. Weiterhin möchte die EU sicherzustellen, dass alle im Rahmen
der Modernisierung vereinbarten Vorschriften und Verpflichtungen im
Einklang mit dem Rechtsrahmen der EU stehen. Im Hinblick auf das Thema
„Intra-EU-Anwendung des ECT“ wird zudem auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 8. Welche Position nimmt die Bundesregierung zu den weiteren eingereichten
Themenvorschlägen ein, und warum (etwa Transit, Streitbeilegung,
Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration oder Vorinvestitionsphase),
und wie lautet hierzu jeweils die mehrheitliche Position unter den
EU-Vertragsparteien? Die Bundesregierung und die anderen EU-Mitgliedstaaten setzen sich u. a. dafür
ein, dass die Ergebnisse der multilateralen Verhandlungen zur Reform der
Investor-Staat-Streitbeilegung in der Arbeitsgruppe III der Kommission der
Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) und beim
Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID)
auf den ECT anwendbar werden. Sie wollen zudem darauf hinzuwirken, dass
ein künftiger multilateraler Investitionsgerichtshof auf den ECT anwendbar
wird. Die Bundesregierung und die anderen EU-Mitgliedstaaten lehnen es ab, das
Thema Vorinvestitionsphase zum Gegenstand der Modernisierungsverhandlungen
zu machen. In jedem Fall dürfen etwaige Bestimmungen zur Vorinvestitionsphase
nicht der Streitbeilegung unterworfen werden. Die EU möchte so den
erforderlichen Handlungsspielraum für die Förderung erneuerbarer Energien Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/17336 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode durch alle Vertragsstaaten erhalten. Ferner dürfen Regelungen, wie solche zum
Transit, nicht den Prinzipien des EU-Rechts widersprechen. 9. Mit welchen Interessenvertretern gab es nach Kenntnis der Bundesregierung
wie viele Gesprächstreffen zur Modernisierung des ECT (bitte nach
Anzahl, Jahr und Organisation aufschlüsseln)? Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche – einschließlich
Telefonate – besteht nicht, und eine solche umfassende Dokumentation
wurde auch nicht durchgeführt. Die nachfolgenden Ausführungen bzw. aufgeführten
Angaben erfolgen auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse sowie
vorhandener Unterlagen und Aufzeichnungen. Diesbezügliche Daten sind
somit möglicherweise nicht vollständig. Eine durchgeführte Abfrage hat keine Gespräche mit Interessenvertreterinnen
und Interessenvertretern (nur Leitungsebene) seit dem 14. März 2018 bis einschließlich
4. Februar 2020 bezogen auf die Modernisierung des ECT ergeben. 10. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass im modernisierten ECT
entgegen der aktuell geltenden Nichtdiskriminierungsklausel (Artikel 10
Absatz 7) zukünftig zwischen Investitionen in erneuerbare und fossile
Energiequellen unterschieden werden kann, sodass gezielt klimaschutzzieldienliche
Investitionen gefördert und klimaschutzzielhindernde Investitionen
erschwert oder verhindert werden können (bitte begründen)? Der aktuelle ECT gewährt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung von Investitionen
in unterschiedliche Energieträger. Investoren können sich auf Grundlage
der Gleichbehandlungsgebote in Artikel 10 Absatz 7 ECT (Meistbegünstigungsprinzip
und Prinzip der Inländergleichbehandlung) nur auf Gleichbehandlung
mit anderen Investoren berufen, die sich in vergleichbaren Situationen befinden.
Damit ist eine unterschiedliche Behandlung von Investoren, die in unterschiedliche
Energieträger investiert haben, auch schon unter dem aktuellen
ECT möglich. Der ECT behindert daher schon heute die Förderung und den
Ausbau erneuerbarer Energien nicht. 11. Setzt sich die Bundesregierung mit Blick auf die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens
für eine Ende des Investitionsschutzes zumindest für
fossile Brennstoffe ein (bitte begründen)? Investitionsschutz soll nach Auffassung der Bundesregierung auf völkerrechtlicher
Ebene Schutz gegen grob rechtstaatswidrige staatliche Maßnahmen (entschädigungslose
Enteignung, Diskriminierung, Versagung rechtsstaatlicher Verfahren,
etc.) bieten. Die Gewährung derartigen Schutzes folgt aus dem Rechtstaatlichkeitsgebot
und kann nicht von einem bestimmten Energieträger abhängig
gemacht werden. Die Beilegung von Streitigkeiten über grenzüberschreitende
Investitionen in völkerrechtlichen Verfahren trägt darüber hinaus zur internationalen
Konfliktvermeidung bei. Wichtig ist aus Sicht der Bundesregierung,
dass die Verfahren transparent sind, rechtsstaatlichen Standards folgen
und das staatliche Regulierungsrecht gewahrt wird. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/17336 12. Wie viele Investitionsstreitigkeiten basieren nach Kenntnis der Bundesregierung
auf dem ECT (s. COM(2019) 231 final), wie viele entfallen
auf klagende Investoren aus EU-Mitgliedstaaten, in wie vielen Fällen
werden EU-Mitgliedstaaten beklagt, in wie vielen Fällen sind beide
Streitparteien EU-Mitglieder, und wie viele Fälle haben staatliche Regelungen
zur Grundlage, die Förderung/ Verbrauch oder Nutzung fossiler
Energie(träger) einschränken (bitte nach Ländern und Energieträgern
aufschlüsseln)? Die Bundesregierung führt keine Statistik über Investor-Staat-Schiedsverfahren
auf Grundlage des ECT. Eine Übersicht über die öffentlich bekannten Investor-
Staat-Schiedsverfahren auf Grundlage des ECT ist unter www.energychartert
reaty.org/cases/list-of-cases/ verfügbar. Danach gab es bis zum 18. Dezember
2019 insgesamt 128 öffentlich bekannte Investor-Staat-Schiedsverfahren auf
Grundlage des ECT. 13. Welche Konsequenzen entstehen nach Ansicht der Bundesregierung aus
dem Achmea-Urteil des europäischen Gerichtshofs (C 284/16) für den
ECT Modernisierungsprozess? Da eine kleine Minderheit von EU-Mitgliedstaaten (Schweden, Finnland, Ungarn,
Luxemburg, Slowenien und Malta) die Übertragbarkeit des Urteils des
Europäischen Gerichtshofs vom 6. März 2018 in der Rechtsache C-284/16
(Achmea BV / Slowakische Republik) auf den ECT bezweifelt und die Position
der EU im Rahmen der Modernisierung des ECT aus kompetenzrechtlichen
Gründen von allen Mitgliedstaaten mitgetragen werden muss, ist gegenwärtig
nicht klar, in welcher Form das Urteil Einfluss auf den Modernisierungsprozess
haben wird. Aus deutscher Sicht sind Schiedsverfahren zwischen einem Investor
aus einem Mitgliedstaat und einem anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage
des ECT unionsrechtlich genauso zu behandeln wie Schiedsverfahren zwischen
einem Investor aus einem Mitgliedstaat und einem anderen Mitgliedstaat auf
Grundlage eines bilateralen Investitionsschutz- und -fördervertrags. 14. Welche Gründe sieht die Bundesregierung als ausschlaggebend dafür,
dass der ECT „die Investitionsübereinkunft mit den meisten Streitfällen
weltweit“ (s. COM(2019) 231 final) ist? Im Gegensatz zu sonstigen Investitionsschutzabkommen, die bilateral zwischen
zwei Staaten oder einer kleineren Gruppe von Staaten (z. B. USA-Mexico-
Kanada-Abkommen) geschlossen wurden, ist der ECT ein multilateraler Investitionsschutzvertrag
mit 51 Vertragsstaaten. 15. Wie verhält sich die Bundesregierung dazu, dass die Empfehlung zur
Aufnahme der Verhandlungen über die Modernisierung des ECT „in erster
Linie eine Präzisierung und genauere Definition der Standards für den
Schutz von Investoren und Investitionen“ vorsieht (s. COM(2019) 231
final)? Die Bundesregierung begrüßt die von der EU angestrebte klarstellende Präzisierung
der Schutzstandards für Investitionen im ECT nach dem Vorbild von
Kapitel 8 CETA. Diese Präzisierung dient der Klarstellung, dass der ECT nur
Schutz gegen grob rechtstaatswidrige Eingriffe in Investitionen bietet und legitime
staatliche Regulierungen keinen Anspruch auf Entschädigung begründen. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/17336 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 16. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die nach Auffassung der
Fragesteller vielfach kritisierten Grundsätze der „fairen und gerechten
Behandlung“ (fair and equitable treatment – FET) und des Schutzes vor
indirekter Enteignung gestrichen werden (s. etwa https://verfassungsb
log.de/reformierter-investitionsschutz-in-ttip-zwei-schritte-voran-und-ge
gen-die-wand/, bitte begründen)? Die Bundesregierung setzt sich für eine Klarstellung dieser beiden Schutzstandards
nach dem Vorbild von Kapitel 8 CETA ein. 17. Teilt die Bundesregierung die Meinung, dass „angesichts der derzeit laufenden
internationalen Initiativen zur Reform der Streitbeilegung (ICSID
und Multilateraler Investitionsgerichtshof) […] die Modernisierung der
einschlägigen ECV[Energiecharta-Vertrags]-Bestimmungen erst dann erfolgen
[sollte], wenn diese internationalen Initiativen greifbare Ergebnisse
erbracht haben“ (s. COM(2019) 231 final; bitte begründen)? Und bedeutet das, dass solange die alten Regelungen weiter gelten, oder
pausieren diese? Inwiefern hält die Bundesregierung den ECT noch für notwendig – dies
mit Blick darauf, dass dieser mit dem Ziel eingerichtet wurde, „das Energiepotenzial
der mittel- und osteuropäischen Länder zu entwickeln und
die Sicherheit der Energieversorgung der EU zu gewährleisten“, mittlerweile
aber sich die wirtschaftliche Situation in Osteuropa und Mittelasien
massiv verändert hat (vgl. www.umweltinstitut.org/fileadmin/Mediapool/
Downloads/01_Themen/02_Energie-und-Klima/Energiecharta/Dossier_
Energiecharta_web_small.pdf)? Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Das Verhandlungsergebnis der
ECT-Modernisierung ist auch zum Thema Streitbeilegung gegenwärtig nicht
vorherzusagen, da nicht genau bekannt ist, wie sich die anderen Vertragsstaaten
positionieren werden. In jedem Fall sollte ein zukünftiger multilateraler Investitionsgerichtshof
auf den ECT Anwendung finden. Die Bundesregierung hält Investitionsschutz mit osteuropäischen Staaten außerhalb
der EU und zentralasiatischen Staaten im Hinblick auf die dortige wirtschaftspolitische
Situation weiterhin für notwendig, um das Energiepotenzial
dieser Staaten zu entwickeln, die Sicherheit der Energieversorgung der EU zu
gewährleisten und Anreize für Investitionen auch in erneuerbare Energien in
diesen Staaten zu setzen. 18. Aus welchen Gründen kündigt die Bundesregierung den ECT nicht auf? Der ECT bietet einen stabilen Rechtsrahmen für Investitionen im Energiesektor
und stellt die Einhaltung rechtstaatlicher Standards in allen Vertragsparteien sicher. 19. Wie steht die Bundesregierung zu einer geografischen Ausdehnung des
ECT auf weitere Unterzeichnerstaaten? Das Beitrittsverfahren für weitere Vertragsstaaten ist derzeit ausgesetzt. Es soll
zunächst eine Überprüfung des Verfahrens durch die Vertragsstaaten stattfinden. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/17336 20. Welche Ziele erfüllt der aktuelle ECT nach Auffassung der Bundesregierung,
und welche Ziele soll der modernisierte ECT erfüllen? Der aktuelle ECT soll einen stabilen Rechtsrahmen für Investitionen im Energiesektor
bieten, die Einhaltung rechtstaatlicher Standards in allen Vertragsparteien
fördern und die ehemaligen Ostblockstaaten in den globalen Energiemarkt
integrieren. Der aktuelle ECT belässt den Vertragsparteien die Freiheit, legitime
Regulierungen im Energiebereich vorzunehmen. Dies umfasst sowohl die notwendigen
Regulierungen für die Energiewende, Regulierungen im öffentlichen
Interesse zum Schutz von Menschen Umwelt und Natur, als auch Sanktionsmaßnahmen
im Einzelfall gegen Investoren, die nationale Gesetze nicht beachten.
Im Rahmen der Modernisierung sollen diese Ziele klargestellt und nochmals
unterstrichen werden. 21. Würde die Bundesregierung unter bestimmten Bedingungen einen Austritt
aus dem ECT anstreben, und wenn ja, unter welchen? Die Bundesregierung erwägt dies derzeit nicht. 22. Inwiefern genügt es der Bundesregierung, dass im modernisierten ECT
die „Bekräftigung des staatlichen Regulierungsrechts […] Staaten u. a.
auch den erforderlichen Raum für Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende
sichern [soll] (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche
Frage 53 des Abgeordneten Klaus Ernst auf Bundestagsdrucksache
19/15250), anstatt die Erfüllung der Pariser Klimaschutzziele ins Zentrum
dieses Vertrages zu rücken? Der ECT dient der Bereitstellung eines sicheren und verlässlichen Rahmens für
Investitionen im Energiesektor und der Förderung rechtstaatlicher Standards.
Im Rahmen der Modernisierung des ECT muss aus Sicht der Bundesregierung
und der EU klargestellt werden, dass der ECT die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens
und die Erreichung der dort gesteckten Ziele nicht behindert. 23. Welche Position vertritt die Bundesregierung zum Vorschlag Luxemburgs,
die beiden Ziele, die globale Erderwärmung auf unter 1,5° C zu
begrenzen und den globalen Nettotreibhausgasausstoß bis 2050 auf null
zu reduzieren, horizontal im ECT zu verankern (www.energycharter.org/
file-admin/DocumentsMedia/CCDECS/2019/CCDEC201908.pdf, S. 8)? Die Bundesregierung befürwortet einen Verweis im modernisierten ECT auf
die Ziele des Pariser Klimaabkommens. 24. Warum ist der Umweltartikel des ECT (Artikel 19) vom zwischenstaatlichen
Streitbeilegungsmechanismus des Vertrags (Artikel 27) explizit ausgenommen,
und sieht die Bundesregierung hier Änderungsbedarf (bitte
begründen)? Artikel 19 Absatz 1 führt eine Vielzahl von Prinzipien des internationalen Umweltrechts
auf. Diese Verpflichtungen finden sich auch in weiteren internationalen
Übereinkünften, die die Umwelt betreffen, so dass gemäß Artikel 19 Absatz
2 eine vorrangige Prüfung von Streitigkeiten in anderen geeigneten internationalen
Foren erfolgt. Für Streitigkeiten nach Artikel 19 ist in Artikel 19 Absatz
2 zudem ein eigenes Verfahren vorgesehen. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/17336 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 25. Inwiefern hält die Bundesregierung es für gerechtfertigt, dass gemäß Artikel
47, Absatz 3 ECT der Investitionsschutz nach dem Austritt eines
Vertragsstaats für Investitionen in diesem Staat und für Investoren aus
diesem Staat noch für 20 Jahre weiterhin gültig ist, und setzt sich die
Bundesregierung für eine Verkürzung dieser Frist ein? Die Nachwirkungsfrist sorgt dafür, dass eine Vertragspartei sich nicht durch
einseitige Kündigung des ECT ihren Pflichten entziehen und Investitionen, die
im Vertrauen auf den Schutz des ECT getätigt wurden, entschädigungslos enteignen
oder auf andere Weise grob rechtstaatswidrig behandeln kann. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.